Vor diesem Hintergrund wurde zur Herbstaussaat 2007 eine neue Versuchsserie gestartet, die praxisnahe Antworten speziell zu diesen Fragen liefern sollte. Dabei unterscheiden sich die sogenannte „Stressvariante“, die „Optimalvariante“ und die „Spätsaatvariante“ nach Saatzeit, Vorfrucht und Bodenbearbeitung (Tab. 1). Bestandesführung und Pflanzenschutz wurden ortsüblich vorgenommen, die Saatstärke bei Hybriden wurde um 50 % reduziert.
Aus der unterschiedlichen Rangfolge der Sorten in den drei Aussaatvarianten kann auf die sortenspezifische Eignung der Sorten für Spätsaat, Frühsaat, Mulchsaat oder Stoppelweizeneignung geschlossen werden. In der Stressvariante ist davon auszugehen, dass sowohl die frühe Aussaat in den noch warmen Boden als auch die Weizenvorfrucht und die Stoppelrückstände im Saathorizont die Vitalität der Wurzel und die Gesundheit der Halmbasis stark fordern. Und genau darauf kommt es ja bei den angesprochenen Anbausituationen an.
Die Versuche stehen in Deutschland auf Standorten mit 35 bis 95 Bodenpunkten. Es handelt sich um randomisierte Exaktversuche in dreifacher Wiederholung. Beteiligt sind jeweils 36 Weizensorten und Stämme, darunter immer auch die offiziellen Verrechnungssorten sowie marktführende Sorten des Wettbewerbs. 2018 stehen die Versuche in Bernburg (ST), Hohenlieth (SH), Granskevitz (MV), Teterow (MV), Liepen (MV), Asendorf (NI), Wulfsode (NI), Söllingen (NI), Langenstein (ST), Hovedissen (NRW), Klipphausen (SN), Moosburg (BY) und Dietingen (BW). Koordiniert wird das Projekt von der SAATEN-UNION Versuchsstation Grünseiboldsdorf (s. auch Beitrag Seite 16).
Das Ertragsniveau in den Optimalvarianten beträgt langjährig im Mittel der Standorte gut 100 dt/ha, die Stress- und Spätsaatvarianten fallen dagegen im Mittel gleich stark um jeweils 7 dt/ha ab. Diese Mittelwerte beziehen sich auf die geprüften Liniensorten auf den deutschen Versuchsstandorten seit der Ernte 2009.
Die Ergebnisse richtig interpretieren!
Ein direkter Ertragsvergleich ist bei dieser Versuchsmethodik nicht möglich, weil die Aussaatvarianten – schon von der Vorfrucht her – nicht auf dem „gleichen“ Feld stehen können und deshalb auch vom Standort her unterschiedliche Wachstumsvoraussetzungen vorliegen. Das ist jedoch für die Fragestellung dieser Versuchsserie unerheblich, es geht dabei ja allein um die sortenspezifische Reaktion auf die unterschiedlichen Aussaatvarianten. Diese ergibt sich aus dem Vergleich der relativen Sortenleistungen in den drei Aussaatvarianten (Tab. 1). Vergleichsbasis ist dabei immer der Mittelwert aller geprüften Sorten.
Um die spezifische Eignung der Sorten für die drei Aussaatvarianten darzustellen, ist in den Abbildungen 1 bis 3 jede Sorte für sich verrechnet, 100 steht für ihre Leistung in der Optimalvariante. Die Relativwerte in der Stressvariante und in der Spätsaatvariante zeigen davon ausgehend die Veränderung ihrer relativen Leistung zum Sortenmittel. Mit dieser Darstellungsweise ist es möglich, jeweils alle vorliegenden Versuchsergebnisse einer Sorte einfließen zu lassen, auch bei unterschiedlich vielen Prüfjahren. Ein Vergleich der Ertragsleistung der Sorten ist so nicht möglich, über diese geben die Landessortenversuche bzw. die Ertragseinstufungen des Bundessortenamtes Auskunft. Andererseits ist für die Interpretation der Ergebnisse das Ertragspotenzial einer Sorte nicht ganz unwichtig: So verloren die äußerst ertragreichen Sorten Tobak, Faustus, Achim, Anapolis, RGT Reform oder Gedser zwar einen Teil ihrer Überlegenheit in der Stressvariante, droschen absolut oft aber immer noch genauso viel wie stresstolerantere Sorten mit geringerem Ertragspotenzial.
Die Abbildungen 1 bis 3 zeigen die Ergebnisse für eine Auswahl mindestens zweijährig geprüfter Sorten in den drei Qualitätsgruppen, darunter aus Vergleichsgründen auch einige bekannte ältere Prüfkandidaten.
Sorten, die alles können
Einige Sorten fielen sowohl in der Frühsaat als auch in der Spätsaat nicht überproportional ab, können somit also als Universalsorten bezeichnet werden. Dazu gehören u. a. die A-Weizen Chiron, Lemmy, Nordkap, Hyvento, Patras, und Julius, die B-Weizen Porthus, Hylux, Hystar und Mulan und sowie die C-Weizen Elixer und Manitou. In dieser Gruppe finden sich gehäuft Sorten mit großer Anbauverbreitung, die auch in Landessortenversuchen mit unterschiedlichsten Jahren und Anbauregionen gut zurechtkamen. Einem besonderen Entwicklungstyp oder einer speziellen Resistenzausstattung lassen sich diese Alleskönner als Gruppe nicht zuordnen.
Weizensorten für optimale Bestellbedingungen
Es gibt Sorten, die ihr Ertragspotenzial in der Optimalvariante besonders gut ausschöpfen, eine optimale Bestellung also ganz besonders danken. Dazu gehörten häufig ausgesprochen leistungsfähige Sorten, zum Beispiel die A-Weizen Achim, RGT Reform und Tuareg, der B-Weizen Tobak und der C-Weizen Anapolis. Typische Sortenvertreter dieses Segments sind Korndichtetypen, die ihr sehr hohes Ertragspotenzial am besten bei optimaler Bestandesetablierung und ungestörter, nicht zu schneller Abreife ausschöpfen.
Weizensorten für Selbstfolgen und frühe Mulchsaaten
Stoppelweizen verliert mit der novellierten Düngeverordnung an Vorzüglichkeit. Auch ausgesprochene Frühsaaten sind hinsichtlich Gesundheit und Anbausicherheit zu hinterfragen. Andererseits führt der Klimawandel zu einer deutlich verlängerten Herbst- und Frühjahrsentwicklung, die bereits bei mittelfrühen Saatterminen höhere Anforderungen an gesunde „Füße“ stellt. Und Mulchsaaten sind – selbst ohne Glyphosat – auf Trockenstandorten auch zukünftig die Regel. Mit
Abstand am besten kamen mit diesen Anbaubedingungen die Hybridsorten zurecht: Sie sind dank ihrer höheren physiologischen Aktivität (Heterosis) besonders stresstolerant und zudem auch im Hinblick auf die Saatgutkosten für die frühen Saattermine prädestiniert: Dazu gehörten in den Versuchen z.B. die neue A-Hybride Hyvento und die B-Hybriden Hylux, Hyfi und Hybery. Prädestinierte Liniensorten für diese Stresssituationen sind die A-Weizen Nordkap, Lemmy und Patras sowie die C-Weizen Manitou, Bruce und Elixer.Zwar können auch andere Sorten nach Weizen sowie als Mulchsaat kultiviert werden: allerdings nicht auf schwierigen Standorten und nicht auf Standorten mit schneller Abreife, wo ein vitales Wurzelwerk besonders gefordert ist. Deshalb sind bei diesen Sorten Frühsaaten zu vermeiden und der Fungizideinsatz anzupassen – von der Wurzelschutzbeize über die Halmbruchbekämpfung bis hin zur Ährenbehandlung.
Weizensorten für die Spätsaat
Immer mehr Landwirte interessieren sich für die Spätsaateignung der Weizensorten. Die Fruchtfolgen werden vielfältiger, der Zwischenfruchtanbau nimmt zu, ebenso vielerorts die Vergrasung. Wie die Ergebnisse belegen, sind einige Weizensorten besonders spätsaattolerant. Analog zur Stressvariante gilt auch für die Spätsaat: Höhere Relativleistungen bedeuten, dass die Sorte im Vergleich zu anderen Sorten ertraglich weniger stark abfällt.
Geradezu prädestiniert für die Spätsaat zeigten sich die aktuellen Sorten Chiron und Lemmy (A), Chevignon2 (B) sowie – hier nicht abgebildet – Genius und Lennox (E). Es handelt sich dabei um frühe bis mittelfrühe Sorten mit einer besonders guten Anpassung an eine verkürzte Vegetationszeit. Unter Berücksichtigung aller Saatzeiten sind auch Nordkap, RGT Reform und Patras (A) sowie Manitou (C), Rumor und Porthus (B) gut für die späteren Saattermine geeignet.
In dieser Versuchsserie erwiesen sich eher frühe Sorten sowie Einzelährentypen für Spätsaaten als prädestiniert. Letztere haben einen höheren Anteil gut bewurzelter Haupthalme als Bestandesdichtetypen, was die Einzelährenausbildung unterstützt. Spätere Korndichtetypen fallen in den Spätsaaten dagegen eher ab. Allerdings wurden in diesen Versuchen alle Liniensorten gleich stark gedrillt. In der Praxis sollten Korndichtetypen bei Spätsaaten höhere Saatstärkenzuschläge erhalten, um der abfallenden Bestockung und Einkörnung entgegenzusteuern. Auch über die Startgabe können spät bestellte Bestände wirkungsvoll gefördert werden, Stickstoff wirkt in frühen Entwicklungsphasen entwicklungsbeschleunigend!
Zusammenfassung
Werden die beschriebenen Sortenunterschiede bei der Positionierung der Sorten und der Produktionstechnik berücksichtigt, sind höhere und stabilere Weizenerträge zu erreichen. Allerdings geht es hier eher um das „Feintuning“. Denn die Ergebnisse belegen auch, dass die Ertragsunterschiede der Sorten oft größer sind als deren Differenzen in den Anbauvarianten. Das ist auch kein Wunder, denn Sorten mit ganz spezifischen Präferenzen hätten bei der Selektion und Prüfung unter vielen Umwelten von vornherein keine Zulassungschance.
Die Sortenwahl sollte deshalb in erster Linie auf die Leistungen der Sorten in den regionalen Prüfungen abzielen, dann erst auf deren optimale Platzierung in der Fruchtfolge.
Sven Böse
Der Originalbeitrag, die Langfassung dieses Artikels, ist in der Zeitschrift LOP 6/2018 erschienen.
1 Das völlig untypische Prüfjahr 2008 wird im folgenden nicht berücksichtigt, damals waren aufgrund eines extrem warmen Winters allein die Ergebnisse der Spätsaaten befriedigend.
2 EU-Sorte, keine deutsche Qualitätseinstufung
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