Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Was bestimmt den Stickstoffbedarf bei Weizen?

Mit zunehmend begrenztem N-Angebot wird die Kornprotein-Leistung zu einer wichtigen Effizienzgröße. Wie stark wird die N-Verwertungseffizienz bei Winterweizen von den Anbaubedingungen, der Sorte und deren Qualitätseinstufung bestimmt?

Für eine bessere Qualität, Abbildungen/Bilder anklicken.
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Neunjährige Versuchsserie als Datengrundlage

Um die Einflussfaktoren auf den Korn-N-Ertrag zu untersuchen, sind die Ergebnisse der Produktionstechnischen Versuche der SAATEN-UNION eine ideale Datengrundlage (siehe Informationskasten Seite 7). Diese werden als Exaktversuche seit 2007 durchgeführt, mit immer gleichem Versuchsdesign und verteilt über ganz Deutschland. Untersucht werden jüngere Sorten und Stämme, sowie immer auch die offiziellen Verrechnungs-und marktführenden Sorten. Diese Versuchsserie ist besonders deshalb interessant für Auswertungen, weil sie – anders als „normale“ Sortenversuche – auch extreme Wachstumsbedingungen einschließt, wie sie ja auch in der Praxis vorkommen.

Die Produktionstechnischen Versuche der SAATEN-UNION untersuchen die Reaktion neuer Weizensorten auf unterschiedliche Aussaatvarianten. Aktuell stehen die Versuche auf 13 Standorten in Deutschland.

Geprüft werden die jeweils 36 Prüfsorten mit mehrfacher Wiederholung mit drei Anbauvarianten:

1. Eine Stressvariante in sehr früher Mulchsaat nach Weizen

2. Eine Optimalvariante nach Raps zum optimalen Termin und mit Pflug

3. Eine Spätsaatvariante mindestens drei Wochen später


Korn-N-Erträge zwischen 6 und 14 dt/ha

Abb. 1 zeigt die Kornerträge und die Rohproteingehalte aller auswertbaren Versuche der vergangenen neun Jahre. Jeder Punkt repräsentiert das Mittel aller 36 Sorten des betreffenden Versuches. Die Kornerträge variierten in den vergangenen neun Jahren je nach Umwelt zwischen 60

Kornerträge und Proteingehalte in den PT-Versuchen
Kornerträge und Proteingehalte in den PT-Versuchen
und 130 dt/ha, die Rohproteingehalte zwischen 9 und 15 % i. TM. In diese große Streuung fließen nicht nur Jahres- und Standorteffekte ein, sondern auch die geprüften Aussaatverfahren bei praxisüblicher Düngungs- und Pflanzenschutzintensität. Der Rohproteinertrag als Produkt beider Größen bewegt sich in dem weiten Bereich von 6 bis 14,5 dt/ha, das entspricht einem Entzug zwischen 105 und 250 kg N je Hektar. Der Punkteschwarm ist sehr locker: Über die Umwelten hinweg besteht keine gesicherte Beziehung zwischen Kornertrag und Proteingehalt. Wenn „alles stimmt“, sind 120 dt/ha Korn mit 14,4 % Rohprotein möglich, umgekehrt führen unterdurchschnittliche Erträge nicht zwangsläufig zu hohen Proteingehalten.

 


Braucht Qualitätsweizen wirklich mehr Stickstoff?

Nach dem Entwurf der neuen Düngeverordnung wird C- sowie A- und B-Weizen ein 20–30 kg/ha geringerer N-Bedarf zugebilligt als den E-Sorten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass deren höherer Kornertrag nur etwa zur Hälfte bei den Zuschlägen zur Stickstoffbemessung berücksichtigt wird – mit lediglich 1 kg N je dt Mehrertrag.

Korn-N-Erträge, Qualitätsgruppen
Korn-N-Erträge, Qualitätsgruppen
Diese Benachteiligung wurde bereits in der praxisnah-Ausgabe 1/2016 angesprochen und kann hier anhand langjähriger Daten belegt werden (Abb. 2 und Tab. 1). Im Mittel von 138 Versuchen über neun Jahre sind keine Unterschiede hinsichtlich Höhe und Streuung der N-Aufnahme zwischen den Qualitätsgruppen festzustellen! Und dies, obwohl der züchterische Input in den mittleren Qualitätsgruppen größer ist und dort auch mehr und jüngere Sorten geprüft wurden als bei Eliteweizen mit meist lediglich 3-4 Sortenvertretern! Vermutlich limitiert die Menge der fotosynthetisch fixierten Sonnenenergie die Biosynthese der Inhaltsstoffe im Korn. Denn die Bildung der Aminosäuren und daraus der Proteine ist energieaufwendig und konkurriert mit der Synthese von Kohlenhydraten (Stärke) und Kohlenwasserstoffen (Fette).
Korn-N-Erträge
Korn-N-Erträge

Der Entwurf der Düngeverordnung ist deshalb zu korrigieren, die Qualitätsgruppen müssen fair behandelt werden: der Praxisnähe und damit der Akzeptanz dieser Verordnung zuliebe, vor allem jedoch im Hinblick auf zukünftige Ertragssteigerungen in den wichtigsten Qualitätssegmenten der Weizenproduktion, A und B. Zwar darf der Anbauer aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“ seine N-Düngung um bis zu 10 % des Bedarfswerts anheben. Das kann er aber ja nicht regelmäßig so handhaben und zudem muss er dann die zusätzliche N-Düngung bei anderen Früchten abziehen, damit die Gesamtbilanz im Lot bleibt.


Auch die Jahreswitterung bestimmt den N-Stoffwechsel

In Abb. 2 sind die Entzüge der Qualitätsgruppen differenziert nach Jahren dargestellt. Dabei sind keine Muster zu erkennen. In den Hochertragsjahren lagen mal die A- und B-Sorten vorn (2008), mal die E-Sorten (2014), mal die C-Sorten (2015). Das Gleiche gilt sinngemäß auch umgekehrt für Jahre mit geringeren Korn-N-Erträgen wie 2010 und 2011.

Offensichtlich ist es so, dass sich die Jahreswitterung unterschiedlich auf den Metabolismus der Qualitätsgruppen auswirkt. 2015 ermöglichte eine trockenheitsbedingt sehr geringe Kornzahl je Ähre in Verbindung mit einem hohen Strahlungsangebot im Juli eine sehr gute Kornausbildung mit vergleichsweise hohen Proteinwerten auch bei den niedrigeren Qualitätsgruppen. Anders 2014: Aufgrund des sehr warmen Frühlings kam es zu enorm hohen Korndichten als Resultat gleichzeitig hoher Bestandesdichte und Einkörnung. Die daraus resultierende stärkere Assimilateinlagerung (sink) ermöglichte in Verbindung mit der idealen Witterung ab Mai eine Rekordernte, die dann insbesondere bei den Ertragssorten zu einer stärkeren Proteinverdünnung führte.


Brauchen A- und B-Sorten weniger Stickstoff?

Kornertrag, Rohproteinertrag
Kornertrag, Rohproteinertrag


Zuletzt noch ein Blick auf den Einfluss der Sorte auf den Korn-N-Ertrag. Weil das Sortiment jedes Jahr angepasst wird, wären mehrjährige Vergleiche jeweils nur über wenige Sorten möglich. Deshalb wird die Bandbreite der Sorten hier exemplarisch für das letzte Prüfjahr dargestellt. Die größten Sortenunterschiede sind bei den B- und A-Sorten zu erwarten, weil diese insbesondere 2015 das Sortiment anzahlmäßig dominierten.

Das Ergebnis (Abb. 3): Zwischen der besten und der schlechtesten Sorte liegen bei den B-Sorten 13 kg, bei den A-Sorten 14 kg. Bezogen auf die mittleren Entzüge um 200 kg N/ha betrugen die relativen Sortenunterschiede 7 % und sind somit geringer als die Ertragsunterschiede von etwa 10 %. Zurückzuführen ist diese Annäherung im N-Entzug auf die bekannt negative Beziehung zwischen Kornertrag und RP-Gehalt, die auch in dieser Versuchsserie mit hoher Bestimmtheit (0,78) abgesichert ist.


Zusammenfassung

1. Jedes Jahr ist anders: Der Korn-N-Ertrag als eine maßgeblich künftige Erfolgsgröße wird in erster Linie durch die Umwelt bestimmt. Deren Einfluss auf den Kornertrag und den Proteingehalt ist so komplex, dass über die Jahre und Standorte keine Korrelation zwischen beiden Merkmalen besteht.

2. Die Sortenunterschiede hinsichtlich N-Entzug sind kleiner als die Ertragsunterschiede: Mit der Sortenwahl fällt die Entscheidung, ob die Sonnenenergie eher zu Stärke assimiliert wird – oder aber verstärkt für die energieaufwendigere Proteinsynthese genutzt wird. Aufgrund der negativen Beziehung beider Merkmale, ist der Sorteneffekt auf den N-Entzug geringer als der auf den Kornertrag.

3. Ein Einfluss der Qualitätsgruppe auf den Stickstoffentzug ist definitiv nicht festzustellen. Deshalb sind die Möglichkeiten der N-Düngung bei den A-, B- und C-Sorten denen der E-Sorten gleichzusetzen. An dieser Stelle ist der Entwurf der novellierten DüVO zu korrigieren.

 

Sven Böse

 

Stand: 04.05.2016