Im Binnenland ist die Situation eine ganz andere: geringe Bodenbonitäten, Jahresniederschläge von ca. 400 mm bei ungünstiger Verteilung. Wasser ist hier schon heute der ertragsbegrenzende Faktor Nummer eins. Und dies wird sich im Zuge des Klimawandels noch verstärken. Wie entschärfen Praktiker diese Situation, wo gibt es noch Optimierungsbedarf? Andreas Göbel, Fachberater aus Mecklenburg-Vorpommern, berichtet aus der Praxis
Vorwinterentwicklung
Die Bestandesetablierung im Herbst wird im Produktionsverfahren immer wichtiger. Die Ausbildung einer vitalen Wurzel von 40-50 cm Tiefgang vor Winter sollte flächendeckend und gleichmäßig möglich sein.
Praktiker haben zur Verbesserung der Vorwinterentwicklung in den letzten Jahren die Saattermine deutlich vorverlegt. Während 2001 noch weniger als 1 % der Schläge bis zum 09.09. gedrillt wurden, waren es 2006 über 25 %. Die Anzahl der nach dem 16.10. gedrillten Schläge nahm dagegen von 24 % auf 5 % ab.
Zwar sind die positiven Ertragseffekte der an den Genotyp angepassten früheren Saatzeiten und niedrigen Saatmengen unumstritten und mehrjährig nachgewiesen. Doch diese Entwicklung in Grenzbereiche der Frühsaat hat auch negative Folgen: Der Befall von Blattläusen und Wurzelnematoden steigt, die Winterfestigkeit wird bei überwachsenen Beständen oft ausgereizt, Gräser können bei Pflugverzicht schnell zum Problemungras werden.
Drilltechnik ist bei geringen Saatstärken gefordert
Den Züchterhäusern und dem Prüf- und Beratungswesen erwachsen daraus neue Aufgaben. Der Hybridweizen kann bei dem neuen Weizenmanagement punkten – das zeigen Versuche aber auch die Erfahrungen aus der Praxis.
Erste Saatstärkeversuche zeigten die enorme Vitalität nicht nur in der Bestockungsleistung (Abb. 1) sondern auch besonders in der Wurzelentwicklung im Stoppelweizensegment.
Problematisch war die Präzision der Drilltechnik bei den geringen Saatstärken hinsichtlich Ablagetiefe und vor allem Verteilung in der Reihe. Herkömmliche Drillmaschinen werden in der Regel mit Saatstärken von 300 bis 400 Kö./m² geprüft. In der Praxis werden jedoch Saatstärken bei Hybridweizen von 100 Kö./m² favorisiert. Hier geraten fast alle Drillmaschinen in Grenzbereiche zufriedenstellender Ablagegenauigkeiten.
Die Idealverteilung in der Reihe und zwischen den Reihen sollte einem gleichseitigen Dreieck entsprechen (Abb. 2 a). Unter Praxisbedingungen findet man eher eine so genannte Haufenbildung, Doppelbelegungen und Fehlstellen (Abb. 2 b).
Schon beim Abdrehen der Drilltechnik ergeben sich Probleme, da oft mehr Körner fallen als berechnet. Bei abgedrehten 50 Kö./m² sind mind. 33 Körner mehr gefallen (166 %) bei 200 Kö./m² mindestens 38 Kö./m² (119 %). Die Treffgenauigkeit wird bei geringeren Saatstärken deutlich geringer.
Zunehmende Fahrgeschwindigkeit (schnell = 16 km/h und langsam = 8 km/h) hat sich dabei nur unwesentlich auf eine Saatstärkeerhöhung ausgewirkt. Optisch waren die mit höherer Geschwindigkeit gedrillten Bestände sogar besser verteilt.Der Zugewinn einer Einzelkornsaat bei Winterweizen bleibt umstritten. Die wesentlich teurere Getreideeinzelkorndrilltechnik mit eingeschränkter Flächenleistung wurde von der Praxis nicht angenommen.Wenn in niederschlagsarmen Gebieten das letzte verfügbare Wasser verbraucht ist, hilft auch die beste Standraumzumessung nicht. Wurzelvitalität und Fitness der Bestände vor und nach Winter sind da entscheidender.
Frühsaaten nie ungebeizt
Die Praxis hat in den letzten Jahren viel Lehrgeld mit den Frühsaaten zahlen müssen. Wenn man dünner sät wird das einzelne Korn wertvoller und muss dementsprechend besser abgesichert werden. Mehr Sicherheit im Herbst bedeutet wirkungsvollere Beizung – auch mit insektizidem Schutz. So werden schon heute über 60 % des Hybridweizens, der vom 05. bis 15.09. sein Saatzeitoptimum mit 100 bis 150 Kö./m² hat, mit insektizidem Beizschutz ausgesät.
So geschützte Bestände, insbesondere im Stoppelweizenbereich, bilden oft mehr Bestockungstriebe und ein besseres Wurzelsystem aus.
Im Jahre 2007 auf sechs Standorten initiierte Beizversuche brachten darüber hinaus noch weitere Anregungen für weiterführende Versuche: Auf früh und mit weniger als 150 Kö./m² gesäten Beständen war in Vorpommern 2006/2007 in der Regel mehr Blattlauszuflug zu verzeichnen. Der mit dem Pflanzenschutzdienst Greifswald durchgeführte Beizversuch auf dem Standort Helmshagen bestätigte die Praxisbeobachtungen für Dünnsaaten. Die Variante mit 75 Kö./m² wurde deutlich stärker frequentiert. Lückige Bestände locken ähnlich wie aus dem Zuckerrübenanbau bekannt, die Blattläuse stärker an.
Fazit
In der Mehrzahl der Betriebe Ostdeutschlands ist das Wasser der wichtigste Ertragsbegrenzer. Damit wird die Wurzel, die unterirdische Biomasse, der Garant für die Fitness unserer Bestände. Mit früheren Aussaatterminen und sortenspezifischen Aussaatmengen können wir in Kombination mit entsprechenden Beizen die agronomischen Optima erweitern. Dennoch müssen wir uns dabei bewusst sein, dass wir uns in Grenzbereiche des Pflanzenbaues vorwagen, die nicht über Langzeitstudien abgedeckt sind und mitunter neue Risiken, die wiederum teuer abzusichern sind, hervorrufen.
Die Aufgabe der Züchter ist es, Sorten mit Frühsaateignung, Wüchsigkeit im Herbst, Saatstärkenflexibilität und auch Stoppelweizeneignung zur Verfügung zu stellen. Diese Eigenschaften müssen sich auch in der Praxis bewähren, weshalb eine Vorauswahl VOR der Sortenzulassung in Praxisbetrieben erfolgen sollte. Diese Vorgehensweise hat sich bei der SAATEN-UNION bestens bewährt.
Andreas Göbel