Auf vielen typischen Grünlandstandorten wurde im letzten Jahr Biogasmais angebaut – wie sinnvoll ist das aus Ihrer Sicht?
Ich halte das für viele Betriebe mit Schwerpunkt Milch und/oder Biogas langfristig für unökonomisch. Dass der Umbruch im Zuge des Biogasbooms so großflächig erfolgte, spiegelt meines Erachtens ein wenig die Einstellung zum Grünland an sich wider. Es gibt Betriebsleiter, die das Potenzial einer gut geführten Grünlandfläche unterschätzen. Mit leistungsfähigen Grasbeständen lässt sich einerseits ein Großteil der Energie und des Proteins günstig über das Grundfutter erzeugen, andererseits sind Grünlandflächen eine Möglichkeit für einen sinnvollen Einsatz der Gärsubstrate.
Die Betonung liegt jedoch klar auf „gut geführte und leistungsfähige Grünlandbestände“. Das beinhaltet regelmäßige Neu- oder Nachsaaten.
Hinzu kommt, dass man den 3. oder 4. Schnitt auch effizient als Ferment in Biogasanlagen einsetzen kann. Diese gesamtökonomische Betrachtung muss mit beachtet werden. Wer die rückläufige Diversität der Agrarkulturen beklagt, sollte auch bedenken, dass die Pflanzenzüchtung innerhalb der Kulturarten zu einer enormen Vielfalt beigetragen hat. Bei Gräsern gilt das ganz besonders – vom diploiden Rasengras bis zum tetraploiden Futtergras.
Gräserzüchtung gilt als besonders langwierig … kann die Züchtung überhaupt zeitgerecht reagieren?
Die Ansprüche ändern sich – da ist die Züchtung massiv gefordert. Das gilt für Gras wie auch für jede andere Kulturart.
Bis zur Zulassung einer Sorte dauert es grob 15 Jahre. Besonders die mehrjährige Prüfung der ausdauernden Gräser kostet Zeit.
Konstante Zuchtziele sind Ertrag und Ertragsstabilität. Hinzugekommen sind aber gerade im Zuge der Klimadiskussion die Forderung nach Trockentoleranz. Auch in feuchten, eher typischen Grünlandregionen gab es in den letzten Jahren in den Monaten April/Mai/Juni Trockenheit.
Neu ist auch die Nutzungsveränderung parallel zu den Haltungsentwicklungen moderner Milchviehbetriebe: Früher wurden mehr geeignete Grassorten für die Weidenutzung benötigt, jetzt geht es mehr hin zur Schnittnutzung. Dafür brauchen wir Sortentypen mit Erstschnittbetonung.
Auch das Krankheitsspektrum verändert sich ständig. Merkmale wie Krankheitsresistenzen und Narbenqualität sind negativ mit dem Ertrag korreliert. Es ist ein Erfolg, dass trotz der Verbesserung in diesen Merkmalen der Ertrag in den letzten Jahren noch leicht gestiegen ist.
Wir haben bisher die Trends immer frühzeitig erkannt und unmittelbar in die Züchtungsarbeit eingebunden.
Mit welchen neuen Techniken können Sie den Zuchtfortschritt schneller in die Praxis bringen?
Am wichtigsten ist unsere neue Erntetechnik für die Ertragsbestimmung. Die herkömmliche Methode war die TS-Bestimmung mit Proben im Trockenschrank. Wir können jetzt durch die neue Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) den TS-Gehalt auf dem Futterernter direkt bestimmen.
Auch bei der Futterwertbestimmung bringt diese Technik zukünftig klare Vorteile: Bisher wurde die aufwändige und teure Futterwertbestimmung im Züchtungsablauf nur beschränkt durchgeführt. Mit der NIRS-Technologie kann man kostengünstig und schnell analysieren. So werden wir zukünftig routinemäßig auf Futterqualität selektieren können. Das bringt die Steigerung der Futterqualität deutlich voran und den Zuchtfortschritt also schneller in die Praxis.
Setzen Sie auch molekulare Marker ein?
Eine weitere Technik, die wir momentan für unsere Gräserzüchtung entwickeln, ist die Markertechnologie. Mit der Hilfe von molekularen Markern können wir Genotypen auswählen, die sich in der Population gut ergänzen. Sind interessante Eigenschaften (z.B. Krankheitsresistenzen) mit einem Marker auf einem Abschnitt der DNA gekoppelt, kann leicht nachgeprüft werden, ob die Resistenz in einer Pflanze ebenfalls vorhanden ist. Hier werden wir durch das Resistenzlabor der SAATEN-UNION unterstützt!
Mit unserer Methodik züchten wir Hochleistungssorten, die auf Grünlandstandorten durchaus mit Mais konkurrieren können.
Das Gespräch führte Carolin Weimar