So heiß und trocken von Frühjahr bis Sommer wie 2018 war es in Deutschland noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, vor allem im Norden und im Osten kam es zu starken Dürreschäden. Verstärkt wurden diese bei den Winterungen durch die ungünstige Jugendentwicklung im Norden bei mehrmonatiger nasser und kalter Witterung. Starke Dürreschäden gab es auch 2011 nach einer extremen Frühjahrstrockenheit und vor allem 2003, gepaart mit Auswinterungsschäden. Davon abzugrenzen sind Trockenjahre mit geringeren Schäden wie 2006 und 1996 und solche mit eher mäßigem Trockenstress wie 2017 und 2015, die von den meisten Kulturen problemlos gemeistert wurden.
Fazit 1: Jedes dritte Jahr ist mittlerweile ein Trockenjahr, jedes dritte davon wiederum ein Dürrejahr mit größeren Ertragseinbrüchen. |
Trockenstress hat viele Gesichter
In Abb. 1 werden die Trockenjahre der letzten 22 Jahre verglichen, die vorherrschenden Witterungsabweichungen sind für eine einfachere Interpretation nach den entsprechenden Klimazonen bezeichnet1:
- Trockene Witterung: „arid“ = trocken/sehr warm, „mediterran“ = trocken/warm, „boreal“ = trocken/kalt.
- Feuchte Witterung: „ozeanisch“ = feucht/kühl, „humid“ = feucht/warm, „tropisch“ = feucht/sehr warm
- Normale Witterung = „gemäßigt“
Mit der Zusammenfassung von Wetterdaten über ganz Deutschland und mehrere Monate verringern sich die Witterungsausschläge. Kleinräumig und in kürzeren Zeitabschnitten sind diese noch viel stärker.
Fazit 2: Jedes Trockenjahr ist einzigartig in seiner Witterungskonstellation, wird sich so also nicht wiederholen. |
Wie beeinflusst Trockenstress die Ertragsbildung?
Je nachdem, zu welchen Entwicklungsabschnitten Trockenstress auftritt, wirkt er sich unterschiedlich auf die Ertragsstruktur aus. Grundsätzlich gilt: Je früher er eintritt, umso größer der potenzielle Ertragsverlust, umso höher sind andererseits die Kompensationsmöglichkeiten der Pflanze. Je später er auftritt, umso geringer die Ertragsbeeinträchtigung, jedoch auch um so endgültiger. Hier einige Beispiele bei Weizen, für den die Ertragsstruktur in Abb. 1 dargestellt ist: Die späte Trockenheit 2006 mit schneller Abreife beeinträchtigte die Kornausbildung. Allerdings war ja bereits über eine knapp mittlere Korndichte ein Großteil des Ertrages fixiert, die Verluste hielten sich also in Grenzen. Die Frühjahrstrockenheit 2017 führte zu sehr dünnen Beständen, die gerade deshalb dichter einkörnten. Die höhere Konkurrenz um Assimilate innerhalb der Ähre wiederum führte dann zu eher knappen TKM meist unter 50 g, trotzdem stimmten am Ende die Erträge.
Die wüchsige Herbst- und Frühjahrswitterung 2015 forcierte sehr hohe Bestandesdichten, um ca. 650 Ä/m² auf typischen Weizenstandorten. Die höhere Triebkonkurrenz führte zu einer geringen Einkörnung, die wiederum eine optimale Versorgung der Kornanlagen und damit eine hohe TKM sicherstellte. 2011 führte die Frühjahrsdürre zu den wohl dünnsten Getreidebeständen der letzten Jahrzehnte. Trotzdem hielten sich die Ertragsverluste in Grenzen: Die geringe Triebkonkurrenz gestatteten die Entwicklung vieler Körner, die Juniniederschläge dazu noch eine mittlere TKM.
Infolge der komplexen Wechselwirkungen zwischen Genetik und Umwelt haben immer wieder andere Ertragstypen die Nase vorn – oft sogar unterschiedliche im gleichen Versuch!
Fazit 3: Trockenjahre wirken sich unterschiedlich auf die Ertragsstruktur auf, es gibt keinen begünstigten Sortentyp. |
Sind frühe Sorten trockentoleranter?
Sorten mit früh einsetzender generativen Entwicklung sind bei langjähriger Betrachtung trockentoleranter. Zu erklären ist dies mit der zunehmend negativen klimatischen Wasserbilanz ab April. Bei Mais und Leguminosen begünstigt eine frühe Blüte die ungestörte Befruchtung ohne Blütenabwurf bzw. vertrocknete Narbenfäden.
Bei Getreide – insbesondere Winterweizen und den Sommerungen – ist eine zeitig einsetzende Kornfüllung bei Sommertrockenheit vorteilhaft. Hinzu kommt bei allen Kulturen, dass spätere Genotypen ein längeres und meist auch üppigeres Systemwachstum aufweisen und deshalb mehr Wasser benötigen.
In einzelnen Jahren sind jedoch eher spätere Sorten im Vorteil. Bei Weizen z. B. war das 2018 und 2011 der Fall. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich: 2011 konnten langlebigere Sorten die feuchtkühle Juliwitterung besser für die Kornfüllung nutzen. 2018 war von der frühen Notreife her eigentlich prädestiniert für frühe Sorten. Allerdings nicht nach dem letzten Frühjahr: Nach einer monatelangen Nässe- und Kältephase startete das Wachstum Anfang April direkt mit sommerlichen Temperaturen in den zunehmenden Langtag. Frühe Sorten wurden temperaturgesteuert geradezu ins Schossen gezwungen und schafften so häufig nur mangelhafte Korndichten, die aufgrund des zunehmenden Trockenstresses nicht über die TKM kompensiert werden konnten. Die langtagbetonteren, späteren Sorten hatten einige Tage mehr Zeit dafür, stabilisierten mehr Nebentriebe und konnten deren Ährchenanlagen besser ausdifferenzieren.
Fazit 4: Frühe Sorten sind vorteilhaft bei Sommertrockenheit. Nach schwierigem Frühjahr oder feuchten Sommern punkten oft späte Sorten. |
Welche Früchte sind trockentolerant?
In Abb. 1 sind die Ertragsleistungen einiger Fruchtarten in den Trockenjahren verglichen. Die bundesweite Betrachtung ist nur bei Fruchtarten mit entsprechender Verbreitung möglich und auch nicht bei Körnermais, der in Trockenjahren oft zu Silomais umgewidmet wird.
Für alle Fruchtarten gilt: Hybriden sind langjährig stress- und damit auch trockentoleranter als Liniensorten. Sie haben eine höhere physiologische Aktivität („Heterosis“), die sich auch in einem leistungsfähigeren Wurzelsystem niederschlägt. Bei Raps, Roggen und Weizen wurde dies bereits in den 90er Jahren mehrjährig durch Tensiometer- und Lysimeterversuche der Universität Rostock belegt.
Wintergerste
Wintergerste nutzt die Winterfeuchte effizienter als andere Getreidearten. Mit „mediterranen“ Wetterlagen im späten Frühjahr bzw. Frühsommer kommt diese Frucht deshalb sehr gut zurecht, drosch 2017 und 2015 deshalb sogar mehr als der Winterweizen. Weil andererseits die Kornfüllung früh endet, kann Wintergerste, besonders zweizeilige, zu dünne Bestände weniger über die Ährenausbildung kompensieren. „Aride“ Witterung im Herbst und Frühjahr führte deshalb 2011 und 1996 zu stärkeren Ertragseinbußen. Die schwachen Erträge 2003 sind eher auf Auswinterungen zurückzuführen.
Weizen
Winterweizen brach bundesweit nur in den Trockenjahren 2018 und 2003 stärker im Ertrag ein. Dünne Bestände nach Frühjahrstrockenheit werden von dieser Frucht über die Einkörnung sehr gut kompensiert, wenn sich der Trockenstress im Juni entspannt (z. B. 2017). Auch mit einer gemäßigten Sommertrockenheit kommt Winterweizen gut zurecht, wenn die Jugendentwicklung passt (z. B.
2015). Hingegen reagiert Weizen auf Trockenstress im späteren Frühjahr sehr empfindlich und zeigt dies auch optisch deutlich über Nekrosen und Reduktionserscheinungen.
Roggen und Triticale
Diese Arten stehen auf Standorten mit geringerer Wasserkapazität, sind also stärker mit Trockenstress konfrontiert. Im direkten Vergleich ist Roggen das trockentoleranteste Getreide. Dies ist neben dem leistungsfähigeren Wurzelsystem vor allem der zügigen Jugendentwicklung und dem kleineren Blattflächenindex zu verdanken. Der geringere Energiebedarf ermöglicht ein frühes Ährenschieben zusammen mit Wintergerste, andererseits reift Roggen gemeinsam mit mittelfrühem Weizen ab, nutzt also auch spätere Niederschläge.
Sommergetreide
Sommergerste hat ein vergleichsweise wenig tief reichendes Wurzelsystem, benötigt aufgrund der geringeren Massebildung jedoch auch wenig Wasser. Deshalb fällt diese Frucht im Mittel der Trockenjahre ertraglich nicht stärker ab als Wintergetreide. Ausnahme war 2006, wo Sommergetreide nach einem staunassen Frühjahr und damit schlechter Bewurzelung stärker unter der Sommertrockenheit litt. Eine rechtzeitige Aussaat als Voraussetzung für eine gute Jugendentwicklung ist noch wichtiger für Sommerweizen und vor allem Hafer, wenn diese nicht auf gut Wasser führenden Böden stehen.
Mais und Rüben
Mais und Zuckerrüben profitieren eher von trockenen Frühjahren wie 2017 und 2011. Sie haben dann noch einen sehr geringen Wasserbedarf und profitieren von den dann meist höheren Temperaturen. Ihr großer Vorteil ist die Nutzung der Sommerniederschläge. Fehlen diese (2018, 1997), oder auch Wärme im Frühjahr oder Sommer (2006, 1996), fällt der Ertrag empfindlich ab. Bei Mais führt ein arider Juli regelmäßig zu Ertragseinbrüchen aufgrund von Befruchtungsproblemen. Bei der nur vegetativ genutzten Rübe entfällt diese Unsicherheit, ein großer Vorteil 2018!
Körnerraps
Raps galt ursprünglich als Kulturpflanze „schwerer Standorte in feuchten Lagen“ (Klapp 1967). Die modernen stresstoleranteren Rapshybriden kommen jedoch mit mäßigem Trockenstress sehr gut zurecht, das beweisen auch die hohen Vergleichserträge 2015. Die geringeren Erträge der letzten drei Jahre sind multifaktoriell bedingt, dabei verstärkten phytosanitäre Probleme den Trockenstress. Als Kulturpflanze mit der frühesten Ertragsbildung leidet Raps besonders unter sehr trockenen Frühjahren, zumal nach unbefriedigender Herbstentwicklung (2018 und 1996).
Leguminosen
Ackerbohnen haben einen hohen Wasserbedarf. Sie können aufgrund ihrer tief reichenden Pfahlwurzel nach zeitiger Aussaat mäßige Trockenheit zunächst gut überstehen, noch mehr gilt das für die ebenfalls tief wurzelnde Lupine. Körnererbsen haben ein weniger tief reichendes Wurzelsystem, tolerieren dennoch Frühsommertrockenheit besser. 2017 und 2011 hingegen profitierte die spätere Ackerbohne von den Juliniederschlägen.Sojabohnen werden aufgrund ihrer Kälteempfindlichkeit bei uns erst im Langtag gesät. Als Kurztagspflanze reagieren sie darauf mit stärkerem vegetativen Wachstum und zeitlich verzögerter Blüte. Wie alle Leguminosen leidet Soja zur Blüte am stärksten unter Trockenstress. Im Extremfall werden die Knöllchenbakterien inaktiv, zum Trockenstress kommt dann auch noch Stickstoffmangel.
Fazit 5: Die Fruchtarten reagieren unterschiedlich und damit unvorhersehbar auf Trockenjahre. |
Das gilt jedoch nur für die hier verbreiteten Fruchtarten. Solche mit einer ausgeprägten Anpassung an Trockenlagen sind bei uns (noch) nicht wettbewerbsfähig: Sonnenblume als Pendant zu Raps oder Hirsen, in ariden Regionen die Alternative zu Mais.
Die Wetterkarten werden jedes Jahr neu gemischt
Man könnte die unterschiedliche Reaktion der Fruchtarten und Sorten auf Trockenstress noch differenzierter diskutieren bis hin zu Eigenschaften wie Begrannung, Blattbereifung oder Blattrollen! Das ändert jedoch nichts am Ergebnis: Die Wetterkarten werden jedes Jahr neu gemischt, entsprechend unvorhersehbar und unterschiedlich reagieren die unterschiedlichen Genotypen auf den Witterungsverlauf.
Fazit 6: Die beste Versicherung gegen Witterungsunbilden ist ein genetisch breites Fruchtarten- und Sortenportfolio. |
Abb. 2 belegt dies anhand der kritischen Phasen der Ertragsbildung, die sich bei den Fruchtarten zeitlich erheblich unterscheiden. Deshalb: Je größer die genetische Diversität einer Fruchtfolge, desto stabiler deren Gesamtleistung.
Genetische Vielfalt lohnt jedoch nur mit Fruchtarten, die einzelbetrieblich auf die vorherrschenden abiotischen und biotischen Stressoren ausgerichtet sind. Landwirte in Anbaulagen mit regelmäßigem Trockenstress werden noch stärker bzw. neu auf Hybridroggen oder Hybridweizen setzen. Solche mit besseren Böden können ein breiteres Fruchtartenangebot nutzen bis hin zu Spezialitäten wie Durum oder Winterbraugerste, beide mit steigenden Vermarktungspotenzialen.
Nachhaltig sind erweiterte Fruchtfolgen nur, wenn sie sich auch rechnen. Zu berücksichtigen sind dabei ihre vielfältigen Vorteile, vor allem auch in phytosanitärer Hinsicht oder im Hinblick auf die Düngeverordnung. Berücksichtigt um diesen Fruchtfolgewert sind erweiterte Fruchtfolgen auch mit Extensivkulturen wie Leguminosen oder Sommergetreide am Ende häufig wirtschaftlich. Sven Böse
Die Anbaualternativen sind hier lediglich exemplarisch aufgezeigt und bewertet. Deren Wirtschaftlichkeit hängt einzelbetrieblich insbesondere von den Ertragsrelationen und Verwertungsmöglichkeiten ab. Und von der Bewertung des Vorfruchtwerts: Je enger bzw. einseitiger die bisherige Rotation, je größer die daraus resultierenden pflanzenbaulichen Probleme, umso höher ist der Vorteil einer erweiterten Fruchtfolge.