Die Gesamtsituation im Ackerbau muss überdacht werden und das hat handfeste Gründe, die hier zwar aus nordostdeutscher Sicht dargestellt werden, grundsätzlich aber für die meisten deutschen Anbaugebiete gelten. Pauschale Rezepte gibt es ohnehin nicht – es geht darum, Anregungen zu geben.
Produktionstechnik hat sich nicht angepasst
Woran z. B. liegt es, dass der Ertragstrend in der Praxis bei vielen Kulturen im Nordosten Deutschlands seit Jahren negativ ist, obwohl der Ertragstrend in den Sortenprüfungen des Bundessortenamtes überwiegend positiv ausfällt? Die Produktionsverfahren in der Praxis werden den veränderten Rahmenbedingungen – neue Düngeverordnung, Reglementierungen im Pflanzenschutz, geringere Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln etc. – nicht mehr gerecht. Auch einige Verbände und Organisationen des Agrarsektors reagierten darauf: So veröffentlichte 2017 die DLG ihre 10 Thesen und der Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft formulierte im Mai 2018 die „Ackerbaustrategie der Deutschen Landwirtschaft“. Einige der dort aufgeführten und konkretisierten „Kernziele der Ackerbaustrategie“ betreffen den Kern des praktischen Ackerbaues:
1. Humusgehalt der Böden erhalten und steigern
2. Fruchtfolgen vielfältig gestalten
3. Böden vor Erosionen und Schadverdichtungen schützen
4. Boden schonend bearbeiten
Die von Vertretern der Bundesregierung angekündigte „Ackerbaustrategie“ soll darüber hinaus gesellschaftliche Belange und die Umweltwirkung des Ackerbaues stärker berücksichtigen. Bundesministerin Klöckner hat in einem Interview konkretisiert, dass breitere Fruchtfolgen die Bodenfruchtbarkeit und die natürliche Regenerationsfähigkeit der Ackerbausysteme erhöhen sollen. „Haben wir doch immer so gemach.“ werden viele jetzt denken. Warum aber nehmen dann phytosanitäre Probleme zu und gehen Erträge vielerorts zurück?
1. Der Boden verändert sich – auch ohne unser Zutun
Die natürlichen strukturbildenden Prozesse wie tief reichende Durchfrostung des Bodens oder Bodenrisse durch Trockenheit („Sommerfrost“) bleiben immer häufiger über Jahre aus oder der Struktureffekt wird durch nachfolgende Starkniederschläge wieder zerstört. Damit fehlen wichtige Faktoren der Bodenbildung. Die Intensität der Durchwurzelung in der Krume sowie der Wurzelhaarbesatz haben sich im Laufe der Jahre verringert, es kommt oft zu Verdichtungen in der Krumenbasis. Starke Niederschläge erschweren zudem eine sachgemäße Bodenbearbeitung, mit der Folge, dass sich die Bodenstruktur verschlechtert.
2. Pflanzenschutz: Die Säule des Pflanzenbaues ist zusammengebrochen
Pflanzenschutz – oft probates Mittel, ackerbauliche Fehler und Einschränkungen zu korrigieren – ist nicht mehr „die Säule des Pflanzenbaues“! Wirkstoffresistenzen oder Minderwirkungen, kaum neue Wirkstoffe, restriktive Zulassungsbedingungen führten zu dieser Entwicklung.
3. Stickstoff – der Motor des Wachstums – stottert
Weder Stickstoff noch organischer Dünger haben den unbefriedigenden Ertragstrend korrigieren können! Auffällig ist, dass die N-Mineralisation aus der Bodenmatrix zunehmend später erfolgt und damit von Getreide und Raps kaum noch genutzt werden kann. Offensichtlich nimmt die Bodenfeuchte im Mai und Juni immer weiter ab. Dagegen fallen seit Jahren die hohe Nmin -Werte nach der Mähdruschernte auf. Diese deuten auf eine späte N-Mineralisation hin, die von den reifenden Beständen nicht mehr genutzt werden kann. Für diese Prozesse ist die Landwirtschaft nicht verantwortlich, muss aber dafür produktionstechnische Lösungen zu finden, denn N-Verluste sind nicht nur unökologisch, sondern auch unökonomisch!
4. Fruchtfolgen zu eng für einen nachhaltigen Ackerbau
„Offensichtlich gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung in der Landwirtschaft auf der einen Seite und der Gesellschaft auf der anderen Seite. Es liegt im Interesse der Landwirtschaft, in der Mitte der Gesellschaft zu stehen!" |
Sehr enge Fruchtfolgen führen seit Jahren zunehmend zu Problemen, die durch Stickstoff und Pflanzenschutz nicht wirklich zu lösen sind! Feldhygiene, angepasste Bodenbearbeitung, Saatzeit und Sorten können helfen, reichen aber meist noch nicht aus. Es sind ganz wesentlich die Pflanzenbauprobleme und deutlich weniger die verringerte Verfügbarkeit von wirksamen Pflanzenschutzmitteln die Ursache für den stagnierenden oder gar negativen Ertragstrend in der Praxis!
Dies in Kombination mit gestiegenen Kosten und meist unbefriedigenden Preisen führt auf vielen Ackerbaubetrieben zu einer pflanzenbaulichen und betriebswirtschaftlichen Strukturkrise. Die Lösung liegt in einer grundsätzlichen Umstrukturierung der Fruchtfolgen und damit auch der ackerbaulichen Maßnahmen insgesamt. Fruchtfolgeerweiterung, Gründüngung, Feldhygiene sind die Themen, um die es hier und in einem Nachfolgebeitrag in der kommenden Ausgabe der praxisnah gehen soll.
Enge Fruchtfolgen und ihre Auswirkungen
30 Jahre lang waren enge Fruchtfolgen mit den „Grandes Cultures“ wie Raps, Wintergetreide ggf. Zuckerrüben und Kartoffeln nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich hochattraktiv. Empfohlene maximale Anbaukonzentrationen (s. Tab. 1) wurden nicht nur ausgereizt, sondern oft überschritten. Wobei man kritisch die Frage stellen sollte, ob diese flächendeckend seit den 1990er Jahren gelehrten Werte jemals eine Berechtigung hatten. Der Aspekt Bodenruhe – unumgänglich für ein gesundes Bodenleben und eine stabile Bodenstruktur – ist in den intensiven Ackerbauregionen ohne Feldfutterbau ins Hintertreffen geraten.
Langjährige enge Fruchtfolgen führen fast immer zu Problemen – hier einige Beispiele: Bei Raps hat der langjährige Fruchtfolgeanteil von 25 bis 33 % zu erheblichem Rapsdurchwuchs in der gesamten Fruchtfolge und zu einer sehr kritischen phytosanitären Situation geführt. Derzeit ist offen, bei welchen Anbaupausen sich diese stabilisieren würde. Die erheblichen Erfolge in der Rapszüchtung sind nicht mehr in der Lage, den phytosanitären Verfall zu stoppen! Doch welche Blattfrucht könnte eine Alternative darstellen?
Bei Ackerbohnen gab es unliebsame Überraschungen mit Blattrand- und Ackerbohnenkäfern auch auf Standorten, wo selbst die letzten Jahrzehnte so gut wie keine Leguminosen angebaut worden sind. Anbaupausen von 5 bis 6 Jahren, also Fruchtfolgeanteile von 14 bis 17 % sollten eingehalten werden.
Die max. Anbaukonzentration von Wintergetreide von 67 % und mehr entwickelt sich auf vielen Standorten phytosanitär zunehmend kritisch. Auf Ackerfuchsschwanzstandorten führt sie wegen Resistenzbildung gegen praktisch alle Wirkstoffe zu immer mehr Problemen. Bei einem Winterkulturanteil (einschließlich Winterraps) von 100 % ist die Ungrassituation vielerorts schon nicht mehr beherrschbar. Auch bei Fungiziden ist bei hoher Anbaukonzentration die Lage kritischer als es die Praxis wahrhaben will: Wegfall Chlorthalonil, shifting Azole und Carboxamide. Auch die Insektizidsituation ist alles andere als entspannt: Bei der Virusvektorenbekämpfung im Herbst zeigt die Wirkstoffgruppe der Pyrethroide beginnende Resistenzbildung bei der Großen Getreideblattlaus. Insektizide werden in der Gesellschaft sehr kritisch betrachtet, sodass deren Einsatz zunehmend restriktiv reglementiert werden dürfte.
Auch in „selbstverträglichen“ Kulturen wie Winterroggen oder Mais kommt es über lange Sicht durch Selbstfolge oder hohen Anbaukonzentrationen u. a. zu einer nachteiligen Veränderung der Schaderregerpopulationen.
Fruchtfolgen erweitern – aber richtig!
Eine Erweiterung der Fruchtfolgen kann viele dieser hausgemachten Probleme lösen oder zumindest begrenzen. Aber „Nischenkulturen“ des konventionellen Ackerbaues wie Leguminosen, Zwischenfrüchte, Sommerweizen etc. hatten im Versuchswesen der letzten vier Jahrzehnte kaum Bedeutung und auch züchterisch traten sie oft in den Hintergrund – die Sorten- und Ertragsentwicklung hinkt also hinterher. Der Bezug zu diesen Kulturen ging verloren, ein Grund, warum viele Betriebsleiter sich nur zögerlich mit ihrem Anbau beschäftigen. Aus dem Vorfruchtwert der Kulturen – dem Effekt auf Nährstoffhaushalt, Bodenstruktur und Feldhygiene – leiten sich mögliche Fruchtwechsel ab. So ist ein wechselnder Anbau von Kulturen mit unterschiedlichen Nährstoffansprüchen wichtig, um ein „Ausmagern“ der Böden zu verhindern. Auf den mehrfachen Anbau von Humuszehrern wie Hackfrüchte, Silomais, Getreide mit Strohabfuhr muss verzichtet werden.
„Die Ertragsstabilität – auch die des relativ stabilen Winterweizens – wird aufgrund der zunehmend schwierigeren Klimaentwicklung abnehmen! Unter dem Aspekt macht es keinen Sinn, ständig wechselnde Anbauentscheidungen zu fällen, weil man den Dingen dann ständig hinterherläuft. Wenn aus Witterungsgründen eine vorgesehene Kultur nicht bestellt werden kann, sollte ein Fruchtwechsel möglichst eingehalten werden." |
Am Beispiel der Problemstellung „Resistenzbildung Ackerfuchsschwanzstandort“ soll nachfolgend anhand unterschiedlicher angepasster Fruchtfolgen deren Wirtschaftlichkeit dargestellt werden (Tab. 2). Die Kernaussage dieser Berechnung lautet: Es bestehen keine wesentlichen und absicherbaren ökonomischen Differenzen zwischen den Fruchtfolgen! Die für Norddeutschland klassische Dreier-Fruchtfolge mit Atlantis®-Anwendung bei Weizen ist nicht rentabler als die weiter aufgestellten Fruchtfolgen mit Sommerkulturarten. Auch bei einem nachhaltig höheren Erzeugerpreisniveau ändern sich die Relationen nicht grundsätzlich. Enge Fruchtfolgen auf besseren Standorten sind nur dann rentabler, wenn keinerlei agronomische Probleme vorhanden sind. Das entspricht kaum noch der Realität!
Fazit
Die Ökonomie von Fruchtfolgen hat sich geändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen in Hochertragsregionen enge Fruchtfolgen wie Raps-Weizen-Gerste die wirtschaftlichsten Varianten darstellten. Unter den heutigen Produktionsbedingungen ist eine Erweiterung der Fruchtfolge auf 4–5 Fruchtfolgeglieder mindestens genauso ökonomisch. Darüber hinaus hat sie diverse Vorteile unter anderem hinsichtlich der Pflanzengesundheit, Unkrautkontrolle und Bodenqualität.
In einer weiteren Folge dieses Beitrages in der Ausgabe 1/2019 der praxisnah werden die Themen Gründüngung und Ackerhygiene monetär und ackerbaulich bewertet.