Die Verbraucherkampagne „Die Alleskörner“ schätzt, dass bei uns die geschälte Hafermenge allein zwischen 2008 und 2015 um 45 % gestiegen ist und sich seit der Jahrtausendwende sogar verdoppelt hat! Ein erheblicher Teil der benötigten Menge kommt jedoch aus dem Ausland, weil die dort erzeugten Qualitäten besser sind. Um das Marktpotenzial nun auch wieder verstärkt mit heimischem Hafer erschließen zu können, ist neben der Auswahl einer qualitativ hochwertigen Hafersorte auch eine gezielte Anbaustrategie notwendig. Diese spielt aber in der Praxis des hiesigen Haferanbaus bisher eine eher untergeordnete Rolle. Unter anderem, weil es an entsprechenden Informationen aus Versuchen und an Praxiserfahrungen fehlt.
Das genetische Potenzial ist vorhanden ...
Die Pflanzenzüchtung hat in Deutschland die Schälqualität von Hafer sehr positiv weiterentwickelt (s. Abb. 1). Der Spelzengehalt sank im Durchschnitt der in den letzten 32 Jahren amtlich bundesweit geprüften Hafersorten von 31 % auf 26 %. Stark verbessert wurden seit 1993 auch die Sortierung >2,0 mm (pro Jahr etwa 0,29 % absolut) und der Anteil ungeschälter Körner (pro Jahr etwa -0,23 % absolut). Nicht zuletzt steigt auch das erst seit 2005 gemessene Hektolitergewicht um etwa 0,24 kg pro Jahr an. Dabei erscheint das in der Sortierung >2,0 mm züchterisch erreichte Niveau kaum noch steigerungsfähig. Die starken Schwankungen können auf die Umwelteffekte zurückgeführt werden: Beispielsweise führte 2010 eine lang anhaltende starke Trockenheit zur Kornfüllungsphase zu einer im Vergleich sehr schwachen Haferschälqualität. Umso wichtiger ist es daher, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um das in einer Hafersorte vorhandene Potenzial einer hohen bis höchsten Kornqualität auch tatsächlich auszuschöpfen.
... und kann mit einer gezielten Anbaustrategie besser genutzt werden!
Wirkt sich eine Erhöhung der Anbauintensität positiv auf die Kornqualität aus? Im Ausland hat man hierzu vielversprechende Erfahrungen gemacht. In Schweden wurde in den amtlichen Hafersortenversuchen der letzten fünf Jahre bei der Sorte Symphony durch den Einsatz von Fungiziden eine durchschnittliche Erhöhung des Hektolitergewichtes um 0,5 kg und der Tausendkornmasse um 0,7 g gemessen. Allerdings verzögerte sich dabei der Reifetermin der Sorte um etwa 2 Tage. Symphony ist die zurzeit zweitgrößte europäische Hafersorte, die besonders in den Ländern des Ostseeraumes verbreitet angebaut wird. Auch aus dem baltischen Raum berichten Haferanbauer, dass sich im regenreichen 2017 bei hohem Krankheitsdruck frühe Fungizidmaßnahmen vor der Blüte positiv auf das Hektolitergewicht ausgewirkt hätten.
Ergebnisse auch aus Deutschland
Um die Frage nach dem Einfluss der Anbauintensität auf die Qualität unter deutschen Bedingungen zu überprüfen, bietet sich die langjährig geprüfte und bekannte Qualitätssorte Ivory an. Hier lassen sich gut die Wertprüfungen des Bundessortenamtes auswerten, da es dort seit 2007 eine zweite Behandlungsstufe mit ortsüblichem Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden gibt. Für die Sorte Ivory können die Qualitätsdaten von insgesamt 157 Wertprüfungsversuchen einbezogen werden, die zwischen 2001 und 2014 in Deutschland angelegt wurden (s. Tab 1).
Tatsächlich verbesserte der Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern den Spelzengehalt (-0,8 % absolut) und das Hektolitergewicht (+1,3 kg). Keine Auswirkungen hatte er jedoch auf die Sortierung oder die Schälbarkeit der Sorte.
Eine Erhöhung der Anbauintensität ist bei modernen Hafersorten aber oft nur mit vergleichsweise geringen Steigerungen des Kornertrages verbunden (s. praxisnah 1/2015). Je gesünder und standfester eine Sorte ist, desto weniger reagiert sie auf eine Erhöhung der Anbauintensität.
Eine Abwägung der ökonomischen Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme ist daher im Einzelfall notwendig und sollte immer auch die aktuelle Anbausituation und die Hafersorte mit einbeziehen. Gerade starkes Lager oder ein früher und heftiger Krankheitsbefall müssen im Qualitätshaferanbau unbedingt vermieden werden, da sie regelmäßig zu Einbußen bei Ertrag und Qualität führen.
Aufgrund des weltweit gestiegenen Interesses an der Erzeugung und Verarbeitung von Qualitätshafer wurden besonders in jüngerer Zeit im Ausland immer wieder Leitlinien und Produktionshinweise für den Haferanbau veröffentlicht. Für finnischen Qualitätshafer z. B. spielen die vom Finnischen Getreidekomitee herausgegebenen Anbaurichtlinien eine große Rolle. Über 40 Firmen, Organisationen und staatliche Institutionen aus dem vor- und nachgelagerten Bereich der Haferproduktion haben sich dazu zusammengeschlossen. Vergleichbares ist aus den USA zu berichten, wo der Verarbeiter General Mills eigene Leitlinien veröffentlicht hat.
Einfluss der Saatstärke hängt von Sortentyp ab
Die Anbaurichtlinien von General Mills verweisen explizit auf die Rolle der Aussaatstärke. Wir haben in eigenen Feldversuchen an zwei Standorten in Norddeutschland den Einfluss der Saatstärke auf die Haferqualität der Sorten Scorpion (2005–2014) und Symphony (2009–2016) ermittelt (Tab. 2). Die Aussaatstärken von 350 Kö./m² und 450 Kö./m² ließen deutliche Unterschiede erwarten. Bei den beiden Sorten handelt es sich um sehr großkörnige Qualitätshafersorten, die ihren Kornertrag vorrangig über hohe bis sehr hohe Tausendkornmassen bei mittlerer (Scorpion) bis leicht unterdurchschnittlicher (Symphony) Bestandesdichte realisieren.
Bei diesen Versuchen wiesen die Varianten mit größerer Aussaatstärke bei beiden Sorten ein höheres Hektolitergewicht und eine geringere Tausendkornmasse auf. Letztere ist jedoch durch die parallel gestiegene Bestandesdichte als pflanzenbauliche Kompensation leicht erklärbar. Bei diesen Sortentypen – sehr großkörnig und darüber hinaus überdurchschnittlich standfest – ist die Erhöhung der Aussaatstärke eine mögliche Maßnahme, um die marktrelevanten Qualitätsmerkmale einer Haferpartie gezielt zu verbessern. Für standschwache, kleinkörnigere Hafersorten wie Max scheint die Erhöhung der Aussaatstärke als Maßnahme zur Qualitätsverbesserung jedoch wenig geeignet, da das Risiko eines möglichen Absinkens der Qualität durch Lager und zu schlechte Sortierung bei diesem Sortentyp deutlich erhöht ist.
Auch der Saattermin spielt eine Rolle
Man liest in Anbauempfehlungen immer wieder, dass eine möglichst frühe Aussaat zur optimalen Ausnutzung der Wachstumsbedingungen wichtig sei. Dass dies nicht generell so sein muss, legt ein interessanter ostschwedischer Versuch aus dem zurückliegenden Anbaujahr 2017 nahe (Tab. 3). Dort unterbrach ein Wintereinbruch im April die Aussaat mehrerer Haferversuche, die dadurch erst etwa drei Wochen später beendet werden konnte. Anschließend gab es nahezu optimale Wachstumsbedingungen, die zur Kornfüllungsphase ab Ende Juni von einer länger andauernden Trockenphase abgelöst wurden. Ab Ende Juli gab es dann wieder Niederschläge, von denen ertraglich vor allem die später ausgesäten Varianten profitierten: Deren Ertragsleistung lag ca. 10 dt/ha über denen des normalen Aussaattermins Mitte April.
Die Parzellen der Normalsaat haben jedoch trotzdem ein höheres Niveau in der Kornqualität erreicht als die später ausgesäten Versuche. Nur die Korngröße fiel im Vergleich etwas ab, was auch den niedrigeren Ertrag unter Normalsaatbedingungen mit erklärt. Das Ertrags- und Qualitätsniveau dieses Versuchsortes ist regelmäßig sehr hoch, denn das kühlfeuchte skandinavische Klima, die schweren Böden und der professionelle Umgang mit der Kultur Hafer sind ideale Produktionsvoraussetzungen.
Fazit
Bei gezielter Ausnutzung der Standortbedingungen, richtiger Sortenwahl und einer erfahrenen, standortangepassten Bestandesführung liegt im deutschen Haferanbau hinsichtlich Ertrag und Qualität noch viel Potenzial. Weitere sortenspezifisch angelegte Feldversuchsserien zur Anbaustrategie und zur Qualitätssicherung können helfen, offene Fragen im Qualitätshaferanbau zu beantworten. So kann in Zukunft ein größerer Teil des wachsenden einheimischen Qualitätshaferbedarfes gedeckt werden.
Dr. Steffen Beuch