Nordwestdeutschland
Das Vegetationsjahr 2016/2017 war im Norden durch sehr wechselnde Witterungsbedingungen geprägt. Die Aussaat erfolgte bei extremer Trockenheit, in der Vegetation folgten Zeiten mit sehr hohen Niederschlägen – ein schwieriges Jahr für die Landwirtschaft.
Wintergetreide und Sommerungen
Zur Getreideaussaat war es im nordwestlichen Niedersachsen so trocken, dass eine exakte Tiefenablage auf der Geest und der Marsch kaum möglich war. Ungleichmäßige Feldaufgänge und eine verzögerte Jugendentwicklung der Getreidebestände waren die Folge. Die Monate Januar bis März 2017 waren mit ca. 200 mm Regen niederschlagsreicher als in den letzten Jahren. Zwar konnten die ersten Düngungsmaßnahmen termingerecht durchgeführt werden, die niedrigen Temperaturen führten aber zu einem verhaltenen Wachstum. Insbesondere die organisch gedüngten Wintergetreidebestände entwickelten sich nur zögerlich und bestockten wenig.
Oft schlechte Herbizidwirkung
Die Herbizidbehandlungen konnten im März und April zeitgerecht erfolgen, wobei die Wirkungsgrade in Herbst und Frühjahr auf der Geest sehr gut, in der Marsch jedoch häufig nicht zufriedenstellend waren. Gegen Ackerfuchsschwanz betrugen die Wirkungsgrade oft nur 50–60 %!
Der erste Wachstumsreglereinsatz zum Ende der Bestockung war äußerst effektiv: Die früh behandelten Bestände zeichneten sich durch eine sehr gute Standfestigkeit bis zur meist sehr späten Ernte aus. Der zweite Wachstumsreglereinsatz erfolgte Anfang bis Mitte Mai in der Kombination mit Fungiziden. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt nur wenige Infektionen auftraten, erwies sich die Fungizidbehandlung als sinnvoll und rentabel.
Ertragseinbußen durch Trockenheit
Die Bestände entwickelten sich im Mai je nach Niederschlagsmenge sehr unterschiedlich. Blieben die Niederschläge aus, kam es bereits im Mai zu Trockenschäden. Gut entwickelten sich die Sommerungen, deren Aussaat schon problemlos verlief, vor allem der Mais. Von den lang erwarteten Niederschlägen ab Juni profitierten besonders die Frühjahrskulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben. Für die Wintergetreideflächen kamen die Niederschläge dagegen häufig zu spät, außerdem fehlten die Sonnenstunden für eine gute Abreife.
Aufgrund der Niederschläge im Juli erfolgte die Wintergerstenernte in Etappen. Da es auch im August regnete, wurde die Befahrbarkeit teilweise zum Problem. Stellenweise litt die Qualität wie das HL-Gewicht und die Keimfähigkeit der Vermehrungsbestände, wohingegen das Ertragsniveau meist noch zufriedenstellend ausfiel. Die stärksten Ertragseinbußen sind auf den leichten Standorten durch die Trockenheit im Mai entstanden.
Winterraps
Nach Frostnächten um den 20. April kam es bei Winterraps zum Schotenabwurf. Niedrige Tagestemperaturen von nur 10 °C hatten einen geringen Bienenflug zur Folge, was sich negativ auf die Bestäubung auswirkte. Auch wenn nur wenig Phoma auftrat, war ein Wachstumsregler-, Fungizideinsatz wegen der besseren Standfestigkeit sehr sinnvoll. Die Blütenbehandlung im Winterraps war auch 2017 wieder sehr wichtig. Insbesondere auf Flächen mit enger Rapsfruchtfolge trat verstärkt Sclerotinia auf. Die Rentabilität der Blütenbehandlung war aber auch bei weiterer Rapsfruchtfolge durch die bessere Schotenfestigkeit gegeben.
Hessen
In Hessen ist die Beerntung von Raps und Getreide von Süden nach Norden immer kritischer geworden. Während viele Betriebe rund um Frankfurt und südlich davon um den Monatswechsel Juli/August ihre Ernte größtenteils mit mittleren Erträgen, meist noch guten Fallzahlen bei hohen Proteinwerten abschließen konnten, hatten die Mitte und der Norden von Hessen immer wieder mit Unterbrechungen zu kämpfen. Die letzten Partien konnten erst in den späten Augusttagen und dann mit schlechten Qualitäten geerntet werden.
Die Gewinnerin heißt Wintergerste – Raps enttäuschte
Von allen Hauptkulturen schnitt die Wintergerste landesweit gesehen am besten ab: Hier wurden in der Regel hohe Erträge und gute Hektolitergewichte erzielt. Stellenweise waren die Erträge unter allen Getreidearten sogar führend. Anders hingegen beim Winterroggen: Hier mussten sich die Landwirte mit meist nur mittleren Erträgen bei allerdings oftmals unproblematischen Qualitäten zufriedengeben. Der Raps enttäuschte auf ganzer Linie mit unterdurchschnittlichen Erträgen und auch die Ölgehalte erreichten selten Werte über 43 %. Kritisch auch, dass es bereits Ende Juli erste Auswuchsmeldungen gab – selbst stehende Bestände waren betroffen.
Beim Winterweizen gab es eine enorme Bandbreite von Ertrags- und Qualitätsmeldungen, sehr oft wurden nur knappe bis deutlich unterdurchschnittliche Hektolitergewichte und ab Mitte der Ernte nur noch niedrige Fallzahlen ermittelt. Dabei kann man „hessenweit“ keine Sorte erkennen, die flächendeckend sehr gut oder schlecht abgeschnitten hätte – weder bei Ertrag noch bei Qualität. Vielmehr lagen die wahren Gründe für unterdurchschnittliche Leistungen nicht in der Sorte, sondern in Standort und Witterung, die regional doch sehr unterschiedlich ausfiel. Auch die lange Trockenheit im Frühjahr und die enorme Hitze im Juni taten ihr Übriges. Man sollte also nicht einzelne Sorten verteufeln, nur weil sie in diesem Jahr enttäuschten. Auch für die Saatgutproduktion sind solche Jahre eine Herausforderung, wenngleich die Vermehrer in Hessen mit logistischem Geschick die meisten Flächen rechtzeitig räumen konnten und bis auf wenige Ausnahmen die Saatgutanerkennungen positiv ausfielen. Allerdings konnte oft erst mit vernünftigem Beizschutz das ZS-Attest ausgestellt werden.
Bayern
Nach der Aussaat von Raps und Wintergetreide im warmen und trockenen September folgte eine Kaltphase teilweise mit Frost im Oktober. Ein starker Wechsel von Kälte- und Wärmephasen zog sich durch den Winter und das Frühjahr mit Spätfrost im April. Es folgte eine ausgeprägte Vorsommertrockenheit mit hohen Temperaturen, die je nach Bodengüte und Sortenreaktion sehr stark Ertrag und Qualität beeinflusste. Die Wintergerste kam mit diesen Bedingungen überregional am besten zurecht und brachte nicht selten Erträge über 100 dt/ha. Vor allem die Kornausbildung war überzeugend, es gab Sorten, die über 70 kg Hektolitergewicht erreichten (z. B. SU Ruzena, SU Vireni). Winterraps erreichte nur auf den besseren Standorten gute Erträge. Robuste Rapssorten mit starken Wurzelsystemen überzeugten auch auf flachgründigen Böden (z. B. Penn). Die sehr zügige Abreife verhinderte oft Spitzenwerte beim Ölgehalt. Die Sommerungen, besonders Sommergerste, hatten aufgrund der Vorsommertrockenheit vor allem auf leichten Standorten große Probleme. Schlechte Sortierung, wenig Ertrag und viel Eiweiß waren das Ergebnis. Auch der Winterweizen blieb unter seinen Möglichkeiten. Die trockene und heiße Witterung in der Kornfüllungsphase im Juni senkte zwar den Krankheitsdruck, hatte aber andererseits auch eine schwache Kornausbildung zur Folge.
Witterungsbedingt gab es bei Weizen drei Erntephasen: Die erste Phase im Juli war weitgehend unproblematisch. Nach den ersten Niederschlägen Anfang August waren in der zweiten Erntephase aber bereits Reaktionen bei der Fallzahl erkennbar. Nach weiteren Niederschlägen im August gingen in der dritten Phase die Fallzahlen weiter in den Keller, auch das HL-Gewicht wurde schwächer. Dabei zeigten sich große Sortenunterschiede, einige Sorten wie Faustus oder Chiron zeigten sich trotz früherer Reife fallzahlstabil.
Herausforderungen im Pflanzenbau
2017 war kein Ausnahmejahr: Extremere Witterungsereignisse wie Trockenphasen, Hitzeperioden, Starkregen etc., eingeschränkte Zulassungen bei Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und politische Einflüsse werden den Pflanzenbau immer wieder und häufiger fordern. Dem können wir
begegnen, indem wir weitere Fruchtfolgen kombinieren mit gesunden, in ihrer Gesamteigenschaft stabilen Sorten. Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Pflanzenbau ist und bleibt jedoch die gute Bodenfruchtbarkeit. Der Stickstoff muss im Kreislauf gehalten bzw. bei Betrieben ohne organische Düngung über Leguminosen in den Kreislauf gebracht werden. Der Erfolg liegt nicht in der Einzelkultur, sondern in der gesamten Fruchtfolge.
Baden-Württemberg
Obwohl in Baden-Württemberg die Ernte in den einzelnen Lagen sehr unterschiedlich ausgefallen ist, kann man sagen: Die Landwirte im Südwesten sind bei der Getreideernte noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Die Wintergerstenerträge lagen in den früheren Regionen oft über denen des Winterweizens. Geringer Krankheitsdruck einerseits, viel Lager andererseits kennzeichneten die Bestände. Standfeste Sorten (z. B. SU Vireni und SU Ellen) wurden dadurch bei der aktuellen Herbstaussaat stärker nachgefragt. Erste Hitzetage im Mai und weitere Hitzeperioden im Juni führten zum „Kippen“ der Weizenbestände in den frühen Gebieten. Eine beschleunigte Abreife in Verbindung mit Wassermangel und sogar Notreife waren die Folge. Erste Bestände wurden bereits im Juni mit enttäuschenden Erträgen und miserabler Kornausbildung geerntet.
Die klimatischen Veränderungen begünstigen frühreife Weizensorten, die in den Frühdruschregionen immer stärker in den Anbau kommen. Die Auswertung der frühreifen LSV-Sortimente auf den Standorten, an denen neben dem „normalen“ Sortiment auch ein frühreifes Sortiment getestet wird, zeigt, dass mit den frühreifen Sorten höhere Erträge erzielt werden (Tab. 1). Selbst in Spätdruschregionen können einige frühe Sorten schon mit überdurchschnittlichen Erträgen aufwarten (z. B. Porthus, Faustus). Der Trend zu höheren Erträgen in den Spätdruschgebieten im Jahr 2017 ist auch an den LSV-Standorten erkennbar (Tab. 1). Hier hat die Hitze weniger stark den Ertrag beeinträchtigt. Allerdings haben hier vielfach die Fallzahlen gelitten, was auch die Vermarktung von Dinkel erschwert.
Entgegen der globalen Witterungsentwicklung wird es auch immer wieder kühle und feuchte Jahre geben. Die beste Risikovorsorge bietet daher eine breit aufgestellte Fruchtfolge. Diese verursacht einen geringeren Krankheitsdruck und hilft auch bei der Bekämpfung von resistentem Ackerfuchsschwanz. Innerhalb der Fruchtart Winterweizen sollten immer mehrere Sorten mit unterschiedlichem Reifeverhalten zum Anbau kommen. Die Genetik des deutschen Weizensortimentes lässt aktuell durchaus eine Spreizung in der Druschreife von 10 bis 12 Tagen zu (Abb. 1). Auch die Fallzahlstabilität der Sorten sollte ein Auswahlkriterium sein. Denn auch 2017 haben solche Sorten die durch Regen verzögerte Ernte qualitativ besser überstanden (z.B. Winterweizen Chiron oder Dinkel Zollernspelz).
Ostdeutschland
Das Ausnahmejahr 2017 zeigt sich besonders deutlich bei Winterweizen: Sorten, die über Jahre eine
hervorragende Ertragsleistung gezeigt haben, brachen ertraglich ein, obwohl sie während der Vegetation oft hervorragend aussahen und hohe Erträge erwarten ließen. Andere hingegen wuchsen völlig überraschend über sich hinaus.
Was war passiert?
In den letzten Jahren waren auch intensiv zu führende Hochertragssorten pflanzenbaulich gut zu beherrschen. Der Krankheitsdruck mit Fußkrankheiten war durchschnittlich und ließ sich gut kontrollieren. Auch eine Vielzahl von Fungiziden half mit der oft nicht ausgelobten aber dennoch vorhandenen „Nebenwirkung“ gegen Fußkrankheiten.
In diesem Jahr war die Gesundheit der „Füße“ durch das regenreiche, wechselhafte Wetter deutlich stärker strapaziert (s. Bild). Mischinfektionen mit verschiedenen Erregern bauten einen permanenten Krankheitsdruck in den Beständen auf. Dies führte besonders bei später abreifenden Sorten zu Kleinkörnigkeit und Ertragsschwankungen. Frühsaaten waren davon mehr betroffen als die Spätsaaten und mittleren Aussaattermine. In den amtlichen und züchtereigenen Prüfungen dominierten entsprechend früher abreifende Sorten und bekannte Allrounder mit guter Fußgesundheit wie zum Beispiel Genius im E-Segment und Nordkap und Chiron als neue frühe Sorten bei den A-Qualitäten.
Was kann man besser machen?
Am Wetter kann man nichts ändern, wohl aber am Anbauplan. Mit einer Risikostreuung durch Sorten- und Fruchtartendiversifizierung lassen sich Einbrüche, wie wir sie jetzt erlebt haben, abschwächen. In den letzten Jahren dominierten die ertragsstärksten Sorten die Weizenflächen. Vielerorts wurde in den Betrieben auf 100 ha und mehr auf eine Sorte gesetzt, nicht immer die gesündesten. Mit ausgiebigem Pflanzenschutz und Düngung sowie frühen Aussaatterminen konnte man diese Hochertragssorten – oft aus dem B-Bereich – wirtschaftlich sehr gut ausreizen. Heute sind viele Resistenzdurchbrüche bei unseren gängigen Pflanzenschutzmitteln im Alltag angekommen. Diese fatale Situation finden wir nicht nur im Winterraps, sondern auch verstärkt im Getreidebau. Es betrifft nicht nur die Insektizide, auch bei Herbiziden und Fungiziden muss das Resistenzmanagement gängige Praxis sein. Hier kann man sagen: Gesunde Sorten lassen unsere Fungizide besser wirken und länger leben. Nicht zuletzt die Auflagen zur Düngeverordnung führen zu einer fruchtbaren Diskussion bei den Weizenqualitäten. Zum einen setzen einige Betriebe wieder verstärkt auf E-Sorten, auch wenn diese ertraglich abfallen. Besondere Beachtung erfahren in den nächsten Jahren proteinstärkere A-Weizen, die wesentlich sicher ihr Vermarktungsziel erreichen als die gegenwärtig dominierende A-Sorte. Zum anderen gibt es in vielen Betrieben Überlegungen, das Winterraps- und Winterweizen-Sortenportfolio nach dem Abreifeverhalten neu zu ordnen. Die genetische Vielfalt gibt es her, hier eine straffere Sortenstaffelung durchzusetzen. Dabei ist die differenzierte N-Effizienz von Winterraps und Weizensorten besser zu nutzen.
In MV wird auch in den kommenden Jahren „12,5-Winterweizen“ ein Exportschlager bleiben. Dies kann ein Backweizen für die Mühle oder ein Masseweizen für das Mischfutter sein. Beide Qualitäten gehören jedoch nicht in ein Schiff. Für eine gerechte Preisfindung müssen diese mehr denn je getrennt in die Logistik eingebunden werden. Unseren guten Ruf als stabilen Weizenexporteur mit großen und einheitlichen Partien und guten Qualitäten sollten wir auf dem Weltmarkt verteidigen.
Auch wird es notwendig werden, in vielen Betrieben das Fruchtartenspektrum zu erweitern. Von den Züchterhäusern begleitete Aktivitäten zum Vertragsanbau von Frühjahrskulturen zeigen erste positive Ergebnisse. Bei den Frühjahrskulturen wie Erbse und Hafer ist es dringend erforderlich, das Risiko von stärkeren Ertrags- und Qualitätsschwankungen mit dem Handel oder der Industrie über einen Vertragsanbau zu festen Preisen und Qualitäten abzusichern. Die Sorte spielt für die verarbeitende Industrie eine zentrale Rolle: Beim Hafer sind Ivory und Harmony bei den Hafermühlen bekannte und anerkannte, gelistete Weißhafersorten, bei den Erbsen ist Astronaute wegen der höheren Proteinausbeuten besonders stark nachgefragt.