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2016: Warum enttäuschten die Erträge?

Zur Ernte 2016 erreichten die Winterkulturen meist nicht die ortsüblich möglichen Erträge. Was ist anders, was ist vielleicht auch produktionstechnisch falsch gelaufen? Dr. Ute Kropf, Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel, erläutert die komplexen Ursachen.

In Mecklenburg-Vorpommern erfroren Winterraps und Winterweizen oder winterten parasitär z. B. infolge Typhula aus. Überlebende Bestände lagen in weiten Teilen Deutschlands nur bei 70 bis 80 % des kalkulierten Ertrages. In den Marschen Schleswig-Holsteins wurden teilweise nur knapp über 20 dt/ha Raps gedroschen. Wintergerste lag auf Standorten, die 90–100 dt/ha dreschen können, nur bei 70–80 dt/ha. Auch der Winterweizen blieb rund 20 dt/ha unter den Erwartungen.


Bildquelle: Ute Kropf
Bildquelle: Ute Kropf
Hoher Krankheitsdruck ist nur Teilursache

In den wenigsten Fällen sind die Ursachen hierfür offensichtlich. Eine Teilursache ist im Raps die Kohlhernie und der Befall mit Kohlfliege. Diese senkten wegen der fehlenden insektiziden Beizung die Erträge. Der hohe Befallsdruck mit Sklerotinia konnte mit Fungiziden nur teilweise in Schach gehalten werden, die örtlich erst sehr spät einsetzenden Infektionen waren durch die Behandlung in der Vollblüte nicht abzudecken. Auf vielen Standorten wurde Ertrag durch Verticillium aufgezehrt. Spät einfliegende Kohlschotenmücken sorgten auf vielen Rapsschlägen für unerwartet hohen Befall, den man durch Insektizide zur Vollblüte aber auch nicht hätte verhindern können. Allerdings gab es viele weitgehend gesunde Bestände, die trotzdem ertraglich einbrachen. Auch in Wintergerste und im Weizen traten keine Epidemien auf, die zur Erklärung der Verluste hätten beitragen können.

 


Mäßige Kornausbildung trotz geringer Korndichte

Krankheiten und Schädlingsbefall erklären in keiner Kulturart ausreichend, was man fast bundesweit beobachten konnte: Dass bei Getreide die Anzahl geernteter Körner (Korndichte) stark zurückging und die Kornausbildung (TKM) trotzdem nur im Normbereich lag. Raps erreichte so nur 70.000 Körner je Quadratmeter anstatt der üblichen 100.0 00 und kam kaum über 5 g TKM hinaus. Das ist ungewöhnlich, denn bei geringer Korndichte steigt normalerweise die Tausendkornmasse (TKM) an, weil bei einer intakten Pflanze die Assimilate auf weniger Körner verteilt werden. Die meisten Bestände starteten Mitte März nach der langen Herbstentwicklung gut entwickelt mit ausreichender Bestandesdichte. Dann aber konnte an vielen Standorten bei Raps beobachtet werden, dass sich die Pflanzen danach eher „zurückentwickelten“. Das Wachstum kam kaum in Gang, Seitentriebe wurden reduziert und die Blätter wechselten trotz Schwefelgabe auf Hellgrün. Auch gute Wintergersten dünnten im Laufe des Schossens aus und erreichten nicht die nötige Kornzahl je Ähre. Im Winterweizen war schon Anfang Mai zu sehen, dass die Anzahl der Ährchen/Ähre für gute Erträge nicht ausreicht.


Bereits Anfang Mai war im Winterweizen die schlechte Ährenentwicklung erkennbar. Bild: Kropf
Bereits Anfang Mai war im Winterweizen die schlechte Ährenentwicklung erkennbar. Bild: Kropf
Wurzel hinkte Sprossentwicklung hinterher

Die Verluste von Seitentrieben, Blütenanlagen und die begrenzte Kornbildung sind kulturübergreifend eine Reaktion auf eine monatelange Abfolge von Witterungsumständen. Der lange, milde Herbst ließ zumindest optisch eine gute Bestandesentwicklung zu. Die Wurzelentwicklung hingegen war durch die extreme Nässe behindert. Durch das lange Wachstum bis kurz nach Weihnachten bekamen Raps und die zuerst gedrillten Wintergetreidebestände ausreichend Tageslängenreiz, um bereits im  Dezember in Streckungsstimmung zu kommen. Als Mitte März die Lufttemperatur über plus 5 °C stieg und die Pflanzen mit zunehmender Tageslänge die Streckung fortsetzen wollten, war es im Boden bei plus 2 °C für die Wurzeln zu kalt, um an die notwendigen Nährstoffe zu kommen.

Erschwerend kam hinzu, dass aufgrund der nassen Böden eine Stickstoffdüngung meist nicht vor Mitte Februar möglich war.


Nitratstickstoff war in diesem Jahr schneller verfügbar (hintere Parzelle): und verbesserte auch die Schwefelausnutzung. Mehr Ähren und mehr Körner pro Ährchen summierten sich im Vergleich zu Harnstoff (vorne) auf bis zu 10 dt/ha Mehrertrag. (Bildquelle: Dr. Ute Kropf)
Nitratstickstoff war in diesem Jahr schneller verfügbar (hintere Parzelle): und verbesserte auch die Schwefelausnutzung. Mehr Ähren und mehr Körner pro Ährchen summierten sich im Vergleich zu Harnstoff (vorne) auf bis zu 10 dt/ha Mehrertrag. (Bildquelle: Dr. Ute Kropf)
Nährstoffauswaschung traf vor allem die frühen Kulturen

Mit dem Schossen Mitte März begannen auch die Reduktionsprozesse von Seitentrieben bei den frühen Kulturen Raps und Gerste. Auf eine geringe Konzentration verfügbarer Nährstoffe im Wurzelraum reagiert die Pflanze sofort mit einer stärkeren Reduktion. Da nach über 400 mm Regen von Oktober bis Februar auf vielen Standorten kaum mehr Stickstoff und Schwefel im Bodenwasser vorhanden waren und auch die Düngewirkung auf sich warten ließ, versorgten sich die guten Triebe durch eine Umverlagerung von Nährstoffen aus den jüngeren Trieben. Diese „Notmaßnahme“ sichert der Pflanze zwar ein Überleben vitaler Triebe, beschränkt dadurch aber ihre Leistung (Kornzahl/Ähre) und dünnt den Bestand aus (Korndichte). Als die Nährstoffe im April endlich verfügbar waren, kamen sie für Raps und Gerste zu spät. Dort, wo Wurzelentwicklung und Bodenstruktur etwas günstiger waren, konnte sich das Hektolitergewicht noch etwas verbessern, aber die viel zu geringe Korndichte ließ sich nicht mehr kompensieren.

Der Winterweizen war aufgrund der etwas späteren Aussaat nicht ganz so früh in der Streckung wie Raps und Gerste und reduzierte kaum Seitentriebe. Doch die Ährenentwicklung litt unter der schlechten Nährstoffversorgung im März/April. Die Ähren bildeten weniger Ährchen pro Ähre und mehr als 3 Körner pro Ährchen waren nur selten zu sehen. Die durch Nässe geschädigten Wurzeln begrenzten zusätzlich die Kornausbildung, sodass auch die Tausendkornmasse unterdurchschnittlich blieb. Bei der Wintergerste war die Auswirkung der schlechten Wurzelbildung besonders gut zu sehen. Sie reifte meist von der Granne über die Ähre nach unten ab. Während Stängel und Blätter noch grün waren, hatten die Ähren Ende Juni schon „dichtgemacht“.


Welche Maßnahmen konnten Ertragsrückgang abfangen?

Wasserhaushalt und Nährstoffverfügbarkeit hatten dieses Jahr einen wichtigen Einfluss auf die Ertragsleistung. Intakte Drainage, gute Bodenstruktur und optimaler pH-Wert stabilisierten den Ertrag auf einem höheren Niveau, leichtere Böden waren durch die zügigere Abtrocknung und schnellere Erwärmung oft im Vorteil. Optimale Vorfrüchte sorgten für eine bessere Bestandesentwicklung und höhere Erträge: Weizen brachte im Vergleich zur Vorfrucht Weizen nach Raps 10 % mehr Ertrag und nach Ackerbohnen noch mal 10 % mehr als nach Raps. Im Weizen war der Ertrag nach verspäteter Aussaat in besser abgetrocknete Böden oft besser als nach Frühsaat. Auch die zeitgerechte Nährstoffverfügbarkeit war ein Thema: So reagierte Wintergerste in eigenen Versuchen mit 10 dt/ha Mehrertrag nach einer Düngung mit KAS anstatt Harnstoff, wenn gleichzeitig auch Schwefel ausgebracht wurde. Auf sorptionsschwachen, leichteren Böden zahlte sich eine Grunddüngung zu Vegetationsbeginn aus, um die verlagerten Nährstoffe zu ersetzen.


Fazit

Dies waren 2016 die wichtigsten ertragsbegrenzenden Faktoren:

  1. Früher Nährstoffbedarf bei gleichzeitig verzögerter Wirkung von Stickstoff und Schwefel (niedrige Bodentemperaturen)
  2. Schadorganismen und Krankheiten
  3. Schlechte Bodenstruktur in Kombination mit anhaltender Nässe (Süddeutschland) bzw. Trockenheit (Norddeutschland)
  4. Stress bis zur Kornfüllung durch schlechte Wurzelausbildung nach nassem Winter
  5. Eine späte Befahrbarkeit ließ oft keine ausgleichende Düngungsmaßnahme zu.

Das Erntejahr 2016 war das zweite Jahr in Folge mit langem Herbst und frühem Vegetationsbeginn bei vergleichsweise kalten Böden und schlechter Wurzelentwicklung. 2015 hätten Ertragsausfälle durch Gelbverzwergungsvirus (BYDV), parasitäre Auswinterung durch Typhula und massives Auftreten von Blattkrankheiten durch spätere Aussaaten leicht abgemildert werden können.

2016 hingegen waren die witterungsbedingten Ertragseinbußen weder vorhersehbar noch hätten sie durch eine gezielte und korrigierende Bestandesführung verhindert werden können.

Stand: 19.10.2016