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Auf Trockenstandorten 90 % Hybridweizen: „Ich brauche diese Ertragsversicherung“

Wer auf einem Trockenstandort mit 30 – 40 Bodenpunkten mit Weizen Geld verdienen will, muss scharf rechnen. Umso faszinierender ist die Strategie von Felix Hanssen aus Wischer bei Stendal: Seit 10 Jahren setzt er auf seinem Betrieb auf Hybridweizen, auf mittlerweile knapp 90 % seiner Winterweizenfläche!

Die Diluvialstandorte des pfluglos arbeitenden Marktfruchtbetriebes sind geprägt durch Trocken- und Hitzestress: Die geringen Jahresniederschläge um 550 mm führen zu langen Trockenperioden im Frühsommer, hinzu kommen häufig Temperaturen von über 30 °C. Die meisten der Schläge mit 18 bis max. 40 Bodenpunkten würden selbst in klimatisch günstigeren Regionen Deutschlands gar nicht in die Weizenproduktion aufgenommen. Doch in diesem Betrieb ist Winterweizen die tragende Kultur und realisiert im Schnitt der Jahre 82 dt/ha.

„Viele meiner Standorte sind nach klassischem Lehrbuchwissen keine Weizenstandorte – zu leicht bzw. in den meisten Jahren mit ausgeprägter Frühsommertrockenheit viel zu trocken. Hinzu kommt ein hohes Produktionsrisiko durch oft mehrtägige Hitzeperioden von über 30 °C. Wenn man hier ökonomisch sinnvoll Weizen produzieren will, muss man sich sehr gut mit diesen Bedingungen auseinandersetzen und Gegenstrategien entwickeln“, erläutert Hanssen seine Situation.

Als nach der Jahrtausendwende die ersten Hybridweizensorten in Deutschland den Weg in die Praxis fanden, war es sein Berater Franz Hollmann von der Großbetriebsberatung GBB, der Hanssen auf diese Alternative aufmerksam machte. Schon damals war das zentrale Verkaufsargument des Hybridweizenanbieters SAATEN-UNION die gute Trockenresistenz dieser Sorten. 2005 sammelte Felix Hanssen zunächst auf einigen Hektar erste Erfahrungen mit der Sorte Hybnos 1 und hat seitdem aufgrund guter Erfahrungen sukzessive den Anbau von Hybridweizen immer weiter ausgedehnt. Heute stehen nur noch auf den besten Standorten Liniensorten, denn „auf Grenzstandorten – also bei Stress und besonders bei Trockenheit – sind die Hybriden einfach vitaler. Sie haben das bessere Wurzelsystem und halten einfach besser durch.“


Felix Hanssen bau auf 90% seiner Weizenfläche Hybridweizen an.
Felix Hanssen bau auf 90% seiner Weizenfläche Hybridweizen an.
Aussaat: Mut zur Lücke

Auf diesem Standort in der Altmark ist der ökonomische Druck extrem – besonders bei der jetzigen Preissituation. Wie hat Felix Hanssen seine Weizenproduktion angepasst?

Im Norden und Osten Deutschlands werden nicht selten sehr frühe Aussaatzeitpunkte gewählt, um über eine längere Vegetationszeit mehr Ertrag zu generieren. Eine Frühsaat (5.–10. Sept.) stellt durch den Wegfall insektizider Beizen ein erhebliches Risiko aufgrund der Virusübertragung durch Läuse und Zikaden dar.  Auch der Befall mit pilzlichen Pathogenen nimmt tendenziell zu und zusätzlich kann die Überwinterung beeinträchtigt werden (Typhula). Felix Hanssen beginnt deshalb mit der Weizenaussaat um den 15. September. „Als die Insektizidbeize noch zugelassen war, konnte ich mit vertretbarem Risiko schon am 5. September drillen“, bedauert er. Bei einer Aussaat am 15.09. sind die Saatstärken mit ca. 80–85 Kö/m2 extrem niedrig. „Wenn dann vielleicht 75 Kö/m² auflaufen, sieht das erst einmal sehr lückig aus – da darf man nicht die Nerven verlieren. Aber die Strategie ist es, der Einzelpflanze sehr viel Platz zu geben: für eine intensive Wurzelentwicklung, damit viel Bodenraum für die Wasser- und Nährstoffversorgung zur Verfügung steht, und starke Nebentriebe. Die Pflanzen bestocken sehr gut und die Nebentriebe muss man dann auch durchziehen, denn Ziel sind je nach Ertragserwartung 400 bis maximal 500 ährentragende Halme/m2. Mehr machen wegen des in Normaljahren auftretenden Wassermangels keinen Sinn“, erläutert er seine Anbaustrategie.


Der Stickstoff muss früh in die Pflanze!

Hystar 85 Kö/m²: Wenn der Stickstoff rechtzeitig in der Pflanze ist, verläuft die Ährenanlage ungestört.
Hystar 85 Kö/m²: Wenn der Stickstoff rechtzeitig in der Pflanze ist, verläuft die Ährenanlage ungestört.
Daher ist eine frühe und dabei ausreichende N-Düngung sehr wichtig: „Der Stickstoff muss vor der Frühsommertrockenheit in der Pflanze sein, damit die Ährenanlage nicht leidet.“ Inklusive Schossergabe und exklusive Nmin sind das 100–120 kg N/ha im Frühjahr. Bei einer Ertragserwartung von 80 dt/ha beläuft sich die Gesamtdüngung auf ca. 180 kg N/ha in drei bis vier Gaben. Starr ist das Düngungsmanagement dabei nicht, denn Hanssen legt großen Wert auf eine der Witterung und der Sorte angepasste Bestandesführung.

Dies gilt in besonderem Maße natürlich auch für den Insektizideinsatz im Herbst gegen die von Läusen und Zikaden übertragenen Virosen, für den Wachstumsreglereinsatz und ebenso für den Fungizideinsatz. „Wachstumsregler kosten Wasser, da kann ein Zuviel richtig weh tun“, ist seine Erfahrung. „Ich halte nicht viel von fixen, stadiengebundenen Fungizidapplikationen und richte mich lieber nach Infektionsereignissen. Ich fahre dann auch gerne nachts, um die höhere Luftfeuchtigkeit zu nutzen. In Kombination mit moderner Düsentechnik lassen sich so Aufwandmengen reduzieren und standortangepasst erheblich Kosten einsparen.“ Lediglich gegen Braunrost, der klimabedingt ein hohes Risiko in der Kornfüllungsphase darstellt, wird mit Azolen nach dem Ährenschieben auf Prophylaxe gesetzt. 


So geht die Rechnung auf

„Ich drille aufgrund der hohen Saatgutkosten den Hybridweizen deutlich dünner und passe die Stickstoffverteilung der Bestandesentwicklung an. Davon abgesehen, wende ich aber nicht mehr oder weniger Produktionsmittel auf und führe die Liniensorten identisch. Trotz der geringeren Saatstärke liegen die Saatgutkosten für Hybridweizen über denen für Liniensorten. Das bekomme ich aber über den hier zu erreichenden 10–11 % höheren Ertrag wieder raus.“


75 Kö/m² aufgelaufene Pflanzen, 15.9.2015 Aussaat
75 Kö/m² aufgelaufene Pflanzen, 15.9.2015 Aussaat
Wo geht Hybridweizen – und wo nicht?

Für Felix Hanssen ist Hybridweizen eine Ertragsversicherung. Seine Erfahrung ist, dass sich in Jahren mit ausreichenden und gut verteilten Niederschlägen die Unterschiede zwischen Hybrid- und Linienweizen weitgehend angleichen. Solche Jahre sind allerdings nicht die Regel. „Ich baue Hybridweizen an, weil sie ertragsstabiler sind und ich in dieser niederschlagsarmen Gegend diese Ertragsversicherung brauche. Aber natürlich sind auch bei Hybridweizen irgendwo Grenzen erreicht.“ Dabei spricht Hanssen aus Erfahrung, denn er hat bewusst die Grenzen ausgereizt und Hybridweizen auf einen 18er (!) Sandboden gestellt – neben Hybridroggen. Aber: Auf 18er Sandböden, auf die seit Wochen kein Tropfen Regen gefallen ist, ist auch bei Hybridweizen Schluss. Bei Hybridroggen allerdings genauso und die Trockenstresssymptome sind in ihrer Ausprägung mit denen des Weizens identisch.
„Hier lohnt sich bei diesen Preisen zurzeit kein Ackerbau – nicht mal Populationsroggen. Es ist wirtschaftlicher, diesen Schlag aus der Produktion zu nehmen“, bedauert Hanssen.


Hybriden verändern den Ackerbau

In der Hanssen GbR hat Hybridweizen überwiegend den Platz des Roggens eingenommen und das wird auch erst einmal so bleiben. Von diesem außergewöhnlichen Beispiel kann man einiges über Hybridweizen lernen.

1) Auf Grenzstandorten des Weizenanbaus kommt es darauf an, auf die Einzelpflanze und deren optimale Entwicklung zu setzen.

2) Hybridweizen ist mit seiner höheren Einzelpflanzenleistung unter Stressbedingungen geradezu prädestiniert für leichte Standorte.

3) Mit angepasster Bestandesführung kann die Saatstärke weiter reduziert werden als allgemein empfohlen.

2016 wurden drei neue Hybriden in Deutschland zugelassen. Zurzeit basieren alle angebotenen Hybridweizensorten auf der Hybridtechnologie der SAATEN-UNION. Der Ackerbau wird sich mit dem weiteren Vordringen des Hybridweizens verändern. Erst mit Sorten, die über ihr besseres Wasser- und Nährstoffaneignungsvermögen und ihre höhere Stresstoleranz in der Lage sind, wurde es möglich, auf Böden mit 30 und weniger Bodenpunkten Weizen anzubauen.

 

Das Gespräch führten Sven Böse und Dr. Anke Boenisch

 

Stand: 28.06.2016