Zusammenfassung: Die Züchtung hat in den letzten 10 – 15 Jahren die geforderten frühsaat- und stoppelweizentauglichen Weizen zur Verfügung gestellt. Es sind dabei neue Sortentypen entstanden, mit anderer Ertragsstruktur und neuen Anforderungen an die Produktion. Die Physiologie dieser „neuen“ Sorten musste verändert werden, um die Frühsaateignung zu erreichen. Als eine Folge daraus sind die Nebentriebe zu Beginn der Ährenanlage des Haupttriebs wesentlich besser entwickelt, ganz besonders nach Frühsaaten oder einer langen warmen Herbstvegetation. Herbstnebentriebe sind etwa gleichstark wie der Haupttrieb ausgebildet und führen zu einer deutlichen Steigerung der Korndichte/m², welche hochsignifikant mit dem Kornertrag korreliert. Zudem sind Sorten mit einer höheren Korndichte ertragsstabiler. |
Mit der Anpassung an frühere Aussaattermine ging fast unbemerkt auch eine unerwartet schnelle Adaption an die sich ändernden klimatischen Bedingungen einher: Neue Sorten sind besser an wärmere Herbst- und Winterbedingungen angepasst und oft trockenresistenter als die alten Sorten.
Teil I:
Was bringen die neuen Sortentypen?
Anpassung an verlängerte Jugendentwicklung
Auslöser für diesen Züchtungsfortschritt war Mitte der 90er Jahre die Forderung nach frühsaattauglichen Sorten. Dazu musste man das Risiko eines zu frühen Eintritts in die generative Phase bzw. einen zu frühen Schossbeginn verhindern. Deswegen beginnt bei vielen neueren Sorten die Ährenanlage später, das Doppelringstadium/die Ährchenanlage in EC 25 hat sich nach hinten verschoben. Dies ließ sich über einen erhöhten Vernalisationsanspruch der Sorten erreichen. Das Maß und die Stärke der Vernalisation bestimmen den Beginn der Ährenanlage.
Gleichzeitig wurde meist der Temperaturanspruch an die Blattbildung erhöht. Da die Ährenanlage im Haupttrieb erst beginnt, wenn dieser mindestens sechs eigene Blätter gebildet hat, verschiebt sich bei einem höheren Temperatursummenbedarf/Blatt das EC 25 nach hinten. Früher benötigte eine Weizensorte meist 60–70 Gradtage pro gebildetem Blatt, heute dagegen da gegen 90–100 Gradtage (Kropf, 2015).
Beginnt die Ährenanlage im Haupttrieb aber später, sind auch die Nebentriebe zu Beginn der Ährenanlage des Haupttriebs wesentlich besser entwickelt, ganz besonders nach Frühsaaten oder einer langen warmen Herbstvegetation. Dann verharrt der Haupttrieb sozusagen im „ewigen Stadium 25“ (Schönberger, 2015), sodass die Herbstnebentriebe gleich gut ausgebildet werden. Sortenbeispiele sind Tobak und Elixer, bei denen die Apikaldominanz des Haupttriebs deutlich schwächer als bei den früheren Sorten ist. Die besser ausgebildeten Nebentriebe führen zu einer deutlichen Steigerung der Korndichte/m², welche hochsignifikant mit dem Kornertrag korreliert.
Höhere Korndichten durch besser bekörnte Nebentriebe
Einhergehend mit der züchterischen Anpassung an Frühsaaten und wärmere Herbst- und Winterklimate wurde also auch das Ertragspotenzial erhöht! Offensichtlich realisieren die meisten Neuzulassungen der letzten 2–3 Jahre ihre hohen Kornerträge fast durchweg über eine gesteigerte Korndichte und kaum über das Tausendkorngewicht (TKG). Die Korndichte wiederum entsteht auffallend oft über höhere Ährendichten bzw. höhere Anteile besser bekörnter Nebentriebe.
Exemplarisch für die Entwicklung dieses neuen Sortentyps – höchste Korndichten durch ertragsstarke Nebentriebe, keine Entwicklungsverzögerung der generativen Phase – ist die Sortenfolge Mulan – Rumor – Faustus. Diese findet hoffentlich in Porthus ihre Fortsetzung. Faustus steht aktuell mit den BSA-Noten 6 in der Ährendichte und 8 in der Kornzahl pro Ähre (K/Ä) am oberen Ende der möglichen Korndichte/m². Bei Faustus resultiert die Note 8 in der K/Ä aus den im Verhältnis zu den Hauptrieben bestens ausgebildeten Nebentrieben. Eine solche Ertragsstruktur bringt auch ein sehr hohes Maß an Ertragsstabilität mit, was die Sorte Rumor zeigt, die seit drei Jahren in den LSV als eine der ertragsstabilsten Sorten gilt.
Warum sind die neueren Sorten ertragsstabiler?
Diese Kombination von Hochertrag und Ertragsstabilität war früher kaum möglich. Spitzenerträge mit hohen Korndichten erforderten damals eine sehr lange Abreife bzw. Kornfüllungsphase. Diese Sorten waren also spätreif, stürzten bei früh einsetzender Hitze oder Trockenheit in der Regel aber im Ertrag deutlich ab.
Der neue Sortentyp produziert demgegenüber sehr hohe Korndichten bei früher bis mittlerer Reife. Damit ist zweifellos die Ertragsstabilität bei Stress gestiegen. Ein züchterischer Quantensprung!
Zur Erklärung: Die maximal mögliche Korndichte eines Weizenbestandes ist beim Eintritt in die generative Phase (ab EC 31) über die angelegten Blüten praktisch festgelegt. Bis zu diesem Termin ist ein negativer Einfluss durch Trockenstress kaum zu befürchten. Die Tausendkornmasse (TKM) hingegen ist durch Hitze, Trockenheit, Nässe und Bodenverdichtungen viel mehr gefährdet. In dem Maß, wie Sorten über bessere Nebentriebsleistungen höhere Korndichten erreichen, nimmt die Bedeutung der TKM für weitere Ertragsteigerungen ab. Ein hohes TKM-Potenzial (ab BSA-Note 6) ist nur noch dann ertragssteigernd, wenn damit ein früher Beginn der Kornfüllung einhergeht, bestenfalls gefolgt von einer langen Kornfüllungsperiode.
Darüber hinaus kann die TKM als Kompensationsfaktor bei niedrigeren Korndichten wirken (z.B. bei durch Frost oder Nässe ausgedünnten Beständen).
Fazit Teil I
Die Korndichte eines späten Ritmo ist heute mit Sorten erreichbar oder sogar zu übertreffen, die 10–14 Tage früher sind im Ährenschieben und der Reife – bei gleichzeitig wesentlich besserer Frühsaateignung.
Teil II
Richtiges Einkürzen wird wichtiger!
Bis in die jüngste Vergangenheit war Höchstertrag meist mit einer hohen Einkürzungsintensität verbunden. Doch das ist Geschichte! Selbst bei sehr hohen Ährendichten haben immer mehr Sorten eine hervorragende Standfestigkeit (z.B. Faustus). Trotzdem muss bei vielen neuen Sorten beim Wachstumsreglereinsatz umgedacht werden, um negative Auswirkungen auf die Ertragsstruktur zu vermeiden. Denn Wachstumsregler wirken auf die jüngeren Pflanzenteile am stärksten, also mehr auf die Nebentriebe als auf die Haupttriebe. Die neueren Sorten müssen deshalb stabilisiert werden, ohne die Nebentriebe stark zu reduzieren – denn diese leisten ja einen ganz wesentlichen Beitrag zum höheren Ertragspotenzial. Ein Beleg hierfür sind die sehr hohe Relativerträge des neueren Ährendichte-betonten Sortentyps in der Stufe 1 der LSV (meist ohne Wachstumsregler), z.B. von Faustus in der Stufe 1 der bayerischen LSV 2015. Ohne Gelbrostdruck erzielte auch Rumor in der wachstumsreglerfreien Stufe Spitzenleistungen.
Höher dosierte und zu späteren Terminen eingesetzte „harte“ Wachstumsregler können also je nach Witterung schnell zu einer zu starken Nebentriebsreduktion führen.
Gute Standfestigkeit ermöglicht schonenden Wachstumsreglereinsatz
Mit der deutlich besseren Resistenzausstattung der meisten neueren Sorten ist das Augenmerk mehr auf Wachstumsregler zu richten als auf Fungizide. Denn das Verlustpotenzial falsch eingesetzter Wachstumsregler übersteigt das Verlustpotenzial durch Krankheiten. Deshalb kommt eine gute Standfestigkeit dem Praktiker bei einer schonenden Halmstabilisierung sehr entgegen! Sorten wie Rumor oder Faustus, die höchste Korndichte mit sehr guter Standfestigkeit und sogar Frühreife kombinieren, sind also besonders anbausicher. Wenn sie in der Stufe 2 ertraglich zurückfallen, hat dies meist mit einem für die jeweilige Sorte überzogenen Wachstumsreglereinsatz zu tun. Die neuen, standfesten Sorten erfordern also eine Anpassung des Wachstumsreglereinsatzes – auch in den Prüfungen.
Resistenz als Rettungsanker?
Bisher wurde die Leistung von Fungiziden immer gern an krankheitsanfälligen Sorten demonstriert, um möglichst hohe Wirtschaftlichkeiten darzustellen. Nach neuesten Einschätzungen spielen die Erreger (v.a. Septoria tritici) hier aber immer weniger mit. So sind die Leistungsreserven selbst des stärksten Azols Prothioconazol bei S. tritici hinsichtlich der Kurativleistung in Befallsjahren praktisch ausgeschöpft, eine „Dauer“wirkung hält oft nur noch wenige Tage. Bei weit fortgeschrittenem Befall raten selbst Experten gleich zum Einsatz hoher Carboxamidmengen, trotz des damit verbundenen Risikos der Resistenzbildung.
Warum aber hält angesichts dieser gefährlichen Entwicklung die Sortenberatung z.T. noch an den anfälligen Sorten fest? Resistenz unterstützt den Erhalt der Leistungsstärke der besten Fungizide und wird im nächsten Feuchtejahr möglicherweise zum entscheidenden Faktor. Die 2014 und 2015 zugelassenen Sorten zeigten im Wertprüfung [Neue Sorten erfordern neue PS-Strategien] sjahr 2013 bei sehr hohem Septoriadruck aufgrund ihrer Resistenzen sowohl in der Stufe 1 als auch in der Stufe 2 mit Fungizideinsatz deutliche Ertragsverbesserungen. Die neuere Weizengenetik ist also nicht nur in Trockenjahren dank höherer Korndichte ertragsstabiler, sondern auch in feucht-nassen Jahren dank guter Resistenzen und besserer Standfestigkeit.
Bisher neigte man dazu, in Sorten mit guten Resistenzen billigere Fungizide der Azolklasse oder sehr stark reduzierte Carboxamidwirkstoffe relativ spät einzusetzen. Dabei kann in gesunden Sorten ein Einsatz reduzierter Carboxamidmengen in der ersten Hälfte der Inkubationszeit – also in noch symptom- bzw. befallsfreien Beständen – zu einer völligen Ausschaltung und möglicherweise sogar Zurückdrängung von Septoria tritici führen.
Fazit Teil II: Beim bisherigen Fungizideinsatz umdenken
Mit sehr gesunden Sorten schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits werden die starken Carboxamide nicht zur Kurativleistung gezwungen, sodass eine Anpassung des Erregers an diese Wirkstoffe kaum mehr möglich ist. Andererseits tragen die leistungsstarken Fungizide derart eingesetzt zu einem langen Erhalt der Sortenresistenz bei, weil diese nie voll von einem starken Befallsdruck gefordert wird.
Resistenzstarke Sorten und leistungsstarke Fungizide können sich also – richtig abgestimmt eingesetzt – in ihrer Wirkung perfekt ergänzen.