Schon die Stallzahl und Anordnung verrät dem Besucher, dass der niedersächsische Milchviehbetrieb schnell gewachsen ist. Wo vor 30 Jahren noch 50 Kühe standen, ist die Zahl der Kühe mittlerweile auf 500 gestiegen. Familie Brüning hat auf sich verändernde Rahmenbedingungen immer schnell und zielgerichtet reagiert. Nachdem in den letzten Jahren die Pachtpreise auf bis zu 1.700 €/ha stiegen, sah das Ehepaar Brüning erneut Handlungsbedarf. „Die vorrangige Frage war: Wie kann ich die Futterleistung pro Hektar nachhaltig steigern und absichern? Welche Frucht hat eine höhere Futterleistung pro ha als Mais? Da ich früher gelegentlich Zuckerrübenschnitzel aus der Fabrik bekommen hatte, wusste ich, dass Rüben von den Tieren grundsätzlich gut angenommen und verdaut werden. Mit dem Rübenanbau war ich vertraut, da lag es nahe, die Futterrübe in die Ration mit aufzunehmen.“
I Ernte und Lagerung
Ernte den Profis überlassen
Bei der Rübenernte profitieren Brünings von der örtlichen Nähe und engen Zusammenarbeit mit Firma Grimme. Es kommen Versuchsmaschinen zum Einsatz, die extra für die Futterrübenernte entwickelt und laufend verbessert werden.
„Da der Fokus bei uns in der Milchproduktion liegt, sehe ich meine Arbeitskraft im Stall sinnvoller eingesetzt und die Erntearbeiten von Rübe und Mais beim Lohnunternehmer besser aufgehoben“, begründet Klaus Brüning die Auslagerung der pflanzenbaulichen Arbeiten. Die Kosten der Rübenernte sind nicht höher als die der Maisernte.
Aufgrund der eher leichten Böden, trockener Erntebedingungen und der Glattschaligkeit der Futterrüben, gab es in den vergangenen Jahren bei der Ernte keine Probleme mit Schmutzanhang oder Steinbesatz. Vom Feld wurden die Rüben direkt mit Mulden zum Hof gebracht und auf der Siloplatte mit Strohballen als Begrenzung gelagert.
Um diese Arbeit zu entzerren und die Rüben bei schlechteren Witterungsbedingungen säubern zu können, kommt ab diesem Jahr eine Rübenverlademaus zum Einsatz. Die Rüben werden vorerst am Feldrand in einer Miete gelagert und später mit der Maus gereinigt, verladen und zum Hof transportiert. „Die Lohnunternehmer sind in unserer Region gut aufgestellt“, freut sich Brüning.
Zu Beginn der Kampagne wird zunächst nur ein Teil der Rüben, der Rest der Fläche dann erst einige Wochen später im November gerodet. Die Frischfütterung beginnt so schon im September während ein Teil der Rüben noch weiter wachsen kann.
Gut isoliert gegen Frost
Klaus Brüning schwört auf die frische Lagerung der Rüben. Zukünftig werden die Rüben auf einem befestigten Boden gelagert, mit Silofolie eingewickelte Strohballen bilden die Wände und zugleich eine gute Isolierung bei Frost. „Wir hatten in den letzten drei Jahren immer sehr milde Winter, aber der nächste knackige Winter kommt bestimmt. Die Isolierung aus eingewickelten Strohballen kann ich später als Einstreu weiterverwenden“, begründet Brüning seine Pläne. „Bei der frischen Lagerung bleibt die Schmackhaftigkeit und der Energie- und Vitamingehalt besser erhalten als beispielsweise in einer Mais-Rüben-Mischsilage. Es bildet sich zudem kein Sickerwasser. Außerdem kann ich so die hohen Investitionskosten für ein Fahrsilo sparen“, zählt Brüning weitere Vorteile auf.
II Fütterung und Tierwohl
Kühe lieben Futterrüben
Dass Rinder die Futterrüben lieben, wie Kinder Bonbons, ist nicht neu. Aber wie sieht es mit der Tierleistung und -gesundheit aus? Die wichtigsten Abgangsursachen für Milchkühe aus einem Bestand sind Unfruchtbarkeit, Eutererkrankungen sowie Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen. Im Hinblick auf diese Thematik sind eine Gesunderhaltung und eine damit verbundene bedarfsgerechte und vitaminhaltige Fütterung sehr wichtig. Gerade bei den steigenden Preisen für Jungrinder und der unsicheren Marktsituation mit Ende der Milchquote, gewinnen der Gesundheitsstatus und die damit verbundene Nutzungsdauer der Tiere an Bedeutung.
„Seitdem wir Futterrüben füttern, haben wir kaum noch Probleme mit Labmagenverlagerungen oder anderen Stoffwechselkrankheiten. Auch die Klauengesundheit und die Zellzahl-Werte haben sich verbessert“, freut sich Klaus Brüning. Durch die Verbesserung der Fruchtbarkeit bleiben die Kühe dem Betrieb durchschnittlich eine Laktation länger erhalten, was sich finanziell stark positiv auswirkt.
Da es sich um betriebsinterne Beobachtungen und nicht um einen Exaktversuch handelt, ist ein Zusammenhang zur Fütterung zwar extrem wahrscheinlich, in letzter Instanz aber nicht zu beweisen. Diesen Beweis der Futterrübe als „Gesundungsfutter“ können nur entsprechende Forschungsvorhaben erbringen.
Zahlenmäßig sehr gut zu erfassen ist der gesteigerte Eiweißgehalt, der von November bis April während der Futterrübenfütterung im Betrieb Brüning immer über 3,5 % liegt. „Somit haben wir, vor allem in Zeiten mit schwankenden Milchpreisen, einen großen Vorteil in der Abrechnung mit unserer Molkerei“, beschreibt Brüning diesen weiteren positiven finanziellen Aspekt.
Nach drei Jahren Anbauerfahrung kann Klaus Brüning folgende Vor- und Nachteile gegeneinander rechnen:
+ | Durch Futterrüben können 1,5–2 kg/Tier/Tag Kraftfutter eingespart werden. |
+ | Der Rübenertrag ist hoch und die Ertragssicherheit bei den vorliegenden Standortbedingungen besser als bei Mais. |
+ | Die Silokosten liegen unter denen von Mais: Festfahren und Silierzusätze sind nicht notwendig, auch die Baukosten sind gering. |
+ | Sehr geringe Qualitätsverluste bei Frischlagerung |
+ | Die Futteraufnahme steigt, durch den hohen Energiegehalt werden die Tiere optimal „ausgefüttert“. |
+ | Die Tiergesundheit ist sehr gut, Labmagenprobleme gibt es keine (mehr), die Remontierungsrate ist verbessert |
+ | Der Eiweißgehalt steigt in diesem Betrieb nachweislich durch Rübenfütterung. |
+/- | Die Erntekosten sind mit ca. 400 Euro/ha mit den Häckselkosten von Mais in etwa vergleichbar. |
- | Die Produktionstechnik ist etwas aufwändiger und teurer (Pflanzenschutz, Saatgut) als bei Mais. |
III weitere betriebswirtschaftliche Aspekte
Futterrüben müssen sich am Mais messen
Viele Aspekte aus dem Teil „Tiergesundheit und Tierleistung“ gehen auch direkt in die betriebswirtschaftliche Bewertung ein. Hinzu kommt jedoch die Frage nach Alternativkulturen zur Futterrübe – in erster Linie Silomais.
„Der durchschnittliche Silomaisertrag liegt in unserer Region im Schnitt der Jahre bei 40 Tonnen FM/ha, was einer Trockenmasse von ca. 14 t/ha entspricht.
Mit der Futterrübe können wir bei Frischmasseerträgen von bis zu 90 t und dementsprechenden 16 t TM/ha einen höheren Futterwert pro Hektar erwirtschaften als mit Mais“, beschreibt Brüning die Ertragserwartungen. Zudem sei die Futterrübe ertragssicherer und könne die Sommertrockenheit auf leichteren Standorten besser kompensieren als Silomais.
Tipps für Einsteiger
Für alle diejenigen, die jetzt anfangen, darüber nachzudenken, ob Futterrüben eine Option im eigenen Betrieb sein könnten, hat Brüning ein paar Tipps parat:
„Sehr viele Lohnunternehmen bieten Rübenlegen und Rodung bereits als Standarddienstleistung an. Da gibt es also keine organisatorischen Probleme mehr. Ich persönlich habe mit Frischlagerung die besten Erfahrungen hinsichtlich der Rübenqualität und Futterverluste gemacht und kann auf Nassreinigung verzichten. In meinem Betrieb hat sich die rote Futterrübe Ribambelle bewährt, die sich mit der vorhandenen Rübenerntetechnik sehr gut roden lässt und wenig Schmutzanhang aufweist. Sollte aufgrund der Bodenbeschaffenheit in manchen Betrieben eine Nassreinigung doch notwendig sein, macht es für kleinere Einheiten vielleicht Sinn, sich gemeinsam einen Nassreiniger anzuschaffen.“
Und was passiert jetzt nach Wegfall der Milchquote? „Wir werden die Kuhzahl weiter ausbauen und damit auch den Futterrübenanbau ausweiten.“ Brüning schreckt der Wegfall der Quote jedenfalls nicht.
Dr. Anke Boenisch und Frauke Avenhaus
Betriebsspiegel Betrieb Brüning, Holdorf/Niedersachsen
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