Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Ertragsfortschritt bei „jungen“ Sorten

Es ist für den Praktiker kaum möglich, von seinen Erträgen direkt auf den Zuchtfortschritt zu schließen. Volker Michel von der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern1 trennt die Ursachenkomplexe Genetik und Umwelt und analysiert so den Zuchtfortschritt bei Winterweizen.

Anbauausdehnung erweitert Ansprüche an Sorten
Bei Diskussionen über den Züchtungsfortschritt reduziert sich die Diskussion oft einseitig auf die Durchschnittserträge in der Praxis. Hierzu muss einiges vorweggeschickt werden:

  1. Die massive Ausdehnung des Weizenanbaus erforderte Sorten mit verbesserten ertragssichernden Eigenschaften: Resistenzen, Standfestigkeit, Winterfestigkeit, Reifedifferenzierung u.v.m. Je mehr Zuchtziele aber gleichzeitig beachtet werden müssen, desto geringer fällt bei gleichem Züchtungsaufwand der Züchtungsfortschritt für eines dieser Merkmale je Zeiteinheit aus. Die häufige Behauptung, dass z.B. Resistenzen ursächlich Ertrag kosten, ist daher nicht allgemeingültig. Vielmehr gilt: Wenn in der Selektion verstärkt auf Resistenz o.ä. geachtet werden muss, kann dies nicht mit unverminderter Selektionsschärfe und damit Zuchtfortschritt beim Ertrag einhergehen – jedenfalls nicht, wenn am Ende eine Sorte zur Zulassung übrig bleiben soll.
  2. IDie Ertragsentwicklung in der Praxis basiert auf einem vielfältigen Wechselspiel von Umwelteffekten, Intensitätsniveau u.v.m. Die Züchtung ist zwar einer der wesentlichen Faktoren für die Ertragsentwicklung, aber eben doch nur einer von vielen. Es ist deshalb nicht ohne Weiteres möglich, aus Praxiserträgen direkt auf den Züchtungsfortschritt zu schließen.

Die nachfolgende Analyse versucht, diese Frage trotzdem zu beantworten: Gibt es ungeachtet der starken Ertragsschwankungen in der Praxis Züchtungsfortschritt beim Ertrag? Dabei werden zunächst die Sortenzulassungen bis 2010 analysiert, auf die jüngeren Weizensorten wird anschließend gesondert eingegangen.

Datenbasis sind die Landessortenversuche, in denen verbreitete Sorten über einen längeren Zeitraum geprüft und in denen zeitlich versetzt stetig neue Sorten aufgenommen werden. Dank moderner Rechenalgorithmen ist es möglich, zwei Ursachenkomplexe der Ertragsentwicklung voneinander zu isolieren:

(1) Züchtungsfortschritt als reinen Ertragstrend in Abhängigkeit vom Jahr der Sortenzulassung (genetisch bedingt).

(2) Jahresschwankungen durch Umwelt- und Intensitätseffekte, ohne diese Komplexe näher differenzieren zu können (nicht genetisch bedingt).

Entwicklungen bis zum Zulassungsjahrgang 2010
Abb. 1 zeigt die Entwicklung des genetisch bedingten Ertragsniveaus in einer Auswertung für D-Nord-Standorte in Mecklenburg-Vorpommern in Beziehung zum Zulassungsjahrgang der Sorten bis 2010. Dargestellt sind nur Sorten, die in Deutschland zugelassen wurden und mindestens in einem Jahr die Empfehlung der Landesforschungsanstalt in Mecklenburg-Vorpommern erhalten haben. Ausgewählte Sorten sind benannt.

A-Weizen: 0,5 dt/ha mehr Ertrag jährlich
Besonders gut interpretierbar ist der Zuchtfortschritt beim A-Weizen, dem Segment mit der größten Anbaubedeutung und entsprechend der höchsten Zahl empfohlener Sorten über den gesamten Zeitraum. Das Ertragsniveau unter LSV-Bedingungen (ca. 15 % über Praxiserträgen) entwickelte sich von etwa 94 dt/ha (Sorte Toronto) über etwa 100 dt/ha (Tommi-Generation) auf über 103 dt/ha bei der Generation um Potenzial und JB Asano. Im Mittel wurde allein im Merkmal „Ertrag” ein Fortschritt von ca. 0,5 dt/ha je Jahr erzielt. Dies kann beim A-Weizen kontinuierlich über den gesamten Zeitraum beobachtet werden, wenn es natürlich auch nicht in jedem einzelnen Jahr zu einem für den Landwirt spürbaren Sortenwechsel kam.

Geringer Sortenwechsel bei E-Weizen
Beim E-Weizen hat es über 10 Jahre gedauert, bevor durch Akteur das Bussard-Niveau markant durch eine etablierte Sorte übertroffen wurde. Dieser seltene Sortenwechsel im Hochqualitätssegment hängt einerseits mit den hier sehr restriktiven Marktanforderungen zusammen, andererseits mit einer relativen „Treue“ gegenüber einmal in Verarbeitung und Export etablierten Sorten. Durch Akteur hat der E-Weizenanbau in Mecklenburg-Vorpommern (MV) einen deutlichen Schub bekommen. Mit den „jungen” E-Weizen Genius und Florian gelang ein weiterer kleiner Sprung, der sich auf dem Markt vor dem Hintergrund eines aktuell fallenden E-Weizenanteils allerdings bislang nicht in großem Stile durchsetzen konnte.

B-Weizen nimmt leicht zu
Einen sehr geringen Fortschritt zeigte im Zeitraum bis 2010 der B-Weizen. Mit Ritmo wurde sehr früh ein damals außerordentliches Ertragsniveau vorgelegt, das lange Zeit nur durch Sorten mit ebenfalls erhöhter Fusariumanfälligkeit wieder erreicht werden konnte. Der Ertragsvorteil zum A-Weizen war auf den Trockenstandorten Nordostdeutschlands im Gegensatz zu den niederschlagsreicheren westlichen Anbaugebieten zu gering, um erfolgreich mit A-Weizen konkurrieren zu können. In der Folge ging der B-Weizenanbau in MV kontinuierlich zugunsten des A-Weizens zurück. Eine markante Sorte mit großer Beliebtheit, weniger aufgrund des Ertragspotenzials als aufgrund ihrer Ausgewogenheit und unkomplizierten Bestandesführung, war Dekan. Einen erheblichen Ertragsschub brachte dann die Sorte Tobak (s. Abb. 3), bei der die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium beachtet werden kann. Auch weitere Neuzulassungen deuten Ertragsfortschritte an, wodurch der Anbau von B-Weizen wieder leicht zunimmt.

C-Weizen spielte in den letzten Jahren in MV eine untergeordnete Rolle – zum einen wegen des geringen Regionalabsatzes, vor allem aber aufgrund zu geringer Ertragsvorteile gegenüber A- und B-Weizen.

Das aktuelle Sortiment – Ertrag, Fusarium und Protein

Abb. 2 und 3 zeigen das aktuelle Ertragsniveau in den Qualitätssegmenten des A-, B- und E-Weizens für das Anbaugebiet D-Nord in MV. Die in Abb. 1 noch nicht dargestellten jüngeren Sorten sind hier jeweils im rechten Bereich innerhalb einer Qualitätsgruppe dargestellt. Es zeigen sich in allen Segmenten weitere Ertragsfortschritte bei jungen Sorten. Teilweise deutet sich an, dass Ertragssprünge wie bei Tobak beim B-Weizen oder Franz beim A-Weizen mit erhöhter Fusariumanfälligkeit ‚belastet‘ sind. Es zeigt sich jedoch bei andern jungen Sorten wie RGT Reform (A) oder Johnny, KWS Loft und Mescal (B), dass eine Kombination von hohem Ertrag und verbesserter Fusariumresistenz prinzipiell möglich ist.

 

Des Weiteren sind viele Ertragsfortschritte leider mit verringertem Proteingehalt verbunden. So müssen z.B. die jungen ertragsstarken A-Sorten RGT Reform und Franz als relativ proteinschwach angesehen werden. Besonders beim E-Weizen ist festzuhalten, dass die Ertragsvorteile von Kerubino und Gourmet mit einem Proteingehalt einhergehen, der eine relativ sichere E-Weizen-Vermarktung kaum gewährleistet.

 

 

N-Bilanzen: Züchtungsfortschritt beim Proteinertrag relevant

Es besteht eine negative Korrelation zwischen Kornertrag und Proteingehalt (Abb. 4). Betrachtet man den Rohproteinertrag, findet man daher kaum noch relevante Ertragsunterschiede über alle Sorten. Vom E- bis zum C-Weizen sind die Unterschiede in der gebildeten Proteinmenge und damit auch im N-Entzug nur relativ gering.

 

Angesichts der Diskussionen um Begrenzungen der N-Düngung einerseits und den Qualitätsanforderungen andererseits werden Züchtungsfortschritte beim Protein-ertrag und damit beim N-Entzug zunehmend relevant. Verbesserungen in der Kombination von Kornertrag und Proteingehalt leisten einen Beitrag, N-Bilanzen zu verbessern, beim Qualitätsweizen die Spätdüngung moderater zu gestalten und trotzdem die Marktanforderungen zu erfüllen.

Mit der Sortenwahl ist die N-Bilanz um ca. 20–30 kg N/ha zu beeinflussen – eine nicht unwesentliche Stellschraube, um mit Stickstoff noch effizienter umzugehen. Noch wichtiger für Verbesserungen im Umgang mit Stickstoff wären allerdings Qualitätsparameter in der Weizenvermarktung, die die tatsächliche Verarbeitungsqualität besser fassen, als eine reine Proteinbestimmung ohne Kenntnis der Proteinqualität.

 

Volker Michel

 

1 Institut für Pflanzenproduktion und Betriebswirtschaft, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV, Gülzow

 

Stand: 27.04.2015