Unter den aktuell zugelassenen Hochleistungsweizensorten befindet sich keine Sorte, die in der Standfestigkeit in der Beschreibenden Sortenliste bei der Neigung zu Lager besser als mit der Note 4 eingestuft wurde. Der Einsatz von Wachstumsregler ist somit zwingend notwendig, wenn das Ertragspotenzial der Hochleistungssorten ausgeschöpft werden soll.
Welche Wachstumsregler gibt es für den Weizen?
Die derzeit zugelassenen Wachstumsregler lassen sich einteilen in
- Gibberellin-Synthese-Hemmer, die früh in die Bildung der Streckungshormone eingreifen (CCC, Mepiquat im Medax Top). Auch Azole mit einkürzender Wirkung (z.B. Tebuconazol, Metconazol) beeinflussen früh die Gibberellin-Bildung.
- Gibberellin-Synthese-Hemmer, die spät in die Bildung der Streckungshormone eingreifen: Trinexapac (Moddus, Calma, Countdown) oder Prohexadion-Calcium (Medax Top).
- Ethylen-Generatoren (Ethephon), die die Aktivität der Streckungshormone hemmen und zu einer schnelleren Verholzung des Gewebes führen.
Frühe Gibberellin-Synthese-Hemmer müssen früh, vor der Streckung eines Internodiums gespritzt werden, um je nach Aufwandmenge die nachfolgenden zwei bis drei Internodien einzukürzen und zu festigen. Durch stärkere Stauchung der Haupttriebe, die mehr CCC aufnehmen, wird die Apikaldominanz gebrochen, dadurch entwickeln sich Nebentriebe besser. CCC sollte erst gespritzt werden, wenn die Kronenwurzeln wenigstens 3 cm lang sind, um diese nicht nachhaltig einzukürzen. (Zu) dünne Bestände werden durch die CCC-Anwendung dichter, und die Triebentwicklung wird gleichmäßiger, wenn die Spritzung noch während der Bestockung erfolgt (s. auch Abb. 1, zur optischen Optimierung bitte anklicken).
Späte Gibberellin-Synthese-Hemmer können noch gespritzt werden, wenn sich die Knoten schon voneinander lösen. Sie kürzen das sich gerade streckende Internodium und die nachfolgenden zwei bis drei Internodien. Das Trinexapac wirkt stärker auf jüngeres Gewebe, also auf die später gebildeten Seitentriebe. Dadurch bleiben diese in der Entwicklung gegenüber den älteren Trieben zurück und werden unterdrückt. Eine negative Auswirkung auf das Wurzelwachstum ist bei den späten Gibberellin-Synthese-Hemmern nicht bekannt.
Die Reduktion unerwünschter Seitentriebe ist ein Vorteil in zu üppigen Beständen. Durch die Zulassung des Moddus Start kann in üppigen Beständen bereits während der Bestockung Halm stabilisierend und Bestand regulierend eingegriffen werden.
Das Ethephon generiert das Phytohormon Ethylen in der Pflanze, das direkt und über die Hemmung der Aktivität der Streckungshormone das Wachstum bremst und zu einer Festigung des Gewebes durch schnellere Verholzung führt. Ethylen beschleunigt die Alterung und damit den Abbau von Proteinen im Blatt. Ethephon sollte nicht gespritzt werden, wenn der Weizen bereits unter Trocken- oder Hitzestress leidet. Ethephon kann in sehr späten Beständen genutzt werden, um die Umlagerung von Assimilaten aus dem Blatt in das Korn zu verstärken und die Reife zu beschleunigen.
Nachkürzung im Fahnenblattstadium
Muss im Fahnenblattstadium nachgekürzt werden, hängt die Mittelwahl vom Zeitpunkt des Fahnenblattstadiums ab. Wird das Fahnenblatt vor dem 20. Mai geschoben, kommt die Nachkürzung mit Medax Top oder einem Trinexapac-Mittel in Betracht. Spitzt das Fahnenblatt erst nach dem 25. Mai, sind Ethephonhaltige Mittel zu bevorzugen.
Ertragssicherung durch Bekämpfung von Krankheiten
Das Krankheitsspektrum im Weizen hat sich seit der Ernte mit dem Mähdrescher und dem Verbleib des Strohs auf dem Acker völlig gewandelt. Vor 50 Jahren dominierten Halmbruch, Mehltau und regional Spelzenbräune, Gelbrost und Braunroste.
Durch den Verbleib des Strohs auf dem Acker nahmen fakultative Parasiten wie Septoria tritici, DTR, Fusarien zu. Sie zerstören das Gewebe, bilden Blattflecken und vermehren sich auf dem abgestorbenen Gewebe.
Auch die Fungizide führten zu einer Veränderung des Krankheitsspektrums: Der Spelzenbräune wurde durch Fungizide die Treppe entzogen, um auf die Ähre hochzuspringen, Gelbrost-Epidemien wurden schon durch die alten Azolen im Keim erstickt. Zudem waren die ersten rht-Sorten wenig anfällig gegen Gelbrost. Auch Halmbruch spielte aufgrund des durch Halmstabilisatoren festeren Gewebes und der Sorteneigenschaften kaum mehr eine Rolle.
Die intensive Züchtung auf Blattgesundheit führte dazu, dass die Resistenz gegen Halmbasiskrankheiten herausgezüchtet wurde und diese inzwischen wieder eine größere Bedeutung haben. Gut 70 % der derzeit am häufigsten angebauten Weizensorten wurden vom Bundessortenamt mit der Note 6 für die Anfälligkeit gegen Pseudocercosporella herpotrichoides eingestuft. Meist sind Halmbasisverbräunungen jedoch auf einen Erregerkomplex zurückzuführen, bestehend aus Pseudocercosporella, Rhizoctonia cerealis, Fusarien (vorwiegend culmorum) und Microdochium nivale (Schneeschimmel).
Frühzeitige Bekämpfung von Halmbasiskrankheiten
Durch die Bekämpfung eines Erregers wird mehr Platz geschaffen für die anderen. Wird Cercosporella „herausgeschossen“, können sich Rhizoctonia oder Fusarien ausbreiteb. Deshalb müssen bei Mischinfektionen Fusarien und Rhizoctonia zusammen oder besser noch vor Cercosporella bekämpft werden.
Die Infektionen erfolgen meist vor Winter. Stark gefährdet sind anfällige Sorten (z.B. Tobak) und zu tief oder in Häufchen abgelegte, zu eng stehende Weizenpflanzen.
Die erste Entscheidung muss im zeitigen Frühjahr getroffen werden: Weisen mehr als 30 % der kräftigen Halme nach Winter unspezifische Verbräunungen der Halmbasis auf, ist es angebracht, die daran beteiligten Fusarien durch geeignete Wirkstoffkombinationen zu stoppen, z.B. durch Tebuconazol in Kombination mit Prochloraz.
Bei im Frühjahr anhaltender Nässe kann dann Cercosporella noch in EC 31/32 zusammen mit frühen Blattkrankheiten bekämpft werden. Auch in diesem Fall wird durch Kombination von Wirkstoffen eine einseitige Selektion vermieden, z.B. durch die Kombination Prothioconazol oder Prochloraz + Epoxiconazol + Metrafenone oder Cyprodinil.
Höherer Einzelährenertrag durch Bekämpfung von Blattkrankheiten
Hohe Erträge über 100 dt/ha erfordern zur Blüte vier intakte Blätter pro ährentragenden Halm, bis zur Milchreife sollten noch drei Blätter assimilationsfähig sein. Der Zusammenhang zwischen der nach der Blüte noch assimilationsfähigen Blattfläche, gewichtet nach Blattetage (ABF) und der Ertragsleistung ist eng, eine intakte Halmbasis immer vorausgesetzt. Sobald das viertletzte Blatt erschienen ist (in EC 31/32), ist deshalb bei akutem Befallsdruck mit Krankheiten ein Fungizidschutz notwendig. Die Wirkstoffwahl richtet sich nach dem vorhandenen Krankheitsspektrum. Schwerpunkt wird i.d.R. die Vermeidung von Septoria tritici sein, deren Bekämpfung nicht mehr möglich ist, sobald Blattflecken zu erkennen sind.
Durch Sortenresistenz gewinnen wir bei der Bekämpfung von Krankheiten Zeit, weil sich die Krankheiten langsamer verbreiten. Das ist vor allem bei der Bekämpfung von Echten Parasiten ein großer Vorteil, wie die Gelbrost-Epidemie in diesem Frühjahr zeigte. Echte Parasiten wie Mehltau oder Roste können noch bekämpft werden, wenn Symptome bereits eindeutig zu erkennen sind. Bei zu erwartendem hohen Befallsdruck ist dennoch ein protektiv wirkender Fungizidschutz angebracht, um Morpholin-Spritzungen auf das Fahnenblatt zu vermeiden.
Morpholine verursachen in den Konzentrationen, die notwendig sind, um Mehltau zu stoppen, Mikroläsionen auf den Blättern, auf denen sich häufig Folgeparasiten wie DTR ansiedeln. Deshalb sollten auch in weniger anfälligen Sorten bei massivem Druck protektiv wirkende Mittel gegen Mehltau (und Roste) gespritzt werden, um Abwehrflecken zu vermeiden.
Auch Roste sind einfacher z.B. durch Strobilurine oder Carboxamide zu vermeiden als kurativ oder gar eradikativ mit Azolen zu bekämpfen.
Fahnenblattbehandlung hat die stärkste Ertragswirkung
Die Fungizidspritzung im Fahnenblatt lohnt sich in der Mehrzahl der Jahre. Am effektivsten ist die Fahnenblattbehandlung, wenn das Fahnenblatt voll geschoben ist. Damit wird auch der Bereich um das Blattöhrchen durch Fungizide geschützt und verhindert, dass sich Ähren während des Schiebens aus dem Halm mit Krankheitskeimen infizieren, die sich im Bereich der Ligula angesammelt haben.
Wirkstoffe, die auf das Fahnenblatt gespritzt werden, sollen zum einen vorhandene Erreger stoppen, zum anderen aber auch eine möglichst lange Protektivwirkung gegen das zu erwartende Erregerspektrum haben. Zielrichtung sind DTR, bei kühlem Wetter immer noch Septoria tritici, Mehltau und Braunrost sowie Fusarien in anfälligen Sorten bzw. auf gefährdeten Standorten. Die Fusarienwirkung ist angebracht, um das Hochwandern der Erreger (vor allem F. culmorum) über die Blattetagen zu unterbinden.
Ährenbehandlung gegen Fusarien
Ist aufgrund des Standortes, der Fruchtfolge und des Witterungsverlaufes mit Fusarien zu rechnen, ist eine Fusarienbekämpfung mit Fungiziden erforderlich. Die Wirkung hängt entscheidend vom Termin der Fungizidspritzung ab. Am effektivsten ist die Behandlung, wenn die ersten Staubbeutel erscheinen. Staubbeutel und nicht befruchtete Blüten bilden zusammen mit Verletzungen der Spelzen, z.B. durch Düngerkörner oder Hagel, Eintrittspforten für Fusarien.
Eine ausreichend sichere Bekämpfung ist im kurzen Zeitraum von zwei Tagen vor und nach einer Infektion möglich. Zur Bekämpfung von Fusarien stehen die Wirkstoffe Prothioconazol, Tebuconazol und Metconazol (in Kombination mit Epoxiconazol) zur Verfügung. Damit werden auch DTR und Braunrost gut erfasst.
Kein „Medikament“ ohne Nebenwirkungen
Fungizide Wirkstoffe greifen auch in die Physiologie der Kulturpflanzen ein. Azole wirken als Wachstumsregulator, Strobilurine und Carboxamide wirken reifeverzögernd und erhalten die Pflanzen länger grün. Daraus resultieren Ertragseffekte, die sich durch die fungizide Wirkung allein nicht erklären lassen. Andererseits wird durch die Additionswirkung von Stickstoff, Wachstumsregler, Fungiziden, eventuell verstärkt durch eine späte Blattdüngung mit Mangan der Abbau von Assimilaten im Blattbereich und die Translokation (Umverlagerung) in die Körner verzögert, mit der Folge, dass die Ähre reif und das Stroh noch grün ist. Dieses Risiko wird durch Hitze noch verschärft. Spitzenerträge korrelieren auf jeden Fall nicht zwangsläufig mit Maximalaufwand!
Dr. Hansgeorg Schönberger