Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Turbohybriden: Mehr Zug von Anfang an!

In der dreijährigen Wertprüfung werden mit großem Aufwand Bonituren zur Entwicklung der Sorten und Stämme vorgenommen. Die wichtigsten Ergebnisse sind in der Beschreibenden Sortenliste zusammengefasst. Um Sorten noch besser einschätzen zu können, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Originaldaten, angefangen bei Feldaufgang und Jugendentwicklung.

Die hier vorgestellten Daten stammen aus einer Analyse der dreijährigen Wertprüfung Winterroggen, Nutzungsrichtung Korn, der Jahre 2010-2012. Die Neuzulassungen SU Performer und SU Forsetti, werden mit den interessantesten Verrechnungs- bzw. Vergleichssorten verglichen. Daten liegen auch für die Sorten Minello, Conduct, Inspector und Visello vor. Der Übersichtlichkeit halber sind diese hier nicht mit berücksichtigt.

Zur Erklärung vorweg: In den Wertprüfungen werden einige Merkmale gemessen, gezählt oder gewogen, wie etwa Wuchshöhe, Bestandesdichte oder Kornertrag. Andere, z.B. Unterschiede in der Entwicklung, dem Befall mit Blattkrankheiten oder Lager werden hingegen nach bestimmten Regeln bonitiert. Dabei gilt: Je höher die Note innerhalb der Skala 1–9, umso stärker der Mangel bzw. Befall.

Besserer Feldaufgang (Tab. 1)

Diese Bonitur wird etwa 10 Tage nach dem Feldaufgang erhoben, um die Vergleichbarkeit der Versuchsglieder festzustellen. Bereits hier sind Differenzen zwischen den Sorten festzustellen – wenn auch sehr geringe. In der Tendenz zeigten die Turbohybriden SU Mephisto, SU Performer und SU Forsetti in allen drei Jahren etwas weniger Keimschäden. Diese geringen Unterschiede wären nicht weiter erwähnenswert, wenn sie sich nicht in der weiteren Entwicklung der Sorten festigen würden.

Kräftige Bestände vor und nach Winter (Tab. 2 und 3)

Bei den Bonituren „Mängel vor Winter“ sowie „Mängel nach Winter“ werden der Entwicklungsstand sowie die Pflanzendichte vor Beginn und nach Ende der Vegetationsruhe festgestellt.

Auch hier wurden bei allen Sorten lediglich geringe Mängel bonitiert, Sortenunterschiede sind jedoch nicht zu übersehen: Jede der drei Turbohybriden zeigte in jedem der drei Prüfjahre eine etwas kräftigere Entwicklung als die Vergleichssorten, sowohl vor als auch nach dem Winter!

Auch in der Praxis werden immer wieder Unterschiede bei der Jugendentwicklung der Sorten beobachtet. Diese sind im Einzelfall auch auf die unterschiedliche Sortenempfindlichkeit gegenüber dem Herbizidwirkstoff Flufenacet zurückzuführen (z.B. in Herold oder Cadou). Zur Fragestellung wie empfindlich einzelne Sorten auf diesen Wirkstoff reagieren, führt das Pflanzenschutzamt Uelzen seit mehreren Jahren Exaktversuche durch. Die Turbohybriden, allen voran SU Mephisto, zeigen dort bereits mehrjährig eine auffallend bessere Verträglichkeit gegenüber Flufenacet.

Tab. 1: Mängel nach Feldaufgang - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 1: Mängel nach Feldaufgang - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
 
Tab. 2: Mängel vor Winter - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 2: Mängel vor Winter - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Wertprüfungen 2010–2012 - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Wertprüfungen 2010–2012 - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012

1150 Körner mehr je Quadratmeter

Ein leistungsfähiger Roggenbestand bildet etwa 25.000 Körner je Quadratmeter. Hohe Korndichten sind roggentypisch und als fruchtartspezifische Anpassung an Standorte mit eher unzuverlässiger Kornausbildung zu sehen. Die ertragliche Überlegenheit der Hybriden resultiert aus dieser Ertragskomponente. Die ersten Roggenhybriden erreichten höhere Erträge über eine deutlich gesteigerte Kornzahl je Ähre. Dieses Potenzial war jedoch bald ausgereizt: Denn je stärker die Einkörnung, desto größer ist die Konkurrenz der Kornanlagen innerhalb einer Ähre um knappe Assimilate. Bei dürre- oder krankheitsbedingt frühen Blattnekrosen droht dann die Tausendkornmasse abzufallen.

Tab. 4: Bestandesdichte (Ähren/m2) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 4: Bestandesdichte (Ähren/m2) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Die neuen Turbohybriden etablierten im Mittel der drei Prüfjahre rechnerisch 1150 Körner mehr je Quadratmeter als die älteren Vergleichssorten Brasetto und Palazzo. Diese höhere Korndichte wurde über 30 bis 40 Ähren/m² mehr erreicht (Tab. 4). Die Einkörnung war mit 45 Kö/Ähre gleich hoch, die Tausendkornmasse fiel nur geringfügig um 1,5 % ab! Offensichtlich sind also bei neuen Hochleistungshybriden die Konkurrenzeffekte innerhalb des Roggenbestandes verringert: Diese Sorten können folglich etwas dichter stehen, ohne dass der Einzelährenertrag spürbar abfällt. Worauf das zurückzuführen ist, auf ein besseres Wurzelwachstum oder einen effizienteren Umgang mit Wasser, ist nicht bekannt.

Entscheidend für die Praxis: Die Mehrerträge dieser Sorten fallen auf den typischen Roggenstandorten höher aus als auf den günstigeren Wertprüfungsstandorten. Unterstützt wird dies auch durch die früher einsetzende Kornfüllung einiger Turbohybriden, insbesondere der 2014 neu zugelassenen Sorte SU Composit.

Im Zusammenhang mit der Vitalität leistungsstarker Roggenbestände ist auch die Blattgesundheit anzusprechen. Alle Turbohybriden sind blattgesünder als die bisher führenden Hybriden, in Tab. 5 kommt dies in der geringeren Anfälligkeit für Braunrost zum Ausdruck. Der Assimilationsapparat bleibt so länger intakt, es werden mehr Assimilate zur Kornfüllung bereitgestellt, Wasser wird effizienter genutzt.

Höhere physiologische Aktivität

Der Züchter der Turbohybriden, Dr. Joachim Fromme, führt die höhere physiologische Aktivität der Turbohybriden darauf zurück, dass bei den aktuellen Sorten züchterisch bewusst keine exotischen Gene für eine bessere Pollenschüttung eingekreuzt wurden. Diese verbessern zwar die Pollenschüttung, beeinträchtigen jedoch gleichzeitig die Wüchsigkeit, Kornfüllung und Leistungsfähigkeit. Wissenschaftler sprechen bei solchen genetisch gekoppelten Nachteilen vom sogenannten „linkage drag“.

Tab. 5: Befall Braunrost (Stufe 1) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 5: Befall Braunrost (Stufe 1) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 6: Lager vor Ernte (Stufe 1) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 6: Lager vor Ernte (Stufe 1) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
 
Tab. 7: Kornertrag dt/ha (Stufe 2) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012
Tab. 7: Kornertrag dt/ha (Stufe 2) - Turbohybriden und Vergleichssorten - Wertprüfungen 2010–2012

Standfestigkeit

Die stärkere Wüchsigkeit der neuen Hochleistungshybriden ist bei der Bestandesführung zu berücksichtigen. Das gilt weniger für typische Roggenstandorte. Dort muss die N-Düngung auf jeden Fall startgabenbetont ausgebracht werden, auch ist die Lagergefahr auf diesen Standorten eher gering. Im Hochertragsjahr 2012 zeigten sich jedoch nach einem kühl-nassen Juli auf den besseren Wertprüfungsstandorten andere Sortenrelationen hinsichtlich „Lager vor Ernte“ als in den Jahren 2010 und 2011 (Tab. 6). Die Erträge waren in 2012 in der unbehandelten und in der behandelten Variante besonders hoch (Tab. 7)!

Für die neuen, noch ertragsstärkeren Turbohybriden gilt also im Besonderen die alte Regel, dass Roggen auf besseren Standorten keinesfalls zu früh gesät werden darf und die Startgabe auf diesen Standorten nicht zu hoch ausfallen sollte. Auch können und sollten dort Wachstumsregulatoren mutiger dosiert sowie gesplittet ausgebracht werden.

Turbohybriden spielen ihr höheres Ertragspotenzial vor allem unter schwierigen Ertragsvoraussetzungen aus. Das galt 2010 nach der sehr raschen Abreife und damit kurzen Kornfüllungsphase und noch mehr 2011 für die dünnen Bestände nach extremer Frühjahrs- und Frühsommertrockenheit. In beiden Jahren war der Leistungsvorsprung von SU Performer gegenüber den Verrechnungssorten höher als 2012. 2012 war jedoch ein trügerisches Ausnahmejahr für den Roggen: Die Bestandesdichten waren nach der Frühjahrsdürre oftmals zu gering. Die in Folge der dünnen Bestände sehr großen Ähren erhielten nach der Blüte genug Wasser für eine gute Kornausbildung. Gerade dann wird jedoch das Wasser normalerweise in den typischen Roggenlagen knapp!

Die Wertprüfungsergebnisse attestieren den Turbohybriden eine höhere Wüchsigkeit und Leistungsfähigkeit: Ihre Jugendentwicklung ist vor und nach Winter kräftiger, einige starten früher mit der Korneinlagerung und sie ermöglichen erstmals hohe Einzelährenerträge bei gleichzeitig höheren Bestandesdichten. Die ausgezeichnete Blattgesundheit, die einen kostengünstigen Fungizideinsatz ermöglicht, unterstützt diese Vitalität. Auch wenn die Einstufung für Standfestigkeit gut ist: Beim Wachstumsregler-Aufwand ist auf besseren Standorten bzw. in wüchsigen Lagen auf Grund der höheren Erträge etwas mehr Aufwand sinnvoll.

Sven Böse

Mutterkorn mit „optimierter fachlicher Praxis“ vermeiden!

Der Mutterkornpilz Claviceps purpurea ist ein natürlich auftretender Bodenbesiedler, dessen Vorkommen sich nicht gänzlich vermeiden lässt und 2013 regional stärker aufgetreten ist – selbst in Weizen und Gerste.
Mutterkorn gehört nicht in Nahrungsgetreide, ist andererseits jedoch nicht durch einzelne Maßnahmen auszuschließen. Hier sind ganzheitliche Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette gefragt, von der Fruchtfolge und Bestellung bis hin zur Reinigung des Getreides.

Durch eine optimierte fachliche Praxis während des Getreideanbaus und der weiteren Verarbeitung zu Getreideprodukten ergeben sich Optionen, den Befallsdruck und die daraus resultierenden Verunreinigungen mit Mutterkorn und Ergotalkaloiden im Getreide zu vermeiden.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat zusammen mit den Akteuren der Wertschöpfungskette Nahrungsgetreide umfangreiche Handlungsempfehlungen zur Vermeidung von Mutterkorn abgestimmt. Diese können Sie unter www.saaten-union.de/handlungsempfehlung abrufen.

 

 

Stand: 07.05.2014