Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Wo ist NIRS praxistauglich?

Ein ökonomisch optimierter und ressourcenschonender Einsatz von Betriebsmitteln wird in der Landwirtschaft immer wichtiger. Auch die Dokumentation aller Maßnahmen und Aufwandmengen spielt eine zunehmende Rolle. Sensoren zur Messung und Dokumentation von Inhalts- und Einsatzstoffen können hier eine wertvolle Unterstützung sein.

Die NIRS-Methodik* ist eine fest etablierte Untersuchungsmethode für die Qualitätsbeurteilung pflanzlicher Produkte. Insbesondere in der Pflanzenzüchtung ist die Anwendung nicht mehr wegzudenken, da die umfangreichen Untersuchungsserien an Tausenden von Proben ohne entsprechend leistungsfähige Methoden nicht finanzierbar sind.

NIRS im Einsatz
NIRS im Einsatz
Einsatz bei Frischmaterial
TS-Gehalt: Oft genauer und immer schneller als die Trockenschrankmethode
Nach guten Erfahrungen im Mähdrusch wurden in der Pflanzenzüchtung im Bereich der Futtermittelernte die ersten Tests zum Einsatz von NIRS zur Bestimmung des TS-Gehaltes auf Feldhäckslern durchgeführt. Eigene Untersuchungen zur Trockensubstanzbestimmung von Silomais auf Parzellenhäckslern ergaben eine gute Präzision des eingesetzten Spektrometers (Corona 45 NIR 1.7, Carl Zeiss Jena). Es wurden Schätzfehler für den Trockensubstanzgehalt von ca. 1,5 % (absolut) erreicht. NIRS-Feuchtemessungen fielen teilweise genauer und wiederholbarer aus als die bis dahin genutzte Trockenschrankmethode, was sich durch den Wegfall von Probenahme- und Behandlungsfehlern erklärt (Varianz Trockenschrank).

In der landwirtschaftlichen Praxis werden momentan lediglich der von John Deere und Zeiss entwickelte „HarvestLab“ angewendet – ein Nah-Infrarotsensor, der im Auswurfbogen des Feldhäckslers installiert ist und mit Kalibrierungen für den Feuchtegehalt ausgeliefert wird. Untersuchungen der Genauigkeit des HarvestLab Sensors ergaben im Online-Einsatz bei der Silomaisernte Abweichungen von unter 2 % (absolut). Hierfür wurde das System DLG zertifiziert! Die Erfassung der Feuchte des Silomais erfolgt in Echtzeit und kontinuierlich. Durch die gleichzeitige Erfassung des Ertrages kann eine korrekte Abrechnung, z.B. für Lohnunternehmer, erfolgen. Mit Kenntnis der genauen Trockenmasse können Silierhilfsmittel präzise dosiert werden.

Montage HarvestLab, Quelle: John Deere
Montage HarvestLab, Quelle: John Deere
Inhaltsstoffe: teilweise noch Optimierungsbedarf
Der Einsatz von NIRS auf Feldhäckslern zur Bestimmung wertgebender Inhaltsstoffe ist wiederum zunächst in der Pflanzenzüchtung durchgeführt worden. Die Parzellenhäcksler, welche mit den Sensormodulen Corona 45 NIR 1.7 oder Polytec PSS 2120 ausgestattet sind, sollen neben der Feuchtigkeit auch den Gehalt an Stärke, Protein, Verdaulichkeit und Rohfaser messen. In den eigenen Untersuchungen sind alle Sensoren im Auswurfbogen der Parzellenhäcksler installiert. Leider zeigten die Messwerte zunächst noch relativ hohe Abweichungen auf. Durch Optimierung/Standardisierung der Erntetechnik und interner Abläufe im Feldversuchswesen konnten mittlerweile deutlich bessere Ergebnisse erzielt werden. In der Landwirtschaftlichen Praxis sollte dies ebenso möglich sein. Gerade der kontinuierliche Massenfluss vor dem Spektrometer ist hier von Vorteil.

Vorteile der Online-Messung:

  • Kontinuierliche Erfassung während der Ernte
  • Keine Wartezeiten für Laboranalysen von Inhaltsstoffen
  • Basis zur Abrechnung von Masseerträgen für Lohnunternehmer
  • Genaue Kenntnis der Futterqualität
  • Optimiertes Silagemanagement für Biogasanlagen

Silagen
Alle beschriebenen Sensoren können auch im stationären Modus zur Untersuchung von Silagen betrieben werden. Die Trockenmasse der Silagen kann so direkt ohne weitere Vorbehandlung, innerhalb von Sekunden bestimmt werden. Der Standardschätzfehler in Maissilage liegt bei ca. 1,5 % (absolut). Die Entwicklung von Kalibrationen für die Messung der Inhaltsstoffkonzentration in konserviertem Futter steht noch am Anfang. Eigene Tests zeigen, dass Inhaltsstoffe wie Rohprotein, Rohfett, Rohfaser, Stärke, Zucker, ADF, NDF und ELOS zukünftig mit einer zufriedenstellenden Genauigkeit bestimmt werden können.

Die Vorteile des stationären Verfahrens sind:
  • Die Erfassung der Inhaltsstoffe des Grundfutters (Silagen) in Echtzeit
  • Eine exakte Rationsberechnung für die Fütterung von Hochleistungskühen
  • Ein optimierter Einsatz von eigenen und zugekauften Futtermitteln
  • Eine genauere Abrechnung beim Silagekauf und -verkauf

 

Gülle
Der Nutzung der NIRS-Technik bei der Ausbringung von Gülle steht derzeit die ungewöhnlich heterogene Probenmatrix und der hohe Wassergehalt der Proben entgegen. Die NIRS-Messung wird bisher nur zur Steuerung der Ausbringungsmengen im Verteilersystem der Güllewagen unter experimentellen Versuchsbedingungen eingesetzt (Patent: Zunhammer GmbH, Traunreut).

Vorteile der NIRS-Technik bei der Gülleanalyse:

  • Vor-Ort-Erfassung der durchschnittlichen Inhaltsstoffe (Zeit/Kostenersparnis)
  • Genauere Düngeplanung und damit effizienterer und umweltfreundlicherer Einsatz der Gülle

 

Einsatz vor Ort, Quelle: John Deere
Einsatz vor Ort, Quelle: John Deere
Fehlerquelle Mensch: Es fehlt an Überwachung und Kontrolle
Durch die Anwendung der NIRS-Technik weg aus dem Laborbereich hin in die landwirtschaftliche Praxis bedeutet auch, dass nicht immer analytisch geschulte Fachleute die NIRS-Sensoren bedienen. Für einen effizienten Einsatz der NIRS in dieser Umgebung ist es notwendig, dass der Zustand der Messgeräte, die Ergebnisse und das Zusammenspiel mit dritter Software überwacht werden können. Dies kann z.B. durch NIRS-Netzwerke erfolgen, die von zentraler Stelle Kalibrierungen zur Verfügung stellen, eine korrekte Messung durch z.B. Ringversuche und zentrale Validierungen nachweisen und mittels spezieller Software den Zustand der eingesetzten Sensoren überwachen. Hier besteht noch Entwickungsbedarf.

Im Bereich der Pflanzenzüchtung und Qualitätsbestimmung landwirtschaftlicher Produkte wie z.B. Getreide, Mehl und Futtermittel ist die NIRS seit Jahren etabliert und auch bei der Silageanalyse praxiserprobt. In anderen Bereichen, wie der Gülleausbringung, steckt diese Technik noch in den Anfängen und/oder hat deutlichen Optimierungsbedarf. Auch die Notwendigkeit, dass diese Technik für jeden Praktiker auch ohne Spezialausbildung vor Ort sichere Ergebnisse liefern muss, erfordert in der nahen Zukunft spezielle Kontrollsysteme.

 

Roland Baetzel

EXKURS: Versuchswesen

Unter der Leitung der Deutschen Maiskomitees (DMK) hat sich vor einigen Jahren eine Interessengemeinschaft zur Entwicklung einer Online-Kalibration (Messung von Inhaltsstoffen in Echtzeit während des Erntevorganges) für Mais zusammengeschlossen. Sie besteht des Weiteren aus der VDLUFA Qualitätssicherung NIRS GmbH, verschiedenen Züchterhäusern und der SAATEN-UNION Versuchsstation Moosburg.

Hier werden umfassende Sortenleistungsprüfungen durchgeführt. Die Vorteile der NIRS-Technik sind hier enorm, wie ein Beispiel zeigt: Vor Einführung der NIRS auf Silomaishäckslern war die Bestimmung von Trockensubstanzgehalt und Qualitätsparametern der einzelnen Proben – bis zu 1200/Tag – sehr zeit-, energie- und personalaufwändig: Pro Tag wurden bis zu 1500 (!) Liter Heizöl alleine für die Trocknungsanlagen verbraucht; ein halbes Dutzend Menschen war damit beschäftigt, Proben zu ziehen, zu verpacken, zu beschriften, zu trocken. Diese Proben wurden nach 2–2,5 Tagen Trocknungszeit zur Bestimmung der Qualitätsparameter zum Labor eingeschickt. Mit Glück lagen Ende November die Ergebnisse vor. Mit der Umsetzung der NIRS auf die Erntemaschine werden die in Echtzeit erfassten Daten direkt verrechnet und die Erträge und Qualitäten stehen den Züchtern oder den Produktverantwortlichen auf diese Weise unmittelbar nach der Ernte zur Verfügung. Am Häckseltag sind nur 1,0–1,5 AK auf dem Feld notwendig. Die Überprüfung der Messergebnisse wird von der Interessengemeinschaft gewährleistet, deren Ergebnisse ebenfalls am Folgetag vorliegen.

Die Vorteile sind also neben einer enormen Energie- und Kostenersparnis auch präzisere und viel schneller verfügbare Ergebnisse. Der Hauptnutzen für die Landwirtschaft: Die Fachberater der beteiligten Züchtungsunternehmen können aktuelle Ergebnisse schon in der laufenden Maisernte berücksichtigten.

 


* Was ist NIRS (Nahinfrarotspektroskopie)?
Die zu untersuchende Probe wird von einer definierten Lichtquelle bestrahlt. Je nach der chemischen Zusammensetzung dieser Probe wird ein Teil der Lichtstrahlen absorbiert bzw. reflektiert. Gemessen wird die Reflektion in Abhängigkeit von der Wellenlänge im Bereich des Lichts im Nah-Infrarotbereich 800–2500 nm.
 

Stand: 11.10.2012