Attraktive Preise
Welchen Platz wird die Wintergerste zukünftig in den einzelnen Fruchtfolgen finden? Gebraucht wird Wintergerste sicherlich im Futtertrog. Durch das knappere Angebot ist der frühere Preisrückstand zum Weizen verschwunden und damit wird der Anbau von Wintergerste wirtschaftlicher. Hält diese Preisrelation, ergäbe sich insbesondere gegenüber den Konkurrenzfrüchten Stoppelweizen und Triticale eine verbesserte Wettbewerbsstellung.
Unschlagbar in der Arbeitswirtschaft
Bei Wintergerste als früh räumende „Frucht“ ergeben sich anbautechnische und unschlagbare arbeitswirtschaftliche Vorteile. Gerade in Rapsgetreidefruchtfolgen, insbesondere in den höheren Anbaulagen, kann darauf nicht verzichtet werden. Die schwierigen Ernteverläufe der letzten Jahre haben die Grenzen der Technik aufgezeigt – wohl dem, der Raps nach der frühräumenden Gerste aussäen konnte. Nach Weizen war dies entweder nur zu spät oder im Extremfall auch gar nicht mehr möglich.
Vorfruchtwirkung wird oft unterschätzt
Verschiedene Quellen beziffern in diesem Zusammenhang den Vorfruchtwert der Gerste für den Raps im Vergleich zum Weizen mit 2–3 dt/ha Mehrertrag (z.B. O. Christen, s. Tab. 1).
Nicht zuletzt in Fruchtfolgen mit Zwischenfruchtanbau bringt die Vorfrucht Wintergerste Vorteile. Sichere frühzeitige Bestelltermine garantieren entsprechende Erfolge im Futterbau oder bei der biologischen Nematodenbekämpfung.
Trotz der genannten Vorteile kann die Wintergerste aber nur dann mithalten, wenn auch die Erträge passen. Wie zuvor ausgeführt, wird die Wintergerste insbesondere in der Rapsfruchtfolge auf den zum Teil weniger begünstigten Standorten gebraucht. Gerade auf diesen Standorten ist es aber eine ackerbauliche Herausforderung, gute Erträge zu erzielen.
Ertragsschwankungen minimieren
Problematisch sind u.a. die immer wieder auftretenden Ertragsschwankungen. Langjährige Erhebungen in Praxisbetrieben aus dem Raum Südwestfalen weisen für die Wintergerste einen Ertragsrückstand von Ø 4–6 dt/ha im Vergleich zu Triticale oder Stoppelweizen aus. Sucht man nach Ursachen, so lässt sich rückblickend bei der Betrachtung einzelner Anbaujahre feststellen, dass häufig witterungsbedingte Besonderheiten der Wintergerste zu schaffen machen. Nasskalte Herbstwitterung mit schlechter Vorwinterentwicklung sowie Wechselfröste ausgangs des Winters werden häufig schlecht verkraftet und haben einen negativen Einfluss auf die Ertragsbildung. Dass auch eine zu üppige Vorwinterentwicklung schädlich sein kann, mussten viele Landwirte im Anbaujahr 2006/2007 und auch besonders im Frühjahr 2011/2012 leidvoll erfahren. Wenig tröstlich ist in diesem Zusammenhang, dass auch viele Weizensorten in dieser Zeit böse Federn gelassen haben – bis hin zum Umbruch.
Produktionstechnik im Herbst legt den Grundstein für den Ertrag
Aufgrund der Bedeutung der vorwinterlichen Bestandesbildung für ihre Ertragsbildung hat Gerste im Herbst höhere Ansprüche an die Anbautechnik als Weizen. Die besondere Bedeutung dieses Wachstumsabschnittes für die Ertragsbildung wurde bereits vor Jahren in den entsprechenden Versuchen nachgewiesen. 44 % des Wintergerstenertrages sind danach schon durch die Qualität der Vorwinterentwicklung bestimmt. Verläuft dieser Entwicklungsabschnitt nicht optimal, wird die Ertragsspitze verschenkt!
In der älteren Literatur bedeutete „ nicht optimal“ meistens „witterungsbedingt zu schwach“. Doch spätestens nach den Erfahrungen aus 2006/2007 und 2011/2012 ist klar, dass auch ein zu üppiges Vorwinterwachstum durch die Kapriolen der Witterung ein Belastungsfaktor sein kann.
Nicht zu früh säen!
In diesem Zusammenhang stellt sich sofort die Frage nach der optimalen Saatzeit. Interessanterweise waren gute Wintergerstenerträge in den letzten Jahren häufiger mit späteren Aussaaten bis in die erste Oktoberdekade hinein verbunden. Die Saatzeit nach diesen Erfahrungen zukünftig um 2–3 Wochen nach hinten zu verlegen, wäre sicherlich überzogen. Da der Saattermin sehr standortabhängig ist, sind allgemein gültige Aussagen schwierig. Die Tendenz zu immer früherer Aussaat war jedoch oft nicht erfolgreich. Es sollten daher doch wieder mehr traditionellere Bestelltermine in den jeweiligen Regionen angestrebt werden. Das heißt für Höhenlagen und schwierige Niederungsböden sollte die Aussaat um den 20.–25. September erfolgen, auf den guten Standorten, in den Niederungen oder auf den Sandböden nicht vor Ende September.
Ungrasprobleme werden mehr
Zu einem immer größeren Problem entwickelt sich die Ungrasbekämpfung in Wintergerste. Dabei ist gerade ein gelungener Herbizideinsatz, d. h. die Ausschaltung der Konkurrenz von Ungräsern und Unkräutern, für die weitere Ertragsbildung extrem wichtig. Besonders bei der Wintergerste sind die Auswahlmöglichkeiten auf den Ackerfuchsschwanz-Problemstandorten begrenzt und der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg ist schmal. Ohne Einsätze im frühen Nachauflauf, die bei den zum Teil hohen Aufwandmengen das Getreide auch stressen können, wird es vielfach kaum gehen. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die entsprechende Bodenüberdeckung der empfindlichen Wurzel hingewiesen. Auf den genannten Problemstandorten sind die Herbizidkosten mittlerweile der größte Kostenblock im Pflanzenschutz und belasten die Wirtschaftlichkeit des Anbaus.
Fazit
Mit ihren speziellen Vorteilen ist die Wintergerste ein wichtiger Bestandteil vieler Fruchtfolgen. Ackerbaulich stellt sie allerdings die wohl höchsten Anforderungen von allen Getreidearten an den Anbauer. Besonders gilt dies für die Boden- und Saatbettbereitung. Eine Hypothek sind die Probleme bei der Ungrasbekämpfung auf den Ackerfuchsschwanz-Problemstandorten. Hier sind alle Beteiligte aus Praxis, Beratung, Züchtung und Pflanzenschutzindustrie gefordert, Lösungen zu erarbeiten. Nur dann kann der Wintergerstenanbau auch auf den weniger begünstigten Standorten, also dort, wo sie besonders gebraucht wird, weiter erfolgreich betrieben werden.
Christian Deisenroth