Aktuelle Ausgabe 01/2024

Ausgaben

Sonderausgaben

Themen

Abonnement

Impressum

Datenschutzerklärung

Cookie-Einstellungen

Deutscher Eliteweizen für Italien

Italien ist einer der wichtigsten europäischen Getreideimporteure und für deutschen Qualitätsweizen ein besonders interessanter Kunde. Beim Export nach Italien steht deutscher Qualitätsweizen im harten Wettbewerb mit süd- und osteuropäischer Ware. In einer gemeinsamen Veranstaltung auf der Getreidebörse in Mailand haben die SAATEN-UNION und die Firma Einfuhrhandel Mannheim Werle GmbH italienische Müller über die Vorzüge und Besonderheiten deutschen Eliteweizens informiert.

Italien hat den höchsten Getreide- und Mehl-Importbedarf und verfügt über die größte Mühlenindustrie innerhalb der EU. Der Selbstversorgungsgrad schwankt zwischen 35 und 45 %, weshalb das Land traditionell große Mengen an hochwertigen Mahlweizen zum Aufmischen der qualitativ eher schwächeren nationalen Ernten importiert. Durch den Zuchtfortschritt wurde Italien schon in den 70er Jahren ein interessantes Absatzgebiet für deutschen E-Weizen. Mit der E(9)-Sorte Monopol und später auch Monopolkreuzungen wie Astron gab es erstmals deutsche Winterweizensorten mit herausragender Backqualität, die dem Vergleich mit Red-Winter-Qualitäten aus den USA und Kanada standhielten. Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Qualitätsweizens könnte mit der neuen E(9)-Sorte Genius mit ihrer höheren Ertragsleistung und einem einzigartigen Qualitätsprofil verbessert werden. Mit der Ernte 2011 stehen von dieser Sorte erstmals größere Partien zur Verfügung.

Italienische Fachleute nahmen sich gerne Geniusproben mit.
Italienische Fachleute nahmen sich gerne Geniusproben mit.
Italienische Mühlen sind anspruchsvoll
Während in Deutschland immer mehr Mühlen zu Gruppen fusionieren, kämpft das Mühlenhandwerk in Italien mit Händen und Füßen gegen eine „Industrialisierung“. Wer aufmerksam durch das Land fährt, entdeckt fast in jedem kleinen Ort eine Mühle. Diese sind sehr an der Eigenständigkeit interessiert, dennoch kooperiert und kommuniziert man mit den nachbarschaftlichen Mitbewerbern. Preise sind transparent und auch die Lieferanten werden gerne genannt, gar manchmal empfohlen. Leben und leben lassen – nicht Verdrängung – heißt hier die Devise.
In ihren Qualitätsanforderungen sind diese Mühlen höchst anspruchsvoll und vielfältig orientiert. Die angebotene Produktvielfalt und die vielen Spezialmehle, die in Italien produziert werden, zeichnen das italienische Mühlenhandwerk aus. Den Exporteur von Weizen stellt das vor unzählige Chancen aber auch entnervende Hürden. Während den Erzeuger von Weizen lediglich die Standardspezifikationen interessieren, die kontraktlich gehandelt werden, muss der Weizen in der Vermarktung erst noch die hohen Ansprüche der diffizilen Analysen in den Laboren der Mühlen bestehen.

Exporte durch erfahrene Spezialisten
Die Aufgabe des Müllers besteht darin, mahlfähigen Weizen in der Qualität zu finden und die Weizenpartien so zu mischen, dass die Kleberqualität für die Herstellung unterschiedlichster Brot- und Kleingebäcke optimal ist.

Diese wird z.B. über Alveographen oder Extensographen erfasst. Der Alveograph ermöglicht die Untersuchung der Zähigkeit, Dehnbarkeit, Elastizität und Backstabilität von Mehlen, während der Extensograph die Dehneigenschaft eines Teiges, in erster Linie den Dehnwiderstand und die Dehnbarkeit misst. So liefert er sichere Informationen über das spätere Backverhalten.
Für den Exporteur kommt es darauf an, unterschiedlichsten Eliteweizen anzubieten, damit der Kunde individuell die für ihn geeignetste Partie herausfinden kann. Trotzdem kann es während der weiteren Kontraktabwicklung noch zu Unstimmigkeiten in der Qualitätsbewertung kommen. Um diese zu vermeiden, sind eine hervorragende Kenntnis des Marktes in seiner Breite und Tiefe sowie die sprachliche und mentale Kommunikationsfähigkeit mit den Kunden vor Ort notwendig!

Deutscher Eliteweizen steht nicht allein
Der hohe Importbedarf von Italien spricht viele Mitbewerber unterschiedlicher Nationen an. Neben dem deutschen Qualitätsweizenmarkt, der für hohe Qualitäten aber auch hohe Preise bekannt ist, werden der österreichische und der angrenzende ungarische Markt ebenfalls hoch frequentiert. Über die Seehäfen kommt zudem Ware aus Drittländern wie USA und Kanada in das Land. Diese besticht – neben dem paritätisch abhängigen Preis – durch Homogenität und logistische Vorteile, da sie „just in time“ in den Silos der Seehäfen von den Kunden selbst abgeholt werden kann. Das spart eigene Lagerkosten. Die in Deutschland und Österreich üblichen Lagergelder entfallen hier oder sind bei günstigem Wechselkurs bereits im Preis enthalten.

Wasseraufnahme und Volumenausbeute deutscher WW-Sorten
Wasseraufnahme und Volumenausbeute deutscher WW-Sorten
Neue Eliteweizen mit höherer Teigausbeute
E-Weizen wird nicht nur klassisch für schwere, fettreiche Hefegebäcke, sondern zunehmend für Spezialmehle wie für die Burger-Herstellung sowie Tiefkühlteiglinge für das Backen in Filialbäckereien verwendet. Daher steigt die Nachfrage nach kleberstarken Sorten europaweit. Die Züchtung hat auf die Nachfrage nach kleberstarken Sorten reagiert, so dass nun Sorten für diese Verwendungen zur Verfügung stehen.

Alle die genannten Spezialmehle müssen mindestens 30 % Feuchtkleber enthalten. Auch muss der Kleber für diese Mehle ein besonderes Form- und Fließverhalten gewährleisten, nur so ist die gewünschte „wollige“ Teigbeschaffenheit zu erreichen.
Hierzu muss er hohe Elastizitäts- und Energiewerte im Extensogramm belegen, sowie eine hohe Wasseraufnahme und ein optimales Teigverhalten im Farinogramm. In Südeuropa und speziell Italien wird das Dehnungsverhalten und die Teigenergie jedoch mit dem Alveogramm ermittelt. Anders als beim Extensogramm wird hier jedoch mit einer konstanten Wasserzugabe von 50 % gearbeitet – unabhängig von der Wasseraufnahme des verwendeten Sortenmehls. Sorten mit sehr hoher Wasseraufnahme zeigen ihre wahre Teigelastizität und Teigenergie erst bei einer um 3–4 % höheren, sortenangepassten Wasserzugabe – das Alveogramm kann ihnen daher nicht gerecht werden.

Die Veranstalter machten dem italienischen Fachpublikum deutlich, dass dies ganz besonders für die nunmehr marktführende deutsche E(9)-Sorte Genius gelte, die sich durch eine besonders hohe Wasseraufnahme auszeichnet (siehe Abb. 1). Durch diese hohe Wasseraufnahme werden nicht nur die Teig- und Gebäckausbeute, sondern auch die Verarbeitungseigenschaften, der Geschmack und die Frischhaltung des Gebäcks verbessert (Abb. 2).

Hinzu kommt, dass die neue E(9)-Sortengeneration ca. 20–30 % höhere Erträge bringt als Monopol oder Bussard, gegenüber der spätreiferen E(8)-Sorte Akteur ist die Ertragsleistung mehrjährig gleich hoch. Beides, die hohe Anbauwürdigkeit und das einzigartige Merkmalsprofil, könnten der (italienischen) Müllerei erhebliche wirtschaftliche Chancen eröffnen – die „richtigen“ Qualitätserfassungen vorausgesetzt.

Andreas Niemetz und Sven Böse

Stand: 19.12.2011