Aktuelle Ausgabe 01/2024

Ausgaben

Sonderausgaben

Themen

Abonnement

Impressum

Datenschutzerklärung

Cookie-Einstellungen

Ohne E geht es nicht!

Neue Verzehrgewohnheiten erfordern neue Mehlqualitäten und damit neue Weizensorten. Wie kann man mit welchen Sorten Weizenqualitäten produzieren, die den modernen Verbraucherwünschen und Anforderungen gerecht werden? Kann dabei die gesamte Wertschöpfungskette profitieren? Ein Projekt (s. Kasten), in dem der neue E-Weizen Genius über die gesamte Wertschöpfungskette getestet wurde, sollte diese Fragen klären.

Ortstermin bei der Aurora Mühle Hamburg. Hohe gelb-weiße Silos mit dem Sonnenstern bringen Farbe an den grauen Himmel, an der Hafenmole wird gerade ein Schiff mit einem riesigen Saugrohr entladen. Es weht eine ziemliche steife Brise, Backsteinbauten aus der Gründerzeit vermitteln hanseatisches Flair. Szenenwechsel: Tür auf, Stufen hoch, ein betörender Duft von frisch gebackenen Brötchen weht durchs Treppenhaus. Im Labor der Aurora Mühle Hamburg wird gemahlen, gemessen, gerührt, geknetet, gedehnt und gebacken. Stresstest für die Getreidepartien, die in den Silos lagern und für die Rezepturen, die als Mehl in bunten Tüten oder lose in großen Tankwagen in die gesamte Republik ausgeliefert werden sollen.

Die Projektteilnehmer
Züchter/Vertrieb des Eliteweizens GENIUS: Saaten -Union GmbH
Produzent: Reiner Brennenstuhl, GV Baumgarten
Vermarkter: Dierk Grothusen, Getreideerzeugungs- und Absatz Gesellschaft Cerealis
Aurora Mühle Hamburg: Sarah Stresow, Hans-Heinrich Hagenah

Markenmehl braucht „Geling-Garantie“
„Die Qualitätsanforderungen an das Mehl haben sich in den letzten Jahren sehr gewandelt“, erläutert Hans-Heinrich Hagenah, Leiter Qualitätssicherung bei Aurora. Das habe mit der Produktionsweise und mit der veränderten Struktur im Bäckerhandwerk zu tun. Mehl werde heute zum größten Teil nicht mehr in kleinen Backstuben, sondern im großen Stil verarbeitet. Toleranzen in der Qualität würden von diesen starken Marktpartnern nicht akzeptiert.

Sarah Stresow Hans-Heinrich Hagenah
Sarah Stresow Hans-Heinrich Hagenah

Modernes Mehl muss beispielsweise viel Wasser aufnehmen können, das bringt den Bäckern eine hohe Teigausbeute. Noch wichtiger sind Dehnungseigenschaften und Belastbarkeit des Teigs, der auch bei Tiefkühlung, längeren Transporten und automatisierter Verarbeitung nichts von seinen Backeigenschaften verlieren darf. In der Bäckersprache heißt das: Der Teig muss über die gesamte Verarbeitungsphase seinen guten Stand behalten und einen guten Ofentrieb haben. Aus solch einem Teig lassen sich Brötchen backen, wie Verbraucher sie sich wünschen: außen kross, innen weich und luftig, an jedem Tag, zu jeder Stunde, immer gleich groß und gleich beschaffen und stets frisch.

Mit E-Weizen die Qualität steuern
Die Mühle ihrerseits hat einen umfangreichen Katalog mit Qualitätseigenschaften als Erfolgsgaranten für einwandfreie Mehle formuliert. Bevorzugt ordert Aurora Partien mit gut ausgebildeten, runden Körnern. „Das bedeutet ein hohes Hektolitergewicht und damit eine hohe Mehlausbeute“, erklärt Sarah Stresow, die bei Aurora für den Getreideeinkauf zuständig ist. Am Standort Hamburg werden jährlich 167.000 Tonnen Weizen verarbeitet, überwiegend A- und B-Sorten sowie 10–15 % E-Qualität. Natürlich muss das Getreide möglichst frei sein von Fusarien, unerwünschten Inhaltsstoffen und Besatz. Generell sollte es gesund und von einwandfreier Beschaffenheit bei arttypischem Geruch sein. „Grundsätzlich benötigen wir große, einheitliche Partien. Speziell beim E-Weizen ist Homogenität sehr wichtig“, so Stresow. „E-Weizen bringt die notwendige Grundstabilität und Verarbeitungssicherheit in unsere Mehle und kann hervorragend schwankende Qualitäten beim A-Weizen ausgleichen“, ergänzt Hagenah.

Backversuche von Weizensorten im klassischen Backverfahren
Backversuche von Weizensorten im klassischen Backverfahren

Protein – unverzichtbarer Indikator für gute Backeigenschaften
Nur ein proteinreicher E-Weizen ist auch ein guter E-Weizen, wobei Feuchtkleber die entscheidende Proteinfraktion für den Backprozess ist.

Am Extensograph wird die Dehnbarkeit und der Dehnwiderstand eines Weizenmehles getestet
Am Extensograph wird die Dehnbarkeit und der Dehnwiderstand eines Weizenmehles getestet
Deshalb ist die Feuchtklebermenge und die -qualität für die Teigeigenschaft das Maß aller Dinge und noch wichtiger als der reine Proteingehalt. Denn Menge, Dehnungseigenschaften und Elastizität des Feuchtklebers bestimmen die Verarbeitungseigenschaften und die Backqualität des Mehles. „Ideal wäre es, von jeder Getreideanlieferung einen Backversuch durchzuführen. Da das jedoch nicht umsetzbar ist, bestimmen wir den für uns so wichtigen Feuchtklebergehalt“, meint Hagenah.

Die Verantwortlichen der Aurora Mühle Hamburg sind sich bewusst, dass die Forderung nach hochwertigen Partien die Getreideproduzenten vor Probleme stellen kann. „Die hohen Anforderungen unserer Mehlkunden müssen wir bereits beim Einkauf im Fokus haben und entsprechende Qualitätsparameter in unsere Getreidekontrakte aufnehmen“, räumt Sarah Stresow ein. „Dafür zahlen wir für Qualitäts- und Eliteweizen auch entsprechende Prämien.“ Die Mühle will zudem den Kontakt zur Praxis intensivieren, um gemeinsam Strategien zu erarbeiten und Anreize für den E-Weizen-Anbau zu schaffen. Aurora möchte auch weiterhin die Landwirte mit Sortenempfehlungen unterstützen.

Mittler zwischen Produzenten und Abnehmern
Die Getreideerzeugungs- und -absatzgesellschaft Cerealis ist für Aurora der ideale Partner, um diesem Ziel näher zu kommen. In dem Unternehmen haben sich als Erzeugergemeinschaft für Qualitätsweizen 1989 landwirtschaftliche Unternehmen zusammengeschlossen, um ihren Anbau von Qualitätsweizen auf die Bedürfnisse des Marktes auszurichten. Cerealis hat sich den Dialog auf Augenhöhe zwischen Mühle und Landwirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Das Unternehmen fungiert in dieser Konstellation als Mittler und organisiert die Logistik zwischen Produzenten und Abnehmern. Auch das Gespräch mit Verbrauchern spielte und spielt eine wichtige Rolle.
„Cerealis-Landwirte denken modern“, meint dazu Dierk Grothusen, Geschäftsführer bei Cerealis. „Sie produzieren nicht einfach nur Weizen, sondern verstehen sich zunehmend als Problemlöser für die Mühlen und das schon im Gründungsjahr, als allgemein noch die „Abliefermentalität“ vorherrschte. Denn nur sie haben es in der Hand, mit wohldurchdachten Anbaustrategien die gewünschten Qualitäten zu erzeugen.“

Genius
Genius
Die Erzeuger gehen davon aus, dass die Nachfrage nach einheitlichen und großen Partien E-Weizen steigen wird. Der einzelne Landwirt wird diese Nachfrage nicht erfüllen können. Cerealis sammelt deshalb in einer Datenbank Angebot und Nachfrage, organisiert die Vertragsabschlüsse und übernimmt die Logistik. Auch bei der Sortenberatung wird Cerealis aktiv. „Gerade beim E-Weizen ist es wichtig, dass die Sorte auch in die Region passt“, meint Grothusen, „anders sind Premiumqualitäten nicht zu erreichen. Hier haben wir einen guten Überblick und den direkten Draht zu den Züchtern.“ Intensive Kontakte gibt es auch zur Offizialberatung und zu Beratungsringen. Inzwischen steht Cerealis für mehr als 30.000 Hektar Anbaufläche und 45 Gesellschafter.

Problemlöser für die Mühlen
Einer der Landwirte, die für Cerealis Qualitäts-Weizen anbauen, ist Reiner Brennenstuhl. Er bewirtschaftet in der Uckermark einen Ackerbaubetrieb und ist passionierter Eliteweizen-Anbauer. Im Herbst 2009 hat er erstmals im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes mit der SAATEN-UNION, Cerealis und der Aurora Mühle Hamburg die Sorte Genius angebaut. Die Abnahme der 100-Tonnen-Ernte durch die Mühle war im Rahmen des Projektes abgesichert.

Gesät wurde Ende September. „Es ist wichtig, über die Saatstärke und die Herbstdüngung den Bestand so zu führen, dass er nicht zu viele Nebentriebe im Frühjahr bildet“, rät Brennenstuhl. Die erste und zweite Düngergabe mit insgesamt 140 bis 160 Kilogramm Stickstoff hat er deshalb zu einer Gabe in einem stabilisierten N-Dünger zusammengefasst. „Das macht Sinn“, so Brennenstuhl, „denn bei einer geringeren Andüngung müsste eine passgenaue Anschlussdüngung erfolgen. Das ist unter den häufig fehlenden Niederschlägen nicht immer sicher möglich.“ Zum „Ährenschwellen“ gab Brennenstuhl die dritte Gabe als Kalkamonsalpeter mit rund 100 Kilogramm Stickstoff je Hektar. „Diese Menge kann je nach Ertragserwartung und Zustand des Bestandes schwanken“, erläutert er.

Brennenstuhl und Göbel
Brennenstuhl und Göbel
Dazu erfolgte eine Blattdüngung mit Schwefel und als „Sahnehäubchen“ für die Qualität noch einmal Bor. Brennenstuhl weist darauf hin, dass man solch optimal versorgte Bestände auf jeden Fall mit Wachstumsreglern absichern muss. Ein hohes Qualitätsniveau ist mit Lagergetreide unmöglich zu erreichen. „Die Düngung ist für mich der Garant für Qualität“, meint Brennenstuhl. So konnte er im ersten Anbaujahr den geforderten Rohproteingehalt von 15 Prozent, einen Sedimentationswert von 60–70 und eine Fallzahl von mindestens 280 bei sehr guter Mehlausbeute problemlos erreichen.

Genius ist ein „Stickstofffresser“
Die von der Aurora Mühle Hamburg bestätigte exzellente Qualität ging dabei nicht zu Lasten des Ertrags. Im Gegenteil, Brennenstuhl konnte mit Genius sogar rund zehn Dezitonnen je Hektar mehr vom Acker holen als mit der parallel im Betrieb angebauten E-Weizensorte Akteur. „Genius hat zumindest im Anbaujahr 2009/2010 den Stickstoff wesentlich effizienter umgesetzt“, urteilt der Landwirt. Dies habe der Fachberater der SAATEN-UNION im Vorfeld bereits prognostiziert. Verantwortlich dafür könne die sehr ausgeprägte Wurzelleistung der Sorte sein. „Das war das erste Jahr, jetzt müssen wir die Ernte 2011 abwarten“, Brennenstuhl hält den Ball bewusst etwas flach. Insgeheim scheint ihn Genius doch stark beeindruckt zu haben, die Anbaufläche für diese Sorte hat er jedenfalls verdoppelt.

Friederike Krick


Genius lässt sich sehr qualitätsbetont führen und liefert hohe und sichere Erträge. Mit Genius kann ich eine Premiumqualität erzielen, die von den Mühlen besser honoriert wird.“
Reiner Brennenstuhl, Landwirt

Genius ist eine Sorte, die besonders gut nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg passt. Hier stimmen auch die Betriebsgrößen, über die die Getreideanbauer den Mühlen sortenreine Qualitäten in ausreichender Menge zur Verfügung stellen können.“
Dierk Grothusen, Cerealis

Genius ist eine echte Bereicherung des E-Weizen-Sortiments. Nach unseren bisherigen Prüfungen können wir diese Sorte ohne Einschränkung empfehlen.“
Hans-Heinrich Hagenah, Aurora Mühle

Stand: 12.05.2011