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Klimawandel – jetzt andere Saatzeiten?

Das Klima verändert sich nicht erst seit einigen Jahren – in den vergangenen hundert Jahren hat sich die Vegetationsperiode in Süddeutschland bereits um über zwei Wochen ausgedehnt. Zwar werden sich kurzfristig die regional geltenden Saatzeitempfehlungen aufgrund der erwarteten Zunahme der Klimaschwankungen sowohl bei Winter- als auch bei Sommergetreide nicht wesentlich ändern. Langfristig kann dies jedoch durchaus notwendig werden, um Krankheiten besser beherrschen zu können. Ulrike Nickl, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, erläutert mögliche Konsequenzen für die süddeutsche Landwirtschaft.

Abb. 1: Veränderung der Jahresmitteltemperatur zwischen den Jahren 1990 und 2006 in Neuherberg (Mittelfranken)
Abb. 1: Veränderung der Jahresmitteltemperatur zwischen den Jahren 1990 und 2006 in Neuherberg (Mittelfranken)
Die Jahresmitteltemperatur hat innerhalb der letzten 100 Jahre in Deutschland um durchschnittlich 0,8 °C zugenommen (s. Abb. 1). Nach neuesten Studien im Auftrag des Umweltbundesamts wird ein weiterer Anstieg der mittleren Temperatur von bis zu 3 °C bis zum Jahr 2100 erwartet, wobei mit einem stärkeren Anstieg der Winter- als der Sommertemperaturen zu rechnen ist. Die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge wird sich voraussichtlich wenig ändern, die Verteilung hingegen schon. Die Sommerniederschläge sollen bis ins Jahr 2100 im süddeutschen Raum im Durchschnitt um etwa 20 % zurückgehen, wohingegen die Winterniederschläge – mit stark regionalen Unterschieden – zunehmen werden.

Winterungen: Saatzeit Richtung Spätherbst
Wegen des erwarteten Temperaturanstiegs muss zukünftig davon ausgegangen werden, dass die ersten Herbstfröste im langjährigen Mittel später und die letzten Frühjahrsfröste früher auftreten als bisher. Auch ist bis zum Jahr 2100 mit einer Verlängerung der Vegetationsperiode um bis zu einigen Wochen zu rechnen. Aufgrund der immer später einsetzenden Vegetationsruhe im Herbst wird sich, bei gleichbleibendem Sortenverhalten, die optimale Saatzeit der Winterungen langsam aber stetig in Richtung Jahresende verlagern. Erfolgt diese Anpassung im Laufe der Jahre nicht, werden durch die verlängerte Vegetationszeit im Herbst alle Nachteile einer Frühsaat auftreten. Die zu erwartenden Folgen wären eine Zunahme von Schädlingen und Krankheiten wie Fritfliege, Schneeschimmel, Halmbruch und Virosen, sowie eine stärkere Herbstverunkrautung. Außerdem wäre bei Wintereintritt mit sehr dichten und weit entwickelten Beständen zu rechnen. Ein früher und vermehrter Befall von Blattkrankheiten, insbesondere Mehltau und ein erhöhtes Auswinterungsrisiko sind die Folgen.

Experten erwarten eine Zunahme der Klimavariabilität, d. h. eine Zunahme der Klimaunterschiede von Jahr zu Jahr. Eine Anpassung der Sorten und der Produktionstechnik an diese wechselnden Verhältnisse ist schwierig. Wegen der zunehmenden Klimaschwankungen sollte die Aussaat nahe am regional bewährten Saattermin, der sich mit der Zeit weiter Richtung Jahresende verlagern wird, erfolgen. Frühsaaten werden in Zukunft häufiger zu überwachsenen Beständen und zu Auswinterungsschäden führen.

Bildquelle: SAATEN-UNION
Bildquelle: SAATEN-UNION
Sommerungen profitieren
Innerhalb der letzten 100 Jahre hat sich der Vegetationsbeginn um ca. eine Woche nach vorne verschoben. Aufgrund dieses sich weiter fortsetzenden Trends wird die Saatzeit bei Sommergetreide allmählich vorverlegt werden. Die dadurch erzielte Verlängerung der Wachstumszeit wirkt sich in der Regel positiv auf die Erträge aus. Es ist jedoch davon auszugehen, dass durch die Temperaturerhöhung die Entwicklungsphasen des Getreides, wie z.B. die Kornfüllungsphase, verkürzt werden. Dies wiederum kann zu Ertragseinbußen führen (s. praxisnah 2/2007).

Bei einer vorhergesagten Abnahme der Sommerniederschläge kann durch eine stetige Vorverlegung der Sommersaat die Winterfeuchte besser ausgenutzt werden. Da deutschlandweit eine klare Zunahme der Winterniederschläge in den nächsten Jahrzehnten vorhergesagt wird, bleibt abzuwarten, ob die Bodenfeuchte in Zukunft eine frühere Saat erlaubt. Die bestehende Beratungsempfehlung, die Saat möglichst früh vorzunehmen, wenn der Boden abgetrocknet ist, behält somit auch weiterhin ihre Gültigkeit.

Abb. 2: Optimale Saatstärken für Winterweizen in Abhängigkeit von Saatzeit und Bodenbedingungen
Abb. 2: Optimale Saatstärken für Winterweizen in Abhängigkeit von Saatzeit und Bodenbedingungen
Durch den Anstieg der Jahresmitteltemperatur und der Abnahme der Sommerniederschläge wird sich das Krankheitsspektrum im Getreidebereich ändern. Es wird erwartet, dass wärmeliebende tierische Schädlinge wie Getreidehähnchen, Zikaden und Blattläuse und Getreideviren, die durch wärmeliebende Insekten übertragen werden, künftig zunehmen. Auch Pilzkrankheiten wie die Roste, denen kurze Feucht- oder Tauphasen zur Ausbreitung reichen, werden vermehrt auftreten. Witterungsbedingte Schäden durch hohe Sonneneinstrahlung und Trockenheit nehmen ebenfalls zu. Dagegen werden Schnecken und alle Schädlinge und Krankheiten, die auf Niederschläge und längere Feuchtphasen angewiesen sind (Septoria- Blattdürre, Rhynchosporium – Blattflecken) an Bedeutung verlieren.

Die Landwirtschaft muss sich jetzt mit dem Klimawandel auseinandersetzen, denn dieser wird weiter fortschreiten. Selbst bei einem sofortigen Stopp der klimawirksamen Emissionen würde der Klimawandel noch einige Jahrhunderte weiter voranschreiten.

Ulrike Nickl

Stand: 01.07.2007