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Fungizideinsatz reduzieren und Resistenzbildung vermeiden

In vielen Anbaugebieten wird zur Ausschaltung der Krankheitserreger die Mehrfachanwendung von Fungiziden mit zum Teil stark reduzierten Aufwandmengen favorisiert. Diese Strategie fördert jedoch die Resistenzentwicklungen und gefährdet so die Wirksamkeit der wichtigsten Wirkstoffgruppen. Wie das verhindert werden kann, erläutert Dr. Rolf Balgheim vom Pflanzenschutzdienst Gießen.

Bildquelle: Rolf Balgheim
Bildquelle: Rolf Balgheim
Resistenzvermeidungs-Strategie
Die Entwicklung von Krankheiten in einem Bestand wird maßgeblich von den betriebsspezifischen Parametern Sorte, Aussaattermin, Bodenbearbeitung und Fruchtfolge geprägt. Bodenbearbeitung und Fruchtfolge bieten kaum praktikable Handlungsspielräume. Von herausragender Bedeutung ist allerdings die Sortenwahl. Besonders bei Mehltau aber auch bei Blattseptoria und Ährenfusarium zeigt sich über die Jahre hinweg eine kontinuierliche züchterische Verbesserung der Widerstandsfähigkeit, die es im Rahmen einer Resistenzvermeidungsstrategie verstärkt zu nutzen gilt. Mit widerstandsfähigen Sorten wird dem Landwirt ein sehr wirksames Instrument zur Reduzierung des Ausgangsbefalls zur Verfügung gestellt; leider wird dieser Aspekt in der Beratung und in der Praxis noch zu wenig berücksichtigt. Weniger bis gering anfällige Sorten führen durch einen deutlich verzögert einsetzenden Befallsverlauf zu einem späteren Beginn der Behandlungsfolge (sehr oft reicht dann auch eine Behandlung), damit zu einer geringeren Behandlungsfrequenz und so indirekt zu einer „Entlastung“ der gefährdeten Fungizide.

Übersicht 1: Fungizidkostenfreie Leistung (€/ha) unterschiedlicher Fungizidbehandlungen in Abhängigkeit einer anfälligen (Ritmo) und gesünderen Sorte (TOMMI)
Übersicht 1: Fungizidkostenfreie Leistung (€/ha) unterschiedlicher Fungizidbehandlungen in Abhängigkeit einer anfälligen (Ritmo) und gesünderen Sorte (TOMMI)
Ein komplementäres System schont Wirkstoffe
Fungizide aus der Wirkstoffgruppe der Strobilurine sind bundesweit kaum noch zur Bekämpfung der Blattseptoria geeignet. Bei den Azolen, die derzeit wichtigste Fungizidgruppe, zeichnet sich eine gewisse Gefährdung ab – und neue Wirkstoffe sind auch mittelfristig nicht zu erwarten. In Anbetracht der kritischen Lage bei den wichtigen Fungizidgruppen ist es notwendig, die vorhandenen Fungizide (speziell die Gruppe der Azole) mit robusten Fungizid-Aufwandmengen und einer niedrigen Behandlungsfrequenzen zu „schonen“. Optimal ist ein komplementäres System aus einer möglichst widerstandsfähigen Sorte und einem einmaligen Fungizideinsatz. Hierzu wurden im hessischen Beratungsgebiet in den Jahren 2005 und 2006 Versuche angelegt (Übersicht 1). In diesen Versuchen wurde Ritmo stellvertretend für anfällige Sorten, Tommi stellvertretend für gesündere Sorten gewählt. Das Versuchsprogramm läuft zurzeit noch, die Auswertung für die Jahre 2005 und 2006 wurde zusammengefasst, insgesamt sind 15 Standortergebnisse in die Auswertung eingeflossen.

Verglichen wurden drei Behandlungsstufen, wobei sich die beiden Doppelbehandlungen hinsichtlich des Beginns der Spritzfolge unterscheiden. Die Gesundvariante mit hohen Aufwandmengen entspricht keiner Praxis, sie dient aber als Maßstab für die Ertragsentwicklung, wenn alle Krankheiten ausgeschaltet werden. Bei Versuchsglied 5 wurde bewusst der Krankheitsbefall bis zum BBCH 39 toleriert, um auch im Rahmen einer Doppelbehandlung Fusarium erfassen zu können. Erfahrungsgemäß muss bei frühen Einsätzen an BBCH 30/32 in diesen Fällen mit Dreifachbehandlungen gerechnet werden. Die Versuchsglieder 3 und 5 sind bei beiden Sorten ertraglich gleich. Die monetären Unterschiede bei den beiden Doppelanwendungen ergeben sich deshalb nicht aus der Ertragsleistung sondern daraus, dass Versuchsglied 5 etwas höhere Kosten verursacht, allerdings mit Erfassung der Fusariumproblematik! Vorherrschende Krankheit war an allen Standorten Blattseptoria, wobei die Sorte Ritmo einen deutlich früheren Befall aufwies als Tommi.

Übersicht 2: Hinweise zum wirtschaftlichen Fungizideinsatz in Winterweizen unter Beachtung der Resistenzvermeidung durch Anpassung der Behandlungsfrequenz
Übersicht 2: Hinweise zum wirtschaftlichen Fungizideinsatz in Winterweizen unter Beachtung der Resistenzvermeidung durch Anpassung der Behandlungsfrequenz
Gesunde Sorten sind wirtschaftlicher
Bei der gesünderen Sorte Tommi war der Fungizideinsatz in keinem der beiden Versuchsjahre von wirtschaftlichem Erfolg geprägt. Je intensiver die Maßnahmen, desto höher der wirtschaftliche Verlust: Die erzielten Mehrerträge wurden durch die Kosten der Behandlungen mehr als kompensiert. Bei der anfälligeren Sorte Ritmo waren alle Behandlungsstufen wirtschaftlich, wobei die Einfachanwendung unter den Gegebenheiten der Versuchsjahre einen leichten Vorteil aufweisen konnte. Im direkten Vergleich der Sorten untereinander zeigte sich ein deutlicher Vorteil zugunsten der widerstandsfähigeren Sorte Tommi: Der Erlös aus „Tommi unbehandelt“ schlug alle Behandlungsstufen der Ritmo-Versuchsreihe! Die dargestellten Versuchsergebnisse werden durch Ergebnisse aus nunmehr 8-jährigen Versuchen der hessischen Offizialberatung untermauert.

Die Konsequenzen sind eindeutig
Zur Vermeidung einer weiteren möglichen Resistenzfortschreitung ist es notwendig, den Einsatz der Fungizide auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Unter den hiesigen Bedingungen bedeutet dies, widerstandsfähige Sorten noch stärker als bisher in den Anbau einzubeziehen. Wenig anfällige Sorten, speziell beim Blattseptoria-Komplex, benötigen keine Fungizideinsätze vor den dem BBCH-Stadium 39. Der Vorteil dieses relativ späten Ersteinsatzes liegt darin, dass bei robusten Aufwandmengen der Zeitraum bis zu einer Fusarium-Behandlung ab den BBCH-Stadien 60/65 (Maisvorfrucht!) überbrückt werden kann. Ist dieses Problem auf Grund der betriebsspezifischen Fruchtfolge und Bodenbearbeitung nicht gegeben, erübrigt sich ein weiterer Fungizideinsatz. Hierzu liegen mehrjährige Versuchsergebnisse vor, die in die Beratung einfließen (s. Übersicht 2).

Dr. Rolf Balgheim

Stand: 01.07.2007