Krankheitsrisiko steigt
Bessere Fungizide, der aus Norddeutschland vordringende Trend „Weizen vor Gerste“ und positive eigene Versuchsergebnisse führten dann im Verlaufe der 90er Jahre allgemein zu einer deutlichen Vorverlegung der Aussaat. In der Beratung galt die Spanne 25. September bis 10. Oktober lange Zeit als optimal. Auch heute wird vor noch früheren Saatterminen nach wie vor gewarnt. Dabei ist es weniger die Gefahr des Überwachsens und der Auswinterung, welche die Frühsaaten bedroht, sondern das stärkere Befallsrisiko durch Krankheiten und Schädlinge. Stärkerer Befall wurde in den unbehandelten Varianten spezieller Saatzeitversuche eindeutig nachgewiesen. Es gibt aber auch Ergebnisse, bei denen mit einer „normalen“ Fungizidbehandlung am Ende die Frühsaaten doch die höheren Erträge brachten. Was bleibt, sind Fußkrankheiten, Virosen und verschiedene Schädlinge, die nicht selten zusätzliche Aufwendungen verlangen. Hier muss die Gefahr vor Ort eingeschätzt und die möglichen Zusatzkosten für Spezialbeize, Virusvektorenbekämpfung und zusätzliche Fungizidbehandlung gegen den Ertragsvorteil der Frühsaat aufgerechnet werden.
Frühsaaten Winterweizen nur für Könner
Wenn das Risiko kalkulierbar scheint, sollte die Frühsaat nicht gescheut werden. Das zeigen auch die Ergebnisse vom Standort Bernburg (Schwarzerde, 470 mm mittlerer Jahresniederschlag) am Südrand der Magdeburger Börde (Abb. 1). In drei von vier Versuchsjahren wurden im Mittel von drei Sorten 8-10 dt/ha Winterweizen mehr geerntet, wenn Mitte September statt Anfang Oktober gedrillt wurde. Das Saatgut der Frühsaat wurde gegen Virusvektoren zusätzlich mit einem Insektizid gebeizt, und im Frühjahr erfolgte komplett eine zweimalige Fungizidbehandlung. Weitere Zusatzbehandlungen waren nicht notwendig, Schwarzbeinigkeit oder Halmbruch spielten keine Rolle.
Gerste später, Roggen früher säen
Anders dagegen die Wintergerste am gleichen Standort (Abb. 2). In allen Jahren brachte die etwas spätere Aussaat Anfang Oktober höhere Erträge als der Saattermin Mitte September. Die vier geprüften Sorten reagierten gleich. Virusbefall wurde durch vorbeugende Maßnahmen verhindert, doch die Frühsaatbestände waren meistens schon im Herbst stärker mit Blattkrankheiten befallen als die später gesäten. Zweimal Fungizid im Frühjahr konnte den Ertragsabfall nicht verhindern. Ebenso reagierten am gleichen Standort der Winterroggen und (mit Abstrichen) Wintertriticale. Die Aussaat Anfang Oktober war immer bzw. fast immer besser als die Mitte September. Wiederum eine andere Reaktion zeigte der Winterroggen auf dem leichten Standort Gadegast im Fläming mit Ackerzahlen von 30-40 (Abb. 3). Sehr deutlich war hier die Ertragsüberlegenheit der frühen Saat Mitte September, die auch durch Ergebnisse anderer Versuchsansteller an leichten Standorten bestätigt wird.
Fazit:
- Frühsaat des Winterweizens Mitte September auf den besseren Standorten der ostdeutschen Trockengebiete kann von Vorteil sein, wenn die Risiken (vor allem stärkerer Befallsdruck durch Virosen und Pilzkrankheiten) beherrscht werden. Das scheint bei Wintergerste, Winterroggen und Wintertriticale eher nicht der Fall zu sein. Hier ist die Aussaat gegen Ende September sicherer.
- Die genannten Risiken und die Kosten ihrer Minimierung müssen standortspezifisch bewertet werden. Allgemeingültige Empfehlungen sind nicht möglich.
- Auf den schwächeren Standorten sollte unbedingt früh gesät werden. Die Aussaat des Roggens Mitte September zeigte hier deutliche Vorteile gegenüber Ende September. Lager muss verhindert werden.
- Bei Winterweizen reagieren verschiedene Sorten auf Früh- und Spätsaat teilweise unterschiedlich. Die Wechselwirkung mit der Saatstärke dagegen sollte nicht überbewertet werden. Oft lässt sie sich gar nicht nachweisen. Normale Saatstärken (um 300 keimfähige Körner/m2) sind auch bei Frühsaaten ertragssicherer. Bei Hybridsorten muss die Saatstärke aus Kostengründen jedoch auf 100-200 Körner/m2 abgesenkt werden.
Dr. Lothar Boese