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Anbautechnik und Sortenwahl bei Winterweizen

„Züchterischer Fortschritt muss die Erfordernisse der pflanzenbaulichen Praxis erfüllen“, davon ist Weizenzüchter Dr. Ralf Schachschneider überzeugt. Hohe, sichere Ertragsleistungen einer Sorte sind als Zuchtziele schon lange nicht mehr ausreichend. Denn auch die anbautechnischen Ansprüche an das Betriebsmittel SORTE steigen aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen heraus stetig und stellen die Züchter vor immer neue Herausforderungen.

Die Anforderungen aus der Praxis an das Betriebsmittel
Die Anforderungen aus der Praxis an das Betriebsmittel
Sortenwahl ist eine komplexe Entscheidung, bei der letztlich die „Gesamtheit der zahlreichen wertbestimmenden Eigenschaften“ zu beachten ist. In der Praxis stehen allerdings einige wichtige Sorteneigenschaften klar im Vordergrund:

  1. Hoher/maximaler Kornertrag als erste Voraussetzung für Wirtschaftlichkeit
  2. Qualitätseigenschaften, die eine lohnende Vermarktung ermöglichen
  3. Eignung für unterschiedliche Saatzeiten und Saatstärken
  4. Breite stabile Feldresistenzen für einen kostensparenden Fungizideinsatz
  5. Reifezeit zwecks früherer Druschtermine und längerer Mähdreschernutzung
  6. Eignung für bestimmte Fruchtfolgen (z.B. Stoppel- oder Rübenweizen)
  7. Geringe Lagerneigung bei angepasstem Einsatz von Wachstumsreglern
  8. Gute Druscheignung, um eine hohe Mähdrescherleistung zu sichern
  9. Reduzierte Strohmengen, die den Aufwand bei der Stoppelbearbeitung und bei der nicht-wendenden Bodenbearbeitung vermindern.

Die Bedeutung einiger dieser Sorteneigenschaften zeigt sich in den Vermehrungsflächen der jeweiligen Sorten-Gruppe, die über die entsprechenden Eigenschaften laut Bundessortenliste 2005 verfügen.

Trotz Wachstumsregler: Lageranfällige Weizensorten sind
Trotz Wachstumsregler: Lageranfällige Weizensorten sind
Qualitätsweizen auf dem Vormarsch
Von 2003 bis 2005 wurde auf 178.184ha Winterweizen-Z-Saatgut produziert (=100%).

Mit einem besonders hohen Anteil an dieser Fläche von 42% dominiert der Qualitätsweizen (Tab.1a), da hier außerordentliche züchterische Fortschritte gemacht wurden. Qualitätsweizen lässt sich heute zugleich auf dem höchstem Niveau von Ertrag, Resistenz und agronomischen Eigenschaften produzieren. Der Gegensatz von Qualität und anderen Sorteneigenschaften ist „praktisch“ aufgehoben und A-Weizen übertreffen oft auch in weiteren Eigenschaften die Sorten aus den „niedrigeren“ Qualitätsgruppen.

Tab. 1: Anteil von Sorten an der Vermehrungsfläche
Tab. 1: Anteil von Sorten an der Vermehrungsfläche
Gesundheit und Standfestigkeit sind wichtige Kriterien
Kürzere Pflanzen führen nicht automatisch zu geringerem Lager, besserer Druscheignung und zu weniger Stroh, trotzdem werden sie häufig in der Praxis bevorzugt. So haben die kurzen bis mittelkurzen Sorten bereits einen Vermehrungsanteil von 51% (Tab.1b), nur noch auf 21% der Vermehrungsflächen stehen längerwüchsige Sorten.

Tab. 1c zeigt, dass Sorten mit sehr geringer bis geringer Anfälligkeit für Lager bevorzugt werden (40%), obwohl das Auftreten von Lager durch Behandlung mit Wachstumsreglern erheblich reduziert werden kann. Sorten mit bis zu mittlerer Anfälligkeit erreichen daher 92% der Vermehrungsfläche, die stärker anfälligen nur noch 7%.

Die „Anfälligkeit für Blattkrankheiten“ kann übersichtlich als Mittel der Ausprägungsstufen (nachfolgend APS) für Blattkrankheiten dargestellt werden (Tab.1d). Gesunde Sorten mit sehr geringer bis mittlerer Anfälligkeit erreichen einen Anteil von 56% der Vermehrungsfläche. Sorten mit stärkeren Mängeln bei Blattkrankheiten nur noch bei 11%.

Bildquelle: Sven Böse
Bildquelle: Sven Böse
Sorten mit geringer Anfälligkeit für Ährenfusarium sollen vor allem das Risiko für Mykotoxinbelastungen des Erntegutes mindern. Ob jedoch das Erntegut von einem konkreten Feldbestand überhaupt kritische Mykotoxinwerte erreicht, hängt vom Zusammenwirken der Faktoren Witterung, Standort und Sorte ab. In der neuen Sortengeneration ist die oft negative Beziehung zwischen Fusariumresistenz und weiteren wichtigen Leistungseigenschaften weitgehend überwunden worden. Aufgrund dieses Züchtungsfortschrittes konnten Sorten mit sehr geringer bis mittlerer Anfälligkeit ihren Flächenanteil auf 92% ausbauen (Tab.1e).

Tab. 2: %-Kornertrag und Ausprägungsstufen
Tab. 2: %-Kornertrag und Ausprägungsstufen
Ohne Kornertrag geht gar nichts

Keine von den 117 Sorten, die in der BSL 2005 aufgeführt sind, erreicht in allen Merkmalen beste Ausprägungsstufen. Sortenwahl erfordert daher stets eine „Optimierung“ von Eigenschaften. Trifft man seine Auswahl aufgrund einer guten Bewertung in den oben diskutierten Eigenschaften, so können nur äußerst wenige Sorten diese hohen Anforderungen erfüllen.

Zieht man jetzt noch weitere Vorzügen ins Kalkül, z.B. Rohproteingehalt, Ährengesundheit/Spelzenbräune und Kornertrag, wird klar, warum die Sorte TOMMI in den letzten Jahren eine derart starke Verbreitung in der Praxis erreichte.

Bildquelle: SAATEN-UNION
Bildquelle: SAATEN-UNION
Wie eingangs erwähnt, ist der Kornertrag das entscheidende Kriterium der Sortenwahl. Zwischen den in den Wertprüfungen angebauten Sorten sind direkte Vergleiche bezüglich des Kornertrages möglich. Dabei fällt wiederum die Sorte TOMMI (A) auf, die nur von der Sorte Hermann (C) in der extensiven Stufe übertroffen wird (Tab.2). Obwohl die amtlichen Einstufungen des Kornertrages dies nicht immer erwarten lassen, liegt TOMMI (A) nicht nur klar vor den älteren Sorten BATIS (A), DRIFTER (B), BUSSARD (E) und CERTO (C), sondern auch vor den neuen Sorten BUTEO (B) und TÜRKIS (A).

Abb. 1: Sorte TOMMI
Abb. 1: Sorte TOMMI
Durchbruch bei Frühreife und Ertrag
Neben dem Kornertrag und den bereits diskutierten Eigenschaften sollten weitere Sortenmerkmale in möglichst „optimaler Kombination“ angestrebt werden.

So ist die Reaktion einer Sorte auf die Saatstärke nicht nur für den Aufwand an Saatgut, sondern vor allem für die Ertragsstabilität (-> Kompensationsvermögen) von Bedeutung.

Dazu wurden mit der Sorte TOMMI Versuche in extremer Dünnsaat durchgeführt, die einerseits die Notwendigkeit einer hinreichenden Saatstärke zeigten und andererseits das sehr hohe Kompensationsvermögen der Sorte unter Beweis stellten (Abb. 1).

Abb. 2: Reifezeit und Ährenschieben ausgewählter Winterweizensorten
Abb. 2: Reifezeit und Ährenschieben ausgewählter Winterweizensorten
Mit „frühen“ Sorten lässt sich sowohl eine längere Kornfüllungsperiode als auch eine bessere Mähdreschernutzung erreichen. Aufgrund zahlreicher negativer Korrelationen zwischen Frühreife und Ertragsparametern findet man nur wenige frühe Sorten in der Beschreibenden Sortenliste. Unter Praxisbedingungen allerdings sind die Unterschiede oft deutlicher als die in der BSL beschriebenen. Aktuell sind bei den A-Sorten Schamane, ALITIS sowie vor allem Cubus, bei den B-Sorten MULAN, Buteo und Dekan als „früh“ zu bezeichnen. Mit dem neu zugelassenen Brotweizen MULAN wurden vor allem in den Merkmalen Winterfestigkeit, Braunrost und Kornertrag weitere Verbesserungen erreicht. Die Sorte erreichte außerdem sehr hohe Kornerträge in allen amtlichen Prüfungen in Mittel- und Nordeuropa. Diese Ergebnisse beweisen die große ökologische Streubreite der Sorte MULAN, welche bei Weizen eher selten anzutreffen ist
(Abb. 2).

Fazit
Sortenwahl erfordert stets eine „Optimierung“ von Eigenschaften. Dabei spielen wirtschaftliche Kriterien und die Anbautechnik eine wichtige Rolle. Erfolg einer Sorte im Markt ist nur möglich, wenn ihr züchterischer Fortschritt die Erfordernisse der pflanzenbaulichen Praxis erfüllen kann.

Dr. Ralf Schachschneider

Stand: 01.04.2006