Gibt es spezielle Zuchtprogramme für den Klimawandel?
Es ist jetzt eindeutig mit einer mittel- bis langfristigen Klimaveränderung zu rechnen! Besonders nachdenklich stimmt mich dabei der prognostizierte kurzzeitige Wechsel zwischen Extremen, z. B. Trockenphasen und Starkregenereignissen, die in ihrer Wirkung auf die Pflanzen vollkommen konträr sind. Wir dürfen auf keinen Fall davon ausgehen, dass wir keinen Winter mehr bekommen – wir rechnen zukünftig mit extremen und kurzfristigen Temperaturschwankungen im Winter.
Auf eine mittel- bis langfristige Temperaturveränderung reagieren wir Züchter automatisch in unseren Selektionen in den Zuchtgärten. Wichtig ist, dass die Selektionsstandorte diese Veränderungen auch tatsächlich repräsentieren, man also eine ausreichende Zahl an Trockenstandorten zur Verfügung hat.
Brauchen wir jetzt ganz neue Sortentypen?
Wir kennen bestimmte Phänomene der sortenspezifischen Trockentoleranz, die wir sogar äußerlich den Pflanzen ansehen: Das Blattrollen zur Reduktion der Verdunstung zum Beispiel ist eine aktive Antwort auf Trockenstress. Es gibt auch etliche Sortenunterschiede, die wir nicht direkt sehen, aber doch einfach über den gebildeten Ertrag nachvollziehen können. Die Effektivität des pflanzeneigenen Wasserhaushaltes kann über verschiedene Faktoren – z.B. Saugspannung der Wurzel oder die Spaltöffnungen in den Blättern – reguliert werden.
Das über Jahre erreichte Ertragsniveau bzw. die Ertragsstabilität unter Trockenbedingungen wird ein wichtiges Argument für die zukünftige Sortenwahl sein. Der Sortentyp alleine lässt hier keine Rückschlüsse zu.
Als Weizenzüchter will ich frühreife Sorten entwickeln, denn damit könnte die Winterfeuchte bei Weizen deutlich besser genutzt werden und durch solch einen „Escape*-Effekt“ könnte Trockenstress in späteren Entwicklungsperioden vorgesorgt werden. Die Frühreife bei den derzeitigen Sorten ist noch lange nicht züchterisch ausgespielt und die Variabilität im weltweiten Genpool bei Weizen ist hier enorm groß.
Es muss in jedem Fall noch erforscht werden, welche genetischen Möglichkeiten es gibt, Trockenstress zu kompensieren.
Wie kann man denn Ertragsrückgänge aufgrund durch Trockenheit und Hitze vermeiden?
Klimabedingte Ertragsschwankungen werden deutlich zunehmen. Pflanzen müssen daher zukünftig Perioden mit extremem Wassermangel gut überstehen können und die Optimierung der Produktionstechnik wird eine große Rolle spielen: Aussaatzeitpunkt, sortenspezifische Bestandesdichte, Bestandesführung inklusive Fungizide und Wachstumsregler. Den negativen Ertragseinfluss der Wachstumsregler bei Trockenheit berücksichtigen wir heute viel zu wenig! Die Höhe des Wachstumsreglereinsatzes hängt direkt von der Menge an verfügbarem Wasser und den Außentemperaturen ab: Grundsätzlich wird hier zukünftig „weniger“ „mehr“ bedeuten.
Wir werden die Aggressivität der Pflanzenschutzmittel auf der Blattoberfläche neu beurteilen müssen. Auf vielen Prüfstandorten konnten wir in der Vergangenheit selbst in Jahren mit erhöhtem Krankheitsdruck immer wieder feststellen, dass die behandelten Parzellen ertraglich unter oder nur knapp über den unbehandelten Parzellen lagen. Dies kann nicht nur auf die Wirkung der Wachstumsregulatoren zurückgeführt werden.
Ebenso wichtig wird die Einstellung einer sortenspezifisch optimalen Bestandesdichte. Sortenspezifische Eigenheiten werden eine immer größere Rolle spielen. Information darüber müssen vom Züchter an die Landwirte weitergegeben werden.
Auch vor langen Regenphasen im Hoch- und Spätsommer wird gewarnt.
Es ist genau dieser Wechsel von extremen Wetterereignissen, der mir als Züchter sehr zu denken gibt. Denn wir wissen, dass trockene und heiße Phasen vor der Reife die Fallzahlhöhe bzw. der Auswuchsfestigkeit reduzieren. Daher werden wirklich fallzahlstabile Sorten wie Skagen und Torrild an Bedeutung gewinnen. Im übrigen war ich immer der Meinung, dass die Auswuchsfestigkeit nicht nur ein qualitätsbestimmendes Merkmal sondern sogar ein ertragssicherndes Merkmal ist – in allen Qualitätsklassen!
Milde und feuchte Winter wie der letzte werden vermutlich auch häufiger werden – der Krankheitsdruck im Frühjahr war teilweise enorm ...
Ich möchte davor warnen, das wir zukünftig keinen Winter mehr haben werden und auf Winterhärte verzichten können! Vielleicht werden die Anforderungen an die Sorten sogar steigen, weil die Temperaturschwankungen im Winter sehr viel extremer ausfallen werden.
Vermutlich nehmen die Krankheiten zu, die ihren Ausgangspunkt im Herbst nehmen und nach einem milden Winter sehr früh losschlagen. Septoria tritici, Mehltau, Gelbrost und die Fußkrankheiten insgesamt werden wieder mehr an Bedeutung gewinnen. Aber auch wärmeliebende Krankheiten wie DTR und Braunrost werden gefördert. Die meisten Erreger benötigen für ihre Verbreitung aber Feuchtigkeit. Längere Trockenphasen können daher auch einen insgesamt höheren Ausgangsbefall in seiner weiteren Entwicklung dramatisch reduzieren oder sogar komplett verhindern.
Die Resistenzausstattung unserer heutigen Sorten ist exzellent und wir arbeiten sehr intensiv daran, diese weiter zu verbessern. Die sehr gute Toleranz gegen Blattseptoria der Sorte Skagen oder die allgemein erzielten Verbesserungen gegen DTR sind sehr gute Beispiele hierfür.
Neue Resistenzen aus Wildemme
W. von Borries-Eckendorf macht sich neue Resistenzquellen aus Wildweizen nutzbar. In sehr aufwendigen Rückkreuzungsprogrammen mit Wildtypen (z.B. Wildemmer) wird resistentes Material gegen Blattseptoria, Mehltau und Braunrost eingekreuzt. Das ist eine Sonderstellung in der europäischen Sortenszene: Entdeckte Resistenzen werden ausschließlich für die eigene Sortenentwicklung genutzt. Die Dauerhaftigkeit dieser nicht öffentlich angebotenen Resistenzen ist damit wesentlich größer. Da nachteilige Effekte der Wildelter ausgeschlossen werden konnten, sind diese neu entwickelten, sehr individuellen Sorten für den Landwirt sehr interessant.