Erfahrene Praktiker wissen, welch deutliche Unterschiede in der Futteraufnahme sichtbar wurden. Doch die Gelegenheiten, bei denen zwei Silos mit unterschiedlichen Sorten gleichzeitig bei Tieren des gleichen Stalls zum Einsatz kommen, gibt es nicht mehr. Also rätselt der Mensch darüber, was Kuh oder Mastbulle in der Ration gerne hätten: Man beurteilt Kolben, Wuchshöhe sowie Sortenversuchsergebnisse und befragt den Hammeltest.
Immer weniger Kühe geben sich immer mehr Mühe
Wie sehr hat sich doch die „Maiskundschaft“ verändert! Die Abb. 1 macht es sichtbar: Seit 1994, als es noch 5,3 Millionen Milchkühe gab, hat sich ihre Anzahl etwa um ein Viertel verringert, die Milchleistung pro Kuh hat das aber mehr als ausgeglichen. Im Ergebnis bleibt die Gesamt-Milchproduktion in diesem Zeitraum stabil. Für diese Leistung braucht die Kuh von heute vor allem eines: Mehr und höherwertigeres Futter.
Immer mehr Mais muss durch die Kuh
Interessant ist, die Entwicklung des Angebots beim Futtermais zu betrachten und sie gegen diese Verschiebungen auf der Seite der Nachfrager/innen zu stellen. Die Anbaufläche für Futtermais hat sich seit 1994 keineswegs verringert, sondern hat sogar um 1 % zugenommen. Schon ohne Berücksichtigung der seitdem deutlich zurückgegangenen Bullenmast wird klar: Immer mehr Silomais muss in und durch die Kuh, damit sie ihre enormen Leistungen vollbringen kann.
Nun kann man eine Kuh aber nicht ungestraft „zur Sau“ machen, indem man ihr nur leicht verfügbare Energie wie z. B. Stärke vorsetzt. Sie ist eben ein Wiederkäuer, also ein Spezialist für die Erschließung derjenigen Energie, die in Form von Fasern gebunden ist. Denn nicht nur die klassischen biologischen Energiespeicherformen Zucker, Stärke, Fett und Protein baut die Pflanze mit Hilfe der Sonnenenergie in ihrem Körper auf, sondern eben auch den Körper selbst. Eine Kuh verträgt nicht mehr als 20 bis 25 % Stärkeanteil in der TM ihres Futters. Allenfalls mit etwas Durchflussstärke kann man diese Grenze etwas weiter fassen, die praxisnah hat dieses Thema bereits in früheren Ausgaben intensiv besprochen.
Auch Biogasanlagen legen Wert auf Verdaulichkeit
An eine ganz ähnliche Grenze scheinen wir bei der Biogasproduktion zu stoßen. Auch hier spielt der Mais mit 207.000 ha von geschätzten 400.000 bis 500.000 ha Anbaufläche für Biogaskulturen von den TM-Anteilen in den Fermenterrationen die dominierende Rolle. Die Betonkuh ist aber eben keine richtige Kuh, denn sie hat nur einen einzigen Magen. Das macht sie aber noch lange nicht zur „Betonsau“: Die Verweildauer des Substrats im Fermenter von geschätzten 50 Tagen ähnelt vielmehr einer „Beton-Riesenschlange“, die jeden Tag ein Kanninchen frisst – und erst nach 50 Tagen kommen ein bisschen Fell und Knochen als unverdaulicher Rest aus dem Verdauungsprozess heraus.
Der Kreis zur Kuh von heute scheint sich erst wieder zu schließen, wenn man sich die Entwicklung bei der Qualitätsbewertung von Biogasmais ansieht. Eder (2006) findet nach umfangreichen Untersuchungen und Vergasungstests im so genannten Batchverfahren (Laborverfahren mit nur einmaliger Beschickung), dass unter den klassischen Qualitätsparametern für die Wiederkäuerfütterung die Maßstäbe für Verdaulichkeit die beste Beziehung zur Methanausbeute aufweisen. Sie liegen dabei eindeutig besser als die Stärke, die ja als leicht verdauliches Kohlenhydrat die Gesamtverdaulichkeit maßgeblich anhebt. Auch hier zeichnet sich deshalb eine Bedeutung der Energie aus der Restpflanze ab, eng verknüpft mit dem Begriff der Zellwandverdaulichkeit.
Verdaulichkeit: (Noch) keine Marktnachfrage
Die Frage ist berechtigt, ob unsere deutschen Sortenzulassungen diesen Notwendigkeiten ausreichend Rechnung tragen. Ein Blick auf die Trends, die sich automatisch aus den Mittelwerten der Wertprüfungsergebnisse der jährlichen Sortenzulassungen ergeben, zeigt zunächst eine gute Nachricht: Die Erträge steigen, trotz des Klimawandels, im Mittel aller jeweils neu zugelassenen Sorten langsam, aber sicher, an (s. Abb. 2). Dann die schlechte Nachricht: In der Verdaulichkeit, bei uns nach der Cellulasemethode mit dem Wert ELOS beurteilt, herrscht Stillstand (s. Abb. 3). Und zwar nicht nur beim Durchschnitt, sondern bedauerlicher Weise auch und gerade bei den besten 20 % der Neuzulassungen.
Schuld daran, das muss man fairer Weise gleich anfügen, ist nicht das Bundessortenamt, sondern durchaus die Züchter, die das gegenwärtige System ja eingefordert haben. Aber auch sie sind letztlich nur Getriebene eines Marktes, der nach wie vor auf die „größten Kartoffeln“ fixiert ist. Es ist mehr als bedauerlich, dass eine dringend erforderliche „Avantgarde“ an hoch verdaulichen Sorten bei diesem Spiel auf der Strecke bleibt. Mehr noch: dass ein Merkmal wie die Zellwandverdaulichkeit überhaupt nicht ermittelt wird.
Stärke- versus Zellwandtypen
Welche Fraktionen der pflanzlichen Inhaltsstoffe sind der Zellwand zuzuordnen? Es sind insbesondere die Hemicellulosen, die Cellulose und das Lignin. Die Züchtung der SAATEN-UNION arbeitet intensiv an konsequent auf die Bedürfnisse des intensiven Silomaiseinsatzes zugeschnittenen Sorten, die den leichter verdaulichen Teil der Zellwand betonen. Dieser Anteil lässt sich auch mit dem Begriff der dNDF (NDF abzüglich ADF) umschreiben. Da nur die niederländische Sortenzulassung solche Daten systematisch erfasst und bewertet, kommen diese Sorten wie der aktuelle BREDERO (ca. S230 ca. K230) aus dem dortigen Prüfungssystem. Auch in Deutschland sind sie voll anbauwürdig. Selbstverständlich müssen auch diese Sorten sowohl beim Ertrag als auch bei den agronomischen Merkmalen wie der Standfestigkeit konkurrenzfähig sein.
Ein solcher Sortentyp erreicht oft in der Verdaulichkeit der Gesamtpflanze den gleichen Wert wie der gewohnte stärkebetonte Sortentyp. Letzterer kommt vom Körnermais her und betont sowohl die Stärke als auch die stabilisierende Struktur.
Es wäre deshalb falsch, einen geringeren Stärkegehalt bei Sorten gleicher Gesamtverdaulichkeit als Nachteil zu interpretieren. In Wahrheit ist es Ausdruck einer spezifischen Anpassung an stark maisbetonte Futterrationen, die es in der Praxis zu nutzen gilt.
Dr. Andreas Groß