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Weniger Sorten sind mehr!

Braugerstenanbau lohnt sich wieder – wenn alle beteiligten Stufen daran Geld verdienen. Landwirte müssen vom Züchtungsfortschritt profitieren können, Mälzer und Brauer brauchen eine gewisse Sortenreinheit, von der auch der Handel logistisch profitiert. Große Sortenvielfalt schadet bei Braugerste mehr als sie nützt.

 Daher kommt es darauf an, auf die richtigen Sorten zu setzen: Sorten mit hoher Ökostabilität, sicherer Sortierung, ausgewogener innerer Qualität und einer guten Blattgesundheit.

Die lange Jahre anhaltende Dominanz der Sorten Scarlett und Barke ist in den letzten Jahren einer Sortenvielfalt gewichen. Zwar gelang einigen Sorten der Sprung in den Markt, die züchterisch „veralteten“ Sorten konnten sie aber nicht verdrängen. Für die Mälzindustrie führte diese neue Sortenvielfalt jedoch zu einem großen Problem, denn die Sortenreinheit ist für ein qualitativ hochwertiges Malz unverzichtbar: Nur sortenreine Chargen können eine homogene Keimung und damit verbundene homogene Lösung garantieren. Auch wenn die Brauereien Malze von der Mälzerei kaufen, welche aus verschiedenen Gerstensorten bestehen, soll diese Mischung erst nach dem Mälzungsprozess geschehen.

LSv Sommergerste 2006/2007
LSv Sommergerste 2006/2007
Je mehr unterschiedliche Sorten angeliefert werden, desto mehr Silos werden zur Wahrung der Chargenreinheit benötigt. Während der Ernte ist es für den Erfasser schwierig, die verschiedenen Sorten und Eiweißgehalte zu separieren. Das müssen sie jedoch, denn neben der Sorte haben auch der Eiweißgehalt sowie die Herkunft einen Einfluss auf die Lösung.
Somit stellt die regionale Sortenvielfalt nicht nur für die Mälzerei sondern auch für den Erfassungshandel ein großes Problem dar. Vermischungen sind kaum zu verhindern.

Bayern reduzierte Sorten drastisch
In Bayern, dem größten Anbaugebiet, wurde jetzt auf diese Problematik reagiert. Der Verein zur Förderung des bayerischen Braugerstenanbaus hat das Sortiment der uneingeschränkt empfohlenen Sorten drastisch reduziert. Für das Jahr 2008 haben nur noch MARTHE und BELANA die volle Empfehlung erhalten. Durch diese konsequente Reduzierung des Sortenportfolios besteht die Chance, in Bayern in zwei oder drei Jahren die tatsächliche Sortenvielfalt auf 3 oder 4 Varietäten zu reduzieren.

Mit MARTHE ist erstmalig eine Sorte über das Berliner Programm in eine Empfehlung gekommen. Das Siegel des Berliner Programms bescheinigt eine Qualität, die sich in der Mälzerei und Brauerei problemlos verarbeiten lässt. BELANA, die zwei Jahre früher zugelassen wurde und somit noch nicht am Berliner Programm teilnehmen konnte, hat sich auf Grund ihrer agronomischen sowie mälzungstechnologischen Qualitäten etabliert.

Qualitäten bleiben auch in Zukunft wichtig

Berliner Programm
Berliner Programm

Wie bei Wein gibt es bei der Gerstenqualität Unterschiede, die insbesondere zum Erntewechsel den Mälzern und Brauern die Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Dass diese Schwierigkeiten keinen Einfluss auf die Bierqualität haben, ist auf das Geschick des Mälzers und Brauers zurückzuführen. Diese können mit hohem Know-how auch durch die Anpassung der Parameter wie z.B. Temperatur und Zeit aus sehr bescheidenen Qualitäten Spitzen-Biere herstellen. 2007 musste mangels Alternativen sogar aus Futtergerste Bier gebraut werden! Minderqualitäten verkomplizieren jedoch den Gesamtprozess und das treibt die Kosten in die Höhe. Daher müssen Brauer und Mälzer auch in Zukunft Wert auf Spitzenqualitäten legen.

Sorten, die vom Berliner Programm empfohlen und auf Grund guter Ergebnisse in den Landessortenversuchen in die regionale Sortenempfehlung aufgenommen wurden, garantieren allen Beteiligten stabile Erträge – auf dem Acker wie auf dem Markt.

Die Ergebnisse der Landessortenversuche 2007
Bei der zweijährigen Auswertung der Sortenergebnisse fällt auf, dass es eine große Variabilität innerhalb der geprüften Braugerstensorten in der Stufe 1 (unbehandelt) und Stufe 2 (behandelt) und demzufolge auch in der gemittelten Stufe D gibt (Tab. 1). Die „Bandbreite“ erstreckt sich von 93 % bis 105 %. Zwischen der ertragsschwächsten und ertragsstärksten Sorten liegt also eine Differenz von 12 % rel. Kornertrag!

Eu Sortenversuch 2006/2007
Eu Sortenversuch 2006/2007
In der zweijährigen Betrachtung (2006, 2007) überzeugen die Sorten BELANA und MARTHE mit hohen und stabilen Erträgen (Tab. 1). Beide Braugerstensorten erweisen sich über die Jahre als ertragstreu und zwischen den behandelten und unbehandelten Versuchen als ertragsstabil. Ertragsstabilisierende Eigenschaften sind bei beiden Sorten die gute Blattgesundheit und ein stabiles Stroh. Auch unter Stressbedingungen bringen beide Sorten eine hervorragende und sichere Sortierung und zudem eine gute Malzqualität – wesentliche Kriterien für den deutschen Braugerstenmarkt.

Neue Europasorte
In den Europäischen Sortenversuchen können sich deutsche Sorten der internationalen Konkurrenz im direkten Vergleich stellen. Für MARTHE bestätigen die Resultate der diesjährigen EU-Sortenversuche, durchgeführt an 11 Standorten in Deutschland, das außerordentlich hohe Ertrags­potenzial und ihre exzellente Ökostabilität (Tab. 2). Hier zeigte sich, dass sich diese Sorte gegen die aussichtsreichsten EU-Sorten behaupten kann.

Der Ertrag ist nicht alles, aber ohne Ertrag ist alles nichts! Mit neuen, leistungsfähigen und qualitativ hochwertigen Braugerstensorten ist die Basis für die nächsten „Runden“ im Braugerstenmarkt gelegt.

Dr. Lissy Kuntze
Dr. Matthias Keßler
 

Stand: 12.12.2007