Die SAATEN-UNION, Isernhagen, hat in einer sechsjährigen Versuchsreihe das komplexe Zusammenspiel von Sorte, Anbau, Jahr und Standort untersucht. Sven Böse zieht Bilanz.
Die Inputversuche der SAATEN-UNION werden auf jährlich fünf bis sieben Standorten in Nord-, Ost- und Süddeutschland durchgeführt1. Die Ergebnisse ermöglichen die Einführung neuer Weizensorten mit mehrjährig abgesicherten Anbauempfehlungen für unterschiedliche Anbauräume. Vier Intensitätsstufen wurden zwischen 2001 bis 2006 nicht verändert und können zusammenfassend analysiert werden: Die Stufen 1 und 2 werden bei einem mittleren
N-Niveau ohne bzw. mit einmaligem Fungizideinsatz gefahren, die Stufen 3 und 4 bei höherer N-Düngung mit ein bzw. zwei Behandlungen (Tab. 1). Für diesen Beitrag werden die Varianten mit Blattvorfrucht und wendender Bodenbearbeitung zusammengestellt, also eher „gesunde“ Anbauverfahren. Versuchsergebnisse zu frühgesätem „Stoppelweizen“ in Mulchsaat liegen ebenfalls vor und werden zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt.
Intensive Produktion lohnt sich wieder ...
Über alle 360 Einzelergebnisse der Standorte, Jahre und Sorten ist rückblickend festzuhalten, dass bei niedrigen Weizenpreisen eine geringere Anbauintensität richtig war (Abb.1). Bei 10 €/dt war schon in Stufe 2 bei ca. 160 kg N/ha und einmaliger Behandlung das Meiste verdient. Mehr Aufwand brachte zwar mehr Ertrag und mehr Sicherheit, nur auf wenigen Standorten resultierte daraus jedoch ein Mehrgewinn. praxisnah hat wiederholt über die Ergebnisse berichtet.
Bei einem Preisniveau von 20 bzw. 30 € spreizen sich die Ergebnisse. Die höhere Schossdüngung in Verbindung mit einer zusätzlichen Einkürzung (Stufe 3) brachte allein noch nicht den Durchbruch, wohl aber die Blattbehandlung in Stufe 4. Im Mittel der Versuche blieben bei einer Preiserwartung von 20 €/dt immerhin 64 €/ha Mehrerlös, bei 30 €/dt sogar 131 €/dt!
Über alle Umwelten gesehen ist das Ergebnis also eindeutig: Höhere Preise empfehlen eine höhere Intensität, Düngen und Spritzen lohnt sich wieder! Doch stimmt das auf jedem Standort, in jedem Jahr, bei jeder Sorte?
… aber nicht auf jedem Standort!
In Tab.2 werden beispielhaft für drei unterschiedliche Anbaulagen die fünfjährigen Ergebnisse dargestellt. Farblich hervorgehoben ist die Erlösdifferenz zwischen den Stufen 2 und 4 – den über allen Standorten wirtschaftlichsten Varianten bei geringen bzw. hohen Erzeugerpreisen.
Auf dem bayerischen Standort Grünseiboldsdorf (Lößlage) und erst recht auf dem maritimen Standort Granskevitz (Rügen) lohnt sich bei 20 und 30 €/dt Preiserwartung eindeutig die höchste Anbauintensität. Anders auf dem Kontinentalstandort Kleptow in der Uckermark. Nur die erste Fungizidmaßnahme war mit 5,2 dt/ha Mehrertrag wirtschaftlich. Die zusätzliche Schossdüngung und die zweite Fungizidbehandlung waren hingegen nicht ertragswirksam, der kostenbereinigte Erlös fiel empfindlich ab. Dabei ist Kleptow durchaus ein fruchtbarer Standort, immerhin 90,2 dt/ha wurden über alle Sorten und Intensitäten gedroschen. Allerdings ist es eben auch ein vergleichsweise trockener Standort. Hier wird weniger
Stickstoff ausgewaschen, außerdem können reifeverzögernde Maßnahmen wie Stickstoff und Fungizide die Assimilatumlagerung vom Stroh ins Korn beeinträchtigen.
Festzuhalten ist auch: Es ist nicht so, dass überzogene Behandlungen bei hohen Preisen „nicht so schlimm“ wären. Kleptow beweist das Gegenteil: Je höher die Preiserwartung, desto höher der Verlust!
Jahreswitterung – die große Unbekannte
Der Landwirt kann sich auf ein Preisniveau einstellen, kennt seinen Standort und auch über das Intensitätsverhalten seiner Weizensorten kann er sich vorher informieren. Die Jahreswitterung hingegen ist kaum kalkulierbar, erst recht angesichts der zunehmenden Wetterausschläge. Hier ist eine subtile Bestandesführung gefragt. Erstens die Pflanzenansprache im Kontext mit der Standortkenntnis und einer gewissen „Wetterfühligkeit“. Zweitens Anpassungsmaßnahmen bei der Mittel- und Düngerwahl, bei der Ausbringungsmenge und der Terminierung. Die vier Intensitätsstufen decken nur einen kleinen Ausschnitt der Anpassungsmöglichkeiten ab, bereits diese belegen jedoch sehr eindrucksvolle Jahreseffekte:
- Die hohen Erträge der Jahre 2001 und 2004 kamen nicht von ungefähr. Beide Jahre waren gekennzeichnet durch eine ordentliche bis sehr gute Vorwinterentwicklung, Vegetationsruhe im Winter, sowie mittlere Temperatur und Niederschlagssummen von April bis Juli ohne anhaltende Stressphasen. Unter diesen Idealbedingungen kann eine höhere N-Versorgung sehr effizient in Höchsterträge umgesetzt werden, ebenso der zweimalige Fungizideinsatz. Bei einem Preislevel von 20 €/dt bleibt gegenüber der Stufe 2 ein satter Mehrgewinn von 90-100 €/ha!
- In trockenwarmen Jahren wie 2005 und 2006 bei hohem Krankheitsdruck und mittlerem Ertragsniveau wäre rückblickend eine reduzierte N-Düngung wirtschaftlich gewesen. Gezielt reagieren konnte der Praktiker hingegen in beiden Jahren auf den hohen Infektionsdruck mit Blattseptoria. Die frühe Blattbehandlung stabilisierte die Einkörnung und Kornfüllung und lohnte im Mittel der Sorten und Standorte mit Mehrerlösen von 90-110 €/ha.
- Im feuchtwarmen Jahr 2002 war die späte Fungizidbehandlung (Stufe 2) die entscheidende Maßnahme für ein großes, gesundes Korn. Auch die erste Fungizidmaßnahme hatte hier noch eine gewisse „Fernwirkung“ und hätte sich bei hohem Preisniveau mit 34 €/ha verzinst.
- Ganz anders im Katastrophenjahr 2003. Staunässe im Herbst, Eiseskälte im Winter und Dauerdürre von Februar bis Juni. „Jetzt erst recht“ war in den ausgedünnten, gestressten Beständen die falsche Strategie, „wegschauen und dreschen“ lohnender. Jahre wie 2002 hingegen mit nasser Blüte und Abreife lohnten eine gezielte Fungizidstrategie gegen Ährenkrankheiten, auch eine Blattbehandlung gegen Mehltau und Braunrost war häufig wirtschaftlich.
Zusammenfassend ist bis hierher festzustellen, dass die optimale Düngungs- bzw. Behandlungsintensität nicht aus dem Ertragspotenzial eines Standorts abzuleiten ist. Entscheidender ist der Witterungsverlauf und daraus resultierend die Entwicklung der Bestände und Schaderreger. Hier wiederum ist auch die Sorte zu berücksichtigen.
Sorteneffekte: Low- oder High Input-Sorten ergänzen sich
Je nach Resistenzausstattung und Entwicklungsphysiologie spricht man von Low- oder High- Input-Sorten – unabhängig von ihrem Ertragsvermögen. High-Input-Sorten sind optimal bei günstigen Ertragsvoraussetzungen, dazu gehört auch eine volle N-Düngung und ein optimaler Fungizidschutz. Low- Input-Sorten hingegen erreichen bereits bei ungünstigen Voraussetzungen eine vergleichsweise hohe Leistung. Das Inputverhalten ist dabei sehr differenziert anzusprechen. Manche Sorten, etwa Hybriden, sind hinsichtlich Vorfrucht und Bodengüte genügsam, jedoch lont sich eine hohe Anbauintensität.
Abb. 3 zeigt zweijährig über acht Versuche die Inputreaktion einiger etablierter und neuer Weizensorten. Ertragsvergleiche der Sorten sind nicht Zweck dieser Versuche und deshalb nicht dargestellt, dafür sind regionale LSV-Ergebnisse und Anbauerfahrungen besser geeignet. An dieser Stelle geht es allein um die unterschiedliche Reaktion der Sorten auf die Intensitätsmaßnahmen. Dargestellt ist die Erlösdifferenz zwischen der extensiven und intensiven Anbaustufe bei einem Preisniveau um 20 €/dt. Dabei lassen sich die dargestellten Sorten in drei Reaktionsgruppen unterteilen:
Intensitätstyp Mulan
Fast sieben Prozent und damit glatt 100 €/ha Mehrerlös sind mit HYBRED bereits mit der ersten Fungizidmaßnahme verdient, bei Mulan und Ephoros immerhin 50 €/dt. Die zusätzliche N-Düngung und zweite Fungizidmaßnahme waren für diese Sorten in dieser Versuchsserie nicht kostendeckend. Zurückzuführen ist dies auf die ausgezeichnete Mehltau- und Rostresistenz dieser B-Sorten sowie deren sehr guter Nährstoffaneignung.
Intensitätstyp Tommi:
Tommi lohnt den Mehraufwand zwischen Stufe 1 und 4 mit 5 % Mehrgewinn, entsprechend rund 80 €/ha. Dabei profitierte die Sorte gleichermaßen von der Fungizidmaßnahme bei mittlerer N-Düngung und auch von der zusätzlichen N-Düngung und zweiten Fungizidmaßnahme. Wer diese positive High-Input-Reaktion bei der Fungizidplanung 2007 berücksichtigt hat, konnte auch 2007 mit Tommi viel Geld verdienen.
Intensitätstyp Akratos:
Diese A-Sorte zeigt bei sehr hohem Leistungsvermögen ein eigenständiges Reaktionsmuster: Die ausgeprägte Gesundheit ermöglicht bei mittlerer N-Versorgung selbst bei hohem Preisniveau (!) einen weitgehenden Fungizidverzicht (Stufe 1). Andererseits kann diese Sorte auch mit kostendeckenden Mehrerträgen intensiv „gefahren“ werden. Darin unterscheidet sie sich von den Vorläufersorten BATIS und PEGASSOS. Damit sind je nach Standort sehr flexible Anbaustrategien möglich, vom „Ökoweizen“ bis zur Intensivproduktion.
Aus diesen Ergebnissen ist selbstverständlich keine Behandlungsempfehlung abzuleiten. Es geht vielmehr darum, diese Erfahrungen bei den anstehenden Anbauentscheidungen mit zu berücksichtigen. Beim High Input-Typ TOMMI fällt im Zweifelsfall eben eher die Entscheidung für den Fungizideinsatz als bei der gesünderen Sorte AKRATOS. Wenn mit steigenden Erlösen zukünftig der Fungizideinsatz wieder mehr lohnt, ist daraus nicht abzuleiten, dass die Gesundheit einer Sorte nun weniger zählt als bisher. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund des immer höheren Krankheitsdrucks nach feuchtwarmen Wintern und den Resistenzbildungen der Fungizide ist die Praxis gut beraten, auch bei steigenden Preisen gesunde Low Input-Sorten mit auf den Anbauplan zu setzten. Diese sparen nicht nur Kosten, sondern sind auch eine Versicherung, wenn Fungizide nicht optimal platziert werden können oder aus anderen Gründen an Wirkung verlieren.
Sven Böse
Empfehlungen für 2008:
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1 Züchtereigene Standorte: Granskevitz (MV), Langenstein (SA), Gudow,
Hovedissen (NRW), Grünseiboldsdorf (BY), Seehof (BW). Beteiligt waren in verschiedenen Jahren auch die Saatzucht Dieckmann mit Sülbeck (NS), die Hybro GmbH mit Kleptow (BB), die Fachhochschule Soest (NRW) sowie die Firma Bayer CropScience mit einem ostholsteinischen Standort. Federführend bei der Organisation und Verrechnung war die Versuchsstation Grünseiboldsdorf.