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Sortenvielfalt unerwünscht!

Der Braugerste hat in Rheinland-Pfalz eine lange Tradition und ist die zweitwichtigste Marktfrucht in dieser Region. Die mäßigen Erlöseder Vergangenheit haben zu einem rückgang der Anbauflächen auf ca. 50.000 ha geführt. Damit die Braugerste aber besonders im Hunsrück dennoch langfristig ihren Stellenwert als interessante Marktfrucht behält, ziehen dort Landwirte, Erfasser und Malzfabrik an einem Strang.

Diese Gemeinschaft bündelt die Interessen aller an der Braugerstenproduktion und -vermarktung Beteiligten. Eingebunden ist auch die Pflanzenbauberatung des amtlichen Dienstes.

„Es war an der Zeit, das Thema Braugerste strategisch anzugehen“, meint der Geschäftsführer der Bezugs- und Absatzgenossenschaft Kirchberg, Thomas Warken.

Andreas beelitz
Andreas beelitz
Strategischer Lösungsansatz
„In unserer Region waren zeitweise fünf unterschiedliche Sorten im Anbau. Da weder die Landwirte noch die Verarbeiter mit der letzten Empfehlungssorte zufrieden waren, suchte man nun nach einer neuen Einheitssorte. In der Vorprüfung des neuen Berliner Programms standen die Sorten Power und Marthe zur Wahl.“ Da Marthe sowohl in Qualität als auch in den agronomischen Eigenschaften deutliche Vorteile zeigte, entschloss sich die Bezugs- und Absatzgenossenschaft Kirchberg mit 15 erfahrenen Braugerstenanbauern den Einstieg in diese neue Einheitssorte vorzunehmen. Rückendeckung bekamen sie von der Malzfabrik Karl Bindewald. Nach der Ernte und der weiteren Verarbeitung zu Qualitätsmalz und Bier kamen Thomas Warken sowie Constantin König, Geschäftsführer der Malzfabrik Karl Bindewald zu dem Ergebnis: „Mit der Wahl von Marthe als künftige Braugerstensorte haben wir aufs richtige Pferd gesetzt. Die Empfehlung von Marthe vom Berliner Programm ein Jahr später hat uns bestätigt.“

Reinhard Mohr
Reinhard Mohr
Probelauf mit besten Ergebnissen
2007 lief der Probeanbau mit einem strengen Anbaumanagement an. Die Mälzerei erteilte eine Abnahmegarantie für 2.500 Tonnen. Einer der engagierten Landwirte ist Reinhard Mohr. „Die Braugerste gehört einfach in unsere Region“, meint Mohr, „und mich hat es gereizt, mit dieser Kultur diesen neuen Weg mitzugehen.“ Auch sein Kollege Andreas Beelitz sah Handlungsbedarf. „Es musste dringend eine Sorte mit besseren Qualitäten her, die unter unseren sehr heterogenen Anbauverhältnissen auch sichere Erträge bringt.“

Das Ernteergebnis 2007 hat beide zufrieden gestellt. „Wir lagen mit bis zu 63 dt/ha deutlich über dem Bundesdurchschnitt – und das bei bester Sortierung“, so Beelitz. Reinhard Mohr ergänzt: „93 bis 94 Prozent Vollkornanteil vom Mähdrescher weg – das hat mich überzeugt.“

Thomas Warken
Thomas Warken
Dies sieht auch Thomas Warken so, dem die schlechte Sortierung der Ware in der Vergangenheit Kopfzerbrechen bereitete. „Lieferverträge mit der Mälzerei sind Lieferverpflichtungen. Wenn Qualitätsware fehlt, muss für teures Geld zugekauft werden. Die Ergebnisse von den Probeflächen waren so überzeugend, dass wir bereits 2008 Marthe als einzige Sorte ins Vertragswesen eingebunden haben.“

Neue Sorten stehen nicht zur Diskussion
Auch wenn 2008 nicht gerade ein besonders gutes Gerstenjahr war, sind die Kooperationspartner mit dem Ergebnis dennoch insgesamt zufrieden. Aufgrund des erfolgreichen Probelaufs ist die Akzeptanz der Sorte bei den Landwirten aber auch bei der amtlichen Beratung hoch und wurde offiziell empfohlen. „Egal ob 2009 ein gutes oder schlechtes Getreidejahr wird“, ergänzt Mohr, „diese Braugerste verspricht aufgrund ihrer guten Genetik aber eine hohe Anbausicherheit und damit eine bessere Risikostreuung. Wir bleiben daher auch 2009 bei dieser Sorte.“

Späte Saat …
Die Landwirte haben die Erfahrung gemacht, dass Marthe bei einer relativ späten Aussaat Ende April sicher aufläuft. „Denn es ist entscheidend, die Saat in ein wirklich gut abgetrocknetes Saatbett zu bringen“, erläutert Mohr und mahnt zur Geduld. Die Saatstärke sei standortabhängig, an die optimale Körnerzahl müsse man sich herantasten. „Bei uns wird häufig noch zu dicht gesät. Dabei reichen hier so 320-350 Körner aus.“ Warken urteilt: „Ausschlaggebend ist, dass möglichst viele Körner gleichmäßig und gut ausgebildet werden, denn das bringt die gewünschte Sortierung.“ Alle weiteren ackerbaulichen Maßnahmen liegen im Bereich des Normalen. Beelitz und Mohr empfehlen jedoch, den Bestand auf Läusebefall zu
beobachten. Wachstumsregler werden grundsätzlich nicht eingesetzt. „Die Stickstoffdüngung sollte in einer Überfahrt vor der Saat gegeben werden, alles andere wäre unnötige Mehrarbeit“, empfiehlt Mohr. „Wichtig ist die gleichzeitige Einarbeitung des Düngers, damit der Stickstoff in Wurzelnähe zur Verfügung steht. Je nach Standort reichen 80 bis 90 kg N/ha aus.“ Sehr unterschiedlich sei der P- und K-Bedarf der Böden. „Wir richten uns nach Bodenanalysen und Sollwerten und lassen dann die passenden Düngermischungen bei der BAG Kirchberg zusammenstellen.”

… frühe Ernte
Beim Fungizideinsatz fahren beide die gleiche Strategie. „Bei dem geringen Krankheitsdruck reicht die einmalige Gabe eines lange wirksamen Fungizides im Wachstumsstadium EC 37/39 völlig aus”, meint Reinhard Mohr. „Mit der relativ frühen Reife, der guten Standfestigkeit und Druschfähigkeit passt MARTHE sehr gut in diese raue Klimaregion.“

Das nächste Projekt steht schon an
Thomas Warken blickt schon weiter voraus. „Auch für die Winterbraugerste haben wir vergleichbare Maßnahmen bereits etabliert. Unsere Sorte der Wahl ist MALWINTA, die Brauwirtschaft hatte aufgrund der guten Sortenergebnisse Interesse angemeldet. Ein Vorteil dieser Sorte sind die hohen und sicheren Erträge. Je nach Preissituation auf dem Getreidemarkt ist sie für unsere Landwirte auch als Futtergerste eine interessante Alternative.“

Friederike Krick

Stand: 20.12.2008