Auch wenn zusätzlich Umweltfaktoren wie Haltungsbedingungen in Bezug auf Kuhkomfort oder Herdenorganisation eine wichtige Rolle spielen – das Leitmotiv lautet: gesunder Pansen – gesunde Kuh. Dr. Eller (Herdenmanagement Consulting & Service) erläutert, warum die Qualität des Grobfutters dabei so entscheidend ist.
Oberste Priorität in den verschiedenen Laktationsstadien einer Kuh hat die Futteraufnahme. Die Prozesse in der Kuh sind komplex, zwei Grundmechanismen spielen aber für die Futteraufnahme eine zentrale Rolle: Pansenfüllung und Sättigung. Sie nehmen Einfluss auf das Sättigungszentrum des Kleinhirns. Das heißt, ob Kühe viel fressen oder zu wenig, ist „Kopfsache“.
In welchem Ausmaß eine Ration den Pansen füllt, hängt von mehreren Faktoren ab. In erster Linie bestimmt die Faserdichte, gemessen am NDF-Gehalt1 als Gradmesser des Faseranteils den Füllungsgrad. Sie beeinflusst die Rezeptoren in der Pansenwand. Ab einem bestimmten Dehnungsreiz wird dem Gehirn signalisiert, „hör auf zu fressen“, wobei der Pansen nicht unbedingt voll sein muss. Grobfuttermittel wie Heu, Stroh oder Grassilage mit hohem NDF-Gehalt1 von 55 bis über 60 % können die Futteraufnahme sehr schnell begrenzen, obwohl die Kuh auf Grund ihrer Leistungsbereitschaft mehr Nährstoffe benötigen würde. Folge: Sie muss auf körpereigene Reserven zurückgreifen. Auch die Verdaulichkeit der Faseranteile spielt eine Rolle. Mit höherer Verdaulichkeit steigt die Passagerate durch den Pansen. Damit können pro Zeiteinheit mehr Nährstoffe in den Pansen fluten. Nur mit einer richtigen Einschätzung der Faserdichte und Verdaulichkeit der Grobfuttermittel kann eine Ration im jeweiligen Laktationsstadium effizient gestaltet werden. Welche Hilfsmittel ermöglichen die genaue Schätzung? Bei der HCS läuft der NDF-Gehalt schon länger in der Grundfutter-Analytik mit. Jetzt erfasst man zusätzlich noch den Ligningehalt der Rationen. Mit NDF und Lignin lässt sich recht genau die Faserverdaulichkeit ableiten.
Was tun bei zu viel Lignin im Grundfutter?
„Problemrationen“ können sehr schnell entstehen, wenn Grassilagen mit über 12 % Lignin bezogen auf den NDF-Gehalt1 und Maissilagen mit mehr als 7 % Lignin verfüttert werden müssen. Um trotzdem eine akzeptable Passagerate in Hochleistungsrationen zu gewährleisten, sollten die Grobfutterkomponenten durch Anteile an Biertreber, Press- oder Trockenschnitzeln ersetzt werden. Diese liefern einen hohen Anteil an schnell fermentierbarer Faser. Das ist umso wichtiger, je mehr Stärke aus Getreide, Feucht- oder Silomais oder auch Zucker enthalten ist. Das Azidoserisiko steigt stark, wenn sich der Futterbrei im Pansen durch niedrige Passageraten „staut“. Hier kommt ein zweiter Vorteil dieser Futtermittel ins Spiel. Sie sind in der Lage, die Stärkeverdaulichkeit im Pansen zu verringern, ohne damit Einfluss auf die Gesamtverdaulichkeit der organischen Masse zu nehmen.
Maissilage ist für die Ration entscheidend
Maissilage ist in der Milchviehfütterung wegen des hohen Energiegehalts als Grobfuttermittel geschätzt. Sie spielt als Grobfutter bei der Pansenfüllung und bei der Sättigung eine Rolle und ist in der Praxis oft für azidotisches Geschehen im Pansen hauptverantwortlich. Wie muss eine Maissilage beschaffen sein, um die Fermentationsprozesse im Pansen positiv zu beeinflussen? Es ist zu einseitig, Maissorten vor allem von ihrem Energieertrag her zu bewerten.
Denn gerade eine sehr hohe Stärkekonzentration in der Maissilage in Verbindung mit einer Lagerdauer von mehr als fünf Monaten im Silo kann negative Folgen haben: Sie erhöht einerseits das Azidoserisiko, weil sehr schnell große Mengen an Propionsäure aus der Stärkefermentation im Pansen entstehen. Bei einer Kuh, die nicht mehr in der Hochlaktation melkt, führt andererseits die schnelle Propionsäure-Anflutung in die Leber zu einer Reizübermittlung ans Gehirn. Diese löst das Sättigungsgefühl aus, und die Kühe fressen pro Mahlzeit weniger. Zwar stellt sich auch wieder früher ein Hungergefühl ein, über den Tag verteilt bleibt die Futteraufnahme insgesamt geringer. Maissilage oder überhöhte Getreidemengen in der Ration blockieren daher die Futteraufnahme, wenn die Dynamik des Stärkeflusses nicht richtig eingeschätzt wird.
Dynamik des Stärkeflusses richtig einschätzen
Für eine richtige Beurteilung des Stärkeeinsatzes kommen Partikelgröße, Stärketyp, bei Silagen auch die Lagerdauer in Betracht. Daneben spielt auch die Faserverdaulichkeit der Restpflanze eine wichtige Rolle. Obwohl pflanzenbauliche und klimatische Faktoren erheblichen Einfluss auf die Verdaulichkeit nehmen, begünstigen Sorten mit Betonung auf den Stärkeertrag die Restpflanzenverdaulichkeit nicht unbedingt.
5 % geringere Trockensubstanz = 10 % geringere Futteraufnahme
Futteraufnahme hat sehr viel mit aktivem Trogmanagement zu tun. Nach unseren Erfahrungen aus der Beratungspraxis führen viel zu häufig Fehleinschätzungen der gefressenen Futtermengen nicht nur zu Minderleistungen sondern zu massiven Gesundheitsproblemen. Der Grund: keine bzw. zu unregelmäßige Bestimmung des Trockensubstanzgehaltes der Grobfutter. Gerade die diesjährigen unbeständigen Witterungsverhältnisse (Anregnen der Anschnittflächen) hatten oft massive Abweichungen zwischen den berechneten und den tatsächlich gefressenen Rationen zur Konsequenz.
Verringern sich die Trockensubstanz-Gehalte von Grobfutterkomponenten z. B. nur von 35 auf 30 %, sinkt die Futteraufnahme um 10 % – bei einem ursprünglichen Grobfutter / Kraftfutter-Verhältnis von 60/40 und einer Gesamt-TS-Aufnahme von 20 kg. Außerdem verschiebt sich das Grobfutter/ Kraftfutter-Verhältnis auf dann 51/49, das Azidose-Risiko steigt.
Bekanntlich sind die bisher gebräuchlichen Methoden zur TS-Bestimmung von Grobfutter (Koster-Tester, Backofen, Mikrowelle) relativ aufwändig. Für einen verantwortungsbewussten Betriebsleiter darf dieser Umstand jedoch nicht als Ausrede herhalten. Die laufende Information über TS-Gehalte in Grobfutter ist zu wichtig, als dass man sie vernachlässigen dürfte. Außerdem gibt es mittlerweile bedienerfreundliche Apparaturen, wie den „Q-Dry“, mit denen sich einfach und schnell, Trockensubstanzgehalte des Grobfutters analysieren lassen.
Fazit
Die Fütterung bestimmt ganz wesentlich den Gesundheitsstatus einer Milchviehherde. Futtermanagement muss als Instrument begriffen werden, um durch rechtzeitige Planung soweit als möglich hervorragende Grobfutterqualitäten nach den genannten Parametern zu erzeugen.
Dabei spielt zunächst die Kenntnis der Qualität von betriebseigenen Grobfutterkomponenten eine entscheidende Rolle. Sie ist Voraussetzung, um rechtzeitig vorbeugende Strategien entwickeln zu können, die vermeiden, dass Kühe in Azidosen oder andere Stoffwechselprobleme laufen. Ein weiterer, nicht minder wichtiger Aspekt umfasst alle Aktivitäten am Silo oder Trog, die gewährleisten, dass Kühe auch tatsächlich das fressen, was berechnet oder geplant war.