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Kein Geld verlieren: Den optimalen Erntezeitpunkt richtig schätzen

Jedes Jahr dieselbe dringende Frage: „Wie ermittelt man den optimalen Erntezeitpunkt von Silomais? Wann fahre ich los, um kein Geld zu verlieren?“ Die Praxis verlangt nach einem zuverlässigen System zur Schätzung des Erntezeitpunktes: Kostengünstig soll es sein und vor allem schnell und zuverlässig. Wissenschaftler der Hochschule Neubrandenburg, Praktiker und Züchter stellten jetzt praxisnah ihre Lösung vor.

Am Anfang war der Erntemanager
Die Projektpartner Prof. Dr. Anke Schuldt, Dr. Regina Dinse und Stephan Hensel (Hochschule Neubrandenburg), Arno Rechlin und Axel Didt (Agrargenossenschaft Luisenhof e.G., Hohenzieritz) und Andreas Göbel (SAATEN-UNION) sind überzeugt von der Praxistauglichkeit des Systems zur Schätzung des optimalen Erntezeitpunktes von Silomais.

 



Das Team der Hochschule Neubrandenburg 

 

 „Wir haben 2005 einen „Erntemanager“ zur Ernteschätzung von Silomais entwickelt und konnten diesen mit diesem Projekt weiterentwickeln und wissenschaftlich absichern. Besonders die Trockensubstanzbestimmung konnte an Genauigkeit gewinnen”, erläutert Andreas Göbel.

Das Projekt, das im Rahmen der Masterarbeit von Stephan Hensel nun abschließend ausgewertet wird, sollte folgende Punkte klären:

  1. Möglichst genaue Ermittlung des zu erwartenden Ertrages mit geringem Aufwand
    Kurzfristige Bestimmung des TS-Gehaltes und damit des optimalen Erntetermins
  2. Ermittlung der am besten an den Standort angepassten Sorten
  3. Ermittlung der Sorte/Reifegruppe mit der besten Silierfähigkeit

Das Verfahren
10 Silomaissorten aus unterschiedlichen Reifegruppen wurden auf je einem Hektar in vier Wiederholungen angebaut. Einige der Sorten waren Referenzsorten, liefen also mehrjährig mit, um die Jahreseffekte aufzuzeigen. Die anderen Sorten entstammen dem aktuellen Sortiment.

1. Mit Hilfe des neu entwickelten Programms, das auf dem bekannten „Erntemanager" der SAATEN-UNION basiert, wurde zunächst der Ertrag geschätzt. Anschließend wurden die Parzellen einzeln mit dem betriebseigenen Häcksler geerntet und die tatsächliche Menge gewogen. Über die Jahre lag die Schätzung ca. 12 % über der tatsächlichen Erntemenge – ein über die Sorten und Jahre erstaunlich konstanter Wert.
„Auch bei den LSV-Versuchen finden wir eine solche Differenz", stellt Andreas Göbel klar. „Die Konstanz dieser 12 % macht den Versuchsfehler aber gut kalkulierbar. Das von uns entwickelte Schätzsystem funktioniert also."

2. Dann wurden die frischen Proben und später die Silagen der einzelnen Parzellen im Labor einer qualitativen Analyse unterzogen. Die Silierung kann in handelsüblichen Weckgläsern mit modifizierten Deckeln gut simuliert werden. Ein Gasaustritt ist hierbei möglich, ein Lufteintritt jedoch nicht. Mit eigens entwickelten Pressgeräten wird das Häckselgut in den Gläsern auf eine realistische Dichte gepresst.
 „Der Versuch hat schon Sortenunterschiede und Unterschiede in den Reifegruppen aufgezeigt, aber insgesamt funktioniert es hier auch mit späteren Sorten ganz gut", fasst Anke Schuldt zusammen.

3. Außerdem wurde die Trockenmasse der Maisproben mit dem Trockenschrank und im Schnellverfahren mit einer Mikrowelle bestimmt. „Über die Schätzung des Trockensubstanzgehaltes bzw. des Feuchtegehaltes ist die Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes zuverlässig machbar“, stellt Regina Dinse zufrieden fest. „Aber nicht jeder landwirtschaftliche Betrieb verfügt über einen teuren Trockenschrank. Daher haben wir das Ganze für eine handelsübliche Mikrowelle modifiziert. Wenn man einige Spielregeln befolgt, ist die Mikrowelle dem Trockenschrank ebenbürtig."

Maissilage in Weckgläsern
Maissilage in Weckgläsern
Siliervorgänge lassen sich im Labor gut in speziellen Weckgläsern simulieren.

Große Hilfestellung für Praktiker
Das ganze System ist jetzt von der Wägung im Feld bis zur Ernte praxistauglich. Nur noch einige Kleinigkeiten müssen bis zum kommenden Frühjahr verbessert werden – der Feinschliff sozusagen. Arno Rechlin und sein Kollege Axel Didt sehen eine „unglaubliche Hilfestellung” für die Praxis. „Wenn man die Frischproben einschickt, bekommt man das Ergebnis oft erst zwei Tage später. Manchmal liegt man schon von vorneherein knapp vor der optimalen Trockensubstanz. Wenn dann noch warmes Wetter dazukommt, dann hat man nach zwei Tagen den optimalen Zeitpunkt unter Umständen schon verpasst."

Wenig Aufwand, großes Finanzpotenzial
Mit wenigen Schritten lassen sich die Daten für das Computerprogramm ermitteln.

  • Ermittlung der Repräsentativpflanze: Auf zwei repräsentativen Metern im Feld werden Maispflanzen geschnitten und gewogen. Aus diesen Daten wählt das Programm dann die Pflanze, die sich als Repräsentativpflanze eignet.
  • Häckseln und Trocknen der Repräsentativpflanze: Häckseln mit einem handelsüblichen Gartenhäcksler, Wiegen des Feuchtgutes mit z.B. einer Küchenwaage und Trocknen in der Mikrowelle.
  • Wiegen des Trockengutes: Ebenfalls mit z.B. einer Küchenwaage. Aus den Gewichten des Feucht- und Trockengutes berechnet das Programm den optimalen Erntezeitpunkt. Diese Berechnung ist umso genauer, je höher der Trockensubstanzgehalt der Frischprobe bereits ist. „25 % sollte er mindestens betragen, sonst wird es ungenau“, warnt Anke Schuldt. Alles in allem – mit etwas Übung – dauert das ganze Prozedere knappe drei Stunden.

    Win-Win Situation
    Die Zielsetzungen der Projektpartner an dieses Projekt waren unterschiedlich. Die Agrargenossenschaft suchte vor allem Hilfe bei der Sortenentscheidung und der Produktionstechnik: „Wir brauchen Sorten, die mit stark verschießenden Böden zurechtkommen und zuverlässige und hohe Erträge bringen", erläutert der Vorstandsvorsitzende Rechlin. „Für uns Praktiker ist der Dschungel aus ca. 300 auf dem Markt befindlichen Maissorten schwer durchdringbar. Und wir mussten einen Weg finden, Produktionstechnik und Erntezeitpunkte zu optimieren, um nicht unnötig Geld zu verlieren."

Auch Anke Schuldt zieht positive Bilanz. „Die Hochschule ist bestrebt, den Studierenden einen möglichst intensiven Praxisbezug zu vermitteln. Wenn Betriebe bereit sind, ganz offen ihre betrieblichen Daten auf den Tisch zu legen, ist das nicht selbstverständlich."

Eine Zusammenarbeit mit der Praxis ist auch für die SAATEN-UNION sehr wichtig. „Denn", so erläutert Fachberater Andreas Göbel, „Praxisforschung wird für uns immer wichtiger, weil es zu vielen relevanten Fragestellungen keine „Vorlaufforschung" gibt. Sehr praktisch ist die Methode auch für Maisverkäufer. Die können hier den optimalen Erntetermin bestimmen, der das meiste Geld bringt und innerhalb des Liefervertrages möglich ist. Da kann man schnell fünfstellige Beträge mehr verdienen."

Das Gespräch führte Dr. Anke Boenisch

Stand: 16.12.2009