Kosten wieder im Vordergrund
Während die volatilen Erzeugererlöse in den letzten Jahren keine reduzierte Anbauintensität empfehlen, erfordern absehbar geringere Preise einen reduzierten Aufwand. Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über typische Kostenrelationen der Herbstkulturen. Die Intensitätskosten orientieren sich an höheren Ertragsniveaus (siehe Tabelle 1, Spalte Ertragserwartung), die Maschinenkosten an günstigeren Voraussetzungen hinsichtlich Flächengröße und Mechanisierung, Lohnkosten gehen mit 15 €/ha ein.
Die Düngungskosten sind nach Entzug berechnet und lediglich beim Einkauf zu beeinflussen. Anders der Pflanzenschutz: Hier korrespondieren die Aufwendungen weniger eng mit der Ertragserwartung. Gesündere Neuzulassungen, wie z. B. Genius bei Winterweizen oder die Wintergerste Souleyka, erlauben wirtschaftliche Fungizideinsparungen in der Größenordung bis zu 30 bis 50 €/ha ohne Ertragsverzicht! Noch größere Einsparungspotenziale birgt der Kostenblock Arbeitserledigung. Hier punktet vor allem Wintergerste mit einer sehr viel besseren Arbeitsverteilung die übergreifend beim sogenannten „Fruchtfolgewert“ zu berücksichtigen ist.
Nicht verwechseln: Vorfruchtwert und Fruchtfolgewert
Die Fruchtartenkalkulation in Tabelle 1 geht allerdings von einer Maschinenauslastung über der Abschreibungsschwelle aus. Deshalb wird nur der unmittelbare „Vorfruchtwert“ berücksichtigt. Mit diesem punktet vor allem Raps: Bei 10 % höherem Weizenertrag gegenüber einer Getreidevorfrucht und 20 €/ha kostengünstigerer Bodenbearbeitung errechnet sich ein Vorteil von 120 €/ha. Würde die Rapsdüngung nicht nach Entzug, sondern nach Aufwand kalkuliert, müsste mit höheren Produktionskosten gerechnet werden. Dafür würden jedoch die Düngekosten bei der Nachfrucht geringer ausfallen und damit der Vorfruchtwert steigen. Mais erhält in der Beispielkalkulation einen Fruchtfolgemalus von 50 €/ha. Mit Blick auf Humusabbau und Erosionsgefahr wären mancherorts auch höhere Abzüge gerechtfertigt. Allerdings ist Mais als Sommerung oft hochwillkommen, um beispielsweise die Resistenzprobleme bei den Getreideherbiziden zu entspannen.
Der hohe Vorfruchtwert der Wintergerste resultiert aus den höheren und stabileren Erträgen der Folgefrüchte Raps und auch Rüben. Im Zusammenhang damit, sind auch die erweiterten Möglichkeiten einer integrierten Schädlingsbekämpfung durch Zwischenfrüchte und das problemlosere Strohmanagement zu sehen. Für die weitere Betrachtung wird der Vorfruchtwert eher vorsichtig mit 60 €/ha kalkuliert.
Fruchtarten fair vergleichen!
Nach Raps oder anderen Blattfrüchten ist Winterweizen – wo immer anbauwürdig – das wirtschaftlichste Wintergetreide. Das gilt insbesondere für Qualitätsweizen, der für eine harmonische Proteineinlagerung auf eine gesunde, langlebige Wurzel angewiesen ist. Mit dem aktuellen Zuchtfortschritt wie bei der Neuzulassung Genius gewinnt E-Weizen bei entsprechenden Vermarktungsmöglichkeiten an Vorzüglichkeit. Nach der „Rentabilitätsschwelle Preis“ (letzte Spalte) müsste er bei den unterstellten Ertragsrelationen wenigstens 0,65 €/dt mehr erlösen als A-Weizen. Mehrjährig und bundesweit liegt die Preisdifferenz zwischen E- und A-Weizen bei 1,10 €/dt. Bis zu einem Standortpotenzial zwischen 80 und 90 dt/ha ist Eliteweizen deshalb häufig die bessere Wahl!
Die schwierigere Fragestellung ist die nach dem wirtschaftlichsten Folgegetreide. Abtragend verliert der anspruchsvollere Weizen an Attraktivität: Die Ausgaben für Düngung und Pflanzenschutz steigen, die Erträge fallen vor allem auf weniger günstigen Standorten empfindlich ab.
Dort ist Wintergerste bei den unterstellten Ertrags-Kosten-Erlös-Relationen wirtschaftlicher als Stoppelweizen: Vorausgesetzt, der Preisabstand zu Backweizen übersteigt nicht deutlich 2,00 €/dt (letzte Spalte), bzw. der Ertragsabstand ist geringer als 4 dt/ha (vorletzte Spalte). Auch Winterbraugerste überzeugt im Vergleich zu Stoppelweizen, sofern bei 10 dt/ha Minderertrag im kommenden Jahr 1,30 €/dt Mehrerlös zu erwarten sind. Gegenüber Futtergerste wäre ein Mehrpreis von mindestens 80 Cent erforderlich – das Vermarktungsrisiko nicht eingerechnet!
Was ist mit Hybridweizen?
Bei Stoppelweizen auf weniger günstigen Standorten sind Hybriden eine interessantere Sortenalternative. Die kostenbedingt mindestens notwendigen 5 dt/ha Mehrertrag gegenüber Liniensorten werden gerade dort aufgrund der höheren Vitalität am ehesten erreicht. Das gilt erst recht für Stressstandorte, im Rechenbeispiel werden ja günstige Ertragsbedingungen unterstellt. Hinzu kommt der aktuelle Zuchtfortschritt in diesem Segment. Hyland ist die einzige mittelfrühe Weizensorte mit dem Spitzenertrag „9“/„9“, die französische Spitzenhybride Hystar bringt unter den sehr frühen Sorten unerreicht hohe Kornerträge. Auch Hybridroggen gehört eigentlich nicht in diese Beispielrechnung für bessere Standorte, erst bei einem Preisabstand geringer als 1,50 €/dt wird er dort zur wirtschaftlichen Alternative zu Stoppelweizen.
Worst Case: Roggen oder Stilllegung?
Auf ertragsschwachen, marktfernen Standorten stellt sich bei anhaltend schwieriger Preissituation die Frage nach der Flächenstilllegung als Nutzungsalternative. Die Rentabilitätsschwellen Ertrag und Preis (Tabelle 1) zeigen an, ab welchem Ertrags- bzw. Preisniveau der Anbau der betreffenden Kultur wirtschaftlicher ist als die Flächenstilllegung. Diese geht hier mit 90 €/ha Minus in die Kalkulation ein. Auf mittleren und besseren Standorten ist die Stilllegung bei den üblichen Erträgen und Preisen keine wirtschaftliche Alternative. Anders auf den Grenzstandorten Ostdeutschlands: Wenn Roggen mit der Ernte 2011 dort mit 12 €/dt zu vermarkten wäre, müssten Hybriden bei den hier kalkulierten Produktionskosten über 67 dt/ha Ertrag bringen, um besser abzuschneiden als die Grünbrache. In vielen Betrieben Ostdeutschlands können die Produktionskosten jedoch auch dank des geringeren Krankheitsdrucks unter 700 €/ha gehalten werden. Unter diesen Voraussetzungen sinkt die Rentabilitätsschwelle für Hybridroggen auf realistischere 51 dt/ha!
Gesamtpflanzennutzung als Rettungsanker?
Wenn das Getreidekorn nicht kostendeckend vermarktet werden kann, gerät die Gesamtpflanzennutzung in den Fokus. Kann beispielsweise in den nordwestdeutschen Bedarfsregionen Stroh attraktiv vermarktet werden, steigt damit die kostenfreie Leistung des Getreideanbaus um mindestens 100 €/ha. Hier schlummern noch erhebliche Reserven. In Biogasregionen könnte Roggen und Triticale flexibel auch als Ganzpflanze vermarktet werden. Rechtzeitig gehäckselte Getreide-GPS hat das gleiche Methanbildungsvermögen wie Mais-GPS. Wenn beispielsweise auf einem kühleren Standort lediglich 2 t TM weniger geerntet würde als bei Mais und der Preis mit 7,50 €/dt TM unter dem von Silomais läge, wäre nach Tabelle 1 die DAL nur geringfügig geringer als bei Mais.
Und dies bei handfesten Vorteilen:
- Geringerer Humusabbau – Getreide ist keine Reihenkultur
- Erweiterte Möglichkeiten der Gärrestausbringung
- Größere Nutzungsflexibilität in Abhängigkeit vom Marktverlauf
- Höhere Ertragssicherheit auf sommertrockenen, leichten Standorten
- Frühere Ernte, deshalb höhere Erträge der Nachfrucht
- Erweiterte Zwischenfruchtoption (Gräser, Leguminosen)
Selbstverständlich sind die vorgestellten Kalkulationen nur beispielhaft. Die höchst unterschiedlichen Bedingungen vor Ort können nur durch individuelle Kalkulationen berücksichtigt werden. Deutlich wird jedoch die im Verlauf der letzten Jahre gestiegene Vorzüglichkeit von Weizen und Raps. Die Frage nach den abtragenden Fruchtfolgegliedern hinter Weizen wird eher schwieriger: Hier gewinnt Futtergetreide und auch Extensivgetreide an relativer Vorzüglichkeit. Die Körnernutzung steht in vielen Regionen in hartem Wettbewerb mit der Ganzpflanzennutzung und der neuen Marktfrucht Silomais.
Sven Böse