Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Die „Schallmauer“ ist durchbrochen

Wir produzieren heute Qualitätsgetreide über den eigenen Bedarf hinaus. Aufgrund des Zuchtfortschrittes hat deutsches Qualitätsgetreide auf den internationalen Märkten einen guten Ruf: Der durch die alten Sorten Monopol (1974) und Bussard (1990) über Jahrzehnte bestimmte sehr hohe Qualitätsstandard konnte erstmals durch eine Neuzulassung übertroffen werden. Die natürlichen Grenzen zwischen Ertrag und Qualität wurden aufgeweicht.

Mit dieser Neuzulassung kann darüber hinaus ein hohes Ertragsniveau realisiert werden.

In den zurückliegenden 30 Jahren wurden mehr als 250 neue Sorten in die Sortenliste eingetragen, darunter 25 E-Sorten. Der „landeskulturelle Fortschritt" bestand innerhalb der Qualitätsgruppen in ...

  1. der Stabilisierung und Erhöhung des Kornertrages durch verbesserte Adaptation an negative agronomische und klimatische Einflüsse. Zu ersteren gehören z.B. einseitige Fruchtfolgen und Frühsaaten, zu letzteren Trocken-, Hitze- und Strahlungsstress.
  2. der Erneuerung und Erweiterung der genetisch bedingten Resistenzeigenschaften, mit neuen Resistenzen gegen Blattkrankheiten und verbesserten Feldresistenzen gegenüber Ährenfusarium.
  3. der Verbesserung der agronomischen Eigenschaften, insbesondere Intensivierbarkeit, Stickstoffverwertung, Standfestigkeit, Druscheignung.
  4. der Optimierung der Qualitätseigenschaften.

Mittels der langjährig angebauten Verrechnungssorten des Bundessortenamtes (Bussard, Ritmo, Batis, Kanzler) lässt sich der Kornertrag des „genetischen Standards“ (Sorte Bussard) kalkulieren. Bezogen auf diesen „genetischen Standard" beträgt der genetisch bedingte Zuwachs des Kornertrages seit 1978 unter vergleichbaren Anbaubedingungen in der Qualitätsgruppe (QG) A ca. 25dt/ha, in QG B und C ca. 23dt/ha und in QG E ca. 20dt/ha (Abb. 1).

Genetisch bedingter Ertragszuwachs
Genetisch bedingter Ertragszuwachs
Daher können heute Sorten von Qualitäts- und Eliteweizen mit hohem und sehr hohem Ertragspotenzial angebaut werden.

Qualitätszüchtung
Biologisch bedingt besteht grundsätzlich eine negative Korrelation zwischen dem Kornertrag und der Backqualität, besonders dem Rohproteingehalt (r = -0,6 bis -0,7). In jahrzehntelanger systematischer und aufwändiger Züchtung gelang es in beeindruckender Weise, diesen Zusammenhang zu überwinden.

Bei der Züchtung und der Produktion von Winterweizen in Spitzenqualität (E9) spielten die Sorten Monopol (1975) und Bussard (1990) eine herausragende Rolle. Beide Sorten stehen noch heute in der Beschreibenden Sortenliste (2009), werden in der Praxis angebaut und haben seit ihrer Zulassung mehrere zehntausend Hektar Vermehrungsfläche erreicht. Noch immer müssen sich Neuzulassungen an diesen hohen Qualitätsvorgaben messen. Die durch Monopol und Bussard vorgegebene „Schallmauer” in der Gesamtheit der Qualitätseigenschaften wird 2010 durch die Neuzulassung Genius durchbrochen.

Sortenvergleich: Monopol (1975) – Bussard (1990) – Genius (2010)
Tab. 1 stellt die Merkmale in Ausprägungsstufen dar, in denen sich die Sortenunterschiede besonders deutlich zeigen. Genius ist allen anderen Weizensorten mindestens in den Merkmalen Fallzahl, Wasseraufnahme und Volumenausbeute überlegen. Gegenüber Akteur bestehen außerdem Vorzüge in den Resistenzen und im Kornertrag, gegenüber Event im Rohproteingehalt und in der Reifezeit.

Ausprägungsstufen von E-Weizensorten
Ausprägungsstufen von E-Weizensorten

Um die neue Sorte Genius rechnerisch korrekt mit Bussard und Monopol vergleichen zu können, wurden die Wertprüfungsdaten des Bundessortenamtes über fast dreißig Jahre analysiert. Über die jeweils parallele Prüfung von Monopol und Kanzler, von Kanzler und Bussard sowie Bussard und Genius lassen sich die Sorten vergleichen (Tab. 2). Im Vergleich zu Monopol erreicht Genius im Kornertrag 133 %, im Rohproteinertrag 135 % und in der Rohproteinqualität 102 %. Außerdem lagen die Werte für Fallzahl, Rohproteingehalt und Volumenausbeute höher. 

Sortenvergleich Monopol, Bussard, Genius
Sortenvergleich Monopol, Bussard, Genius
Die genetischen Quellen des Züchtungsfortschritts
Züchtung ist und bleibt ein langwieriger Prozess. Trotz moderner Techniken ist Züchtung kein „LEGO-Baukasten“, bei dem man beliebig die gewünschten Teile zusammensetzen kann. Von der Kreuzung bis zur eventuellen Marktpräsenz der daraus entstehenden Sorte vergehen immer noch 12 bis 15 Jahre. Da auch die Kreuzungseltern ihre spezifische Abstammung haben, offenbart sich oft eine Jahrzehnte zurückreichende Abstammung. Es werden Sorten und Linien aus ganz unterschiedlichen Herkünften und Züchtungsprogrammen kombiniert und selektiert. Die Abstammung von Genius lässt sich bis zu dem Jahre 1974 zurückverfolgen (Abb. 2). Durch die Zusammenführung von zwei Hochleistungs-Genpoolen („Pool Nordsaat" und „Pool Ost") entstand die „Transgression“, die zum entscheidenden züchterischen Fortschritt beitrug.

Fazit
Durch intensive Züchtungsarbeit ist es im E-Weizensegment gelungen, die natürliche Grenze zwischen Ertrag und Qualität aufzuweichen. Davon wird die Wirtschaftlichkeit des E-Weizenanbaus nachhaltig profitieren.

 

Abstammung ausgewählter Qualitätswintereizen (Nordsaat)
Abstammung ausgewählter Qualitätswintereizen (Nordsaat)

 Dr. Ralf Schachschneider

 

 

 

Genius in Bayern: Fachberater Franz Unterforsthuber franz.unterforsthuber@saaten-union.de

Nach meinem ersten Eindruck, ist Genius in der Bestockungsphase nicht übermäßig wüchsig und reagiert auf Trockenheit und Kälte (April 2010) teilweise mit physiologischen Blattflecken, wie wir das von Tommi kennen. In der Schossphase aber  holt  die Sorte auf und präsentiert sich vital und ist früh im Ährenschieben. Genius sollte nach meiner ersten Einschätzung nicht zu spät gedrillt werden, um gleichmäßige Bestockungstriebe zu erhalten und schwache, erst im Frühjahr angelegte Nebentriebe zu vermeiden.

Die Sorte sollte unter normalen Verhältnissen eher verhaltener angedüngt werden. Damit werden unproduktive Seitentriebe frühzeitig reduziert und es kann in der Schossphase eine ausreichende Menge Stickstoff zur Umsetzung der hervorragenden Qualität gegeben werden. Es empfiehlt sich die Ergänzung von Schwefel und auf einigen Standorten auch eine Gabe von Spurenelementen.

Gegenüber Mehltau und Rost ist Genius sehr gesund, bei Septoria tritici-Auftreten sollte jedoch früh behandelt werden.

Auf die mittlere Standfestigkeit ist unter normalen Anbaubedingungen mit WR-Splitting zu reagieren. 

 

 

 

 

 

 

 

Genius in Mecklenburg-Vorpommern: Fachberater Andreas Göbel andreas.goebel@saaten-union.de

Auch ich habe in der Nachwinterentwicklung eine zunächst verhaltene Wüchsigkeit festgestellt, die sich dann aber nicht fortsetzt. Über die gesamte Vegetation würde ich Genius sogar als so frohwüchsig bezeichnen, dass sich die Sorte auch auf Grenzstandorten bewährt hat.

In Mecklenburg-Vorpommern zeigte Genius nur abiotische Blattflecken in der Schossphase, die aber nicht überbewertet werden sollten.

Auf mittleren bis besseren Ertragsstandorten sind Aussaattermine von Mitte September bis Oktober optimal. Spätere Saattermine werden im Vergleich zu anderen Sorten in Mecklenburg-Vorpommern besonders gut toleriert.

Ich empfehle hier im Nordosten eine kräftige N-Andüngung besonders auf kühlen, feuchten und schweren Standorten. Genius hat eine hohe N-Effizienz und setzt Schwefel- und Stickstoffdüngung sicher in Protein und Ertrag um. 

Stand: 01.07.2010