Die Züchtungsmethodik bei Hybridroggen und Hybridweizen unterscheidet sich grundsätzlich voneinander. Zur Erzeugung von Hybridweizen wird ein chemisches Verfahren genutzt, bei dem die mütterliche Erbkomponente mit einem Pflanzenschutzmittel (Gametozid) behandelt wird. Diese bildet dadurch keinen Pollen und kann dann gezielt von der väterlichen Erbkomponente bestäubt werden. Hierfür sind ein Streifenanbau und die selektive Pflanzenschutzbehandlung notwendig. Hingegen wird im Hybridroggen mit einem genetischen Verfahren gearbeitet, bei dem sogenannte CMS-Hybriden (cytoplasmatische männliche Sterilität) erstellt werden. Das Verfahren wurde Mitte der 1970er-Jahre an der Universität Stuttgart-Hohenheim entwickelt.
Die Erzeugung von Hybridsaatgut ist auch bei Roggen aufwändig und langwierig
Die HYBRO Saatzucht hat sich auf die Entwicklung und Produktion von CMS-Roggen-Hybriden spezialisiert. Diese basieren auf reinerbigen Inzuchtlinien, die durch Selbstungen über mehrere Generationen entwickelt, danach gekreuzt und im Feld unter unterschiedlichen Umweltbedingungen getestet werden. Dieser Entwicklungsprozess dauert viele Jahre, erst dann kann die Produktion beginnen (Abb. 1). Die mütterliche Erbkomponente wird durch ein genetisches Zuchtverfahren steril gehalten. Somit kann bei der Erzeugung der F1-Hybride eine gezielte Bestäubung durch die väterliche Erbkomponente erfolgen. Hierbei ist es notwendig, dass die väterliche Erbkomponente ein Restorergen trägt, um die Sterilität der mütterlichen Erbkomponente aufzuheben und damit dafür zu sorgen, dass die F1-Hybride selbst fertil wird (sonst würden keine Körner ausgebildet). Das Hybridsaatgut wird folglich auf der mütterlichen Erbkomponente durch eine gezielte Befruchtung erzeugt. Die mütterliche Erbkomponente besteht aus zwei gezielt gekreuzten Inzuchtlinien (Single). Roggenhybriden werden mit diesem Verfahren also aus drei Komponenten erzeugt:
a) Aus der mütterlichen Erbkomponente (Single), die aus den Inzuchtlinien A und B besteht und selbst keinen Pollen bildet – siehe Schaubild roter Bereich.
b) Aus der väterlichen Erbkomponente (Restorer), die Inzuchtlinie C – in Abb. 1: blauer Bereich – die Pollen bildet und den Single bestäubt.
Vorstufen- und Basissaatgut-Produktion
Im Jahr 1 werden die Elternkomponenten des Singles vermehrt (Abb. 1: roter Bereich). Die Inzuchtlinie A wird im Streifenanbau produziert, da diese steril (rot – gelbe Schrift) ist und keinen Pollen bildet. Damit dies umsetzbar ist, existiert diese Linie auch als Erhalter (rot – schwarze Schrift), die die eigentliche sterile Inzuchtlinie bestäuben kann. Die Inzuchtlinie B kann offen abblühend vermehrt werden (hellrot). Im 2. Jahr wird dann aus der A- und der B-Inzuchtlinie der Single als AxB Kreuzung (Abb. 1: dunkelrot – hellrot) im Streifenanbau vermehrt. Im Gegensatz zur normalen Populationsroggenvermehrung (Abb. 1: grüner Bereich) muss penibel darauf geachtet werden, dass keine Fremdbestäubung stattfindet. Diese reinerbigen Eltern-Inzuchtlinien lassen sich damit nur bedingt in Deutschland vermehren, da der Pollendruck von außerhalb zu hoch ist. Diese Elternkomponenten werden in Regionen vermehrt, in denen typischerweise kein Roggen angebaut wird und eine gute Isolierlage vorhanden ist.
Nach der Roggenblüte wird dann der jeweilige Bestäuber vom Feld entfernt, damit bei der Ernte keine Vermischungen stattfinden. Dies geschieht beispielsweise durch Mulchen der Streifen. Gerade die Vermehrung der A- und B-Inzuchtlinien und des Singles erfordert ein besonderes Augenmerk. Das Ertragspotenzial der A-Inzuchtlinie, auf deren Grundlage der Single vermehrt wird, ist aufgrund der Inzuchtdepression niedrig. Zusätzlich reagieren diese Inzuchtlinien auch sehr sensibel auf Herbizide, sodass eine gute Feldhygiene besonders wichtig ist. Nachdem der Single geerntet, gereinigt und anerkannt ist, wird dieser sehr genau auf seine genetische Reinheit geprüft. Hierzu werden Kontrollparzellen ausgesät und untersucht.
Z-Saatgut-Vermehrung: Feldhygiene und stressfreies Pflanzenwachstum sind das A und O
Aus dem Single (AxB Kreuzung) und dem Restorer C wird zur Vermehrung des Z-Saatguts, der F1-Hybride (Abb. 1: violett), eine technische Mischung in der Saatgutaufbereitungsanlage erstellt (Abb. 1: BS TM in weißer Schrift). Hierzu wird ein kleiner Teil des Bestäubers in den Single technisch eingemischt. Diese technische Mischung wird an die vermehrenden landwirtschaftlichen Betriebe geliefert. Die Einmischung des Restorers stellt die Bestäubung im Feld sicher, da dieser zufällig verteilt mit ausgesät wird. Der Restorer stellt nun die Fertilität für die spätere F1-Hybride her. Um auch hier eine Fremdbestäubung durch dritte Roggenpflanzen auszuschließen, muss ein genügend großer Abstand dieser Vermehrungsflächen zu weiteren Roggenflächen sichergestellt werden, z. B. in arrondierten Feldlagen.
Weiterhin ist eine gute Feldhygiene besonders wichtig und die Pflanzen sollen möglichst wenig Stress ausgesetzt werden, damit die Wahrscheinlichkeit einer gleichmäßigen Blüte und guter Blühsynchronisation erhöht wird. Gerade Stresssituationen können dazu führen, dass eine der beiden Komponenten früher blüht. Sollte es dazu kommen, kann dies zu einer deutlich schwächeren Einkörnung bei der Vermehrung der F1-Hybride führen und damit einhergehend das Mutterkornrisiko bei dieser Vermehrung deutlich erhöhen.
Vor diesem Hintergrund sind die Aufbereitungsanlagen für das Z-Saatgut mit modernster Reinigungstechnik ausgestattet, sodass neben der eigentlichen Vor- und Hauptreinigung auch Trieure, Gewichtsausleser und Farbsortiertechnik der neuesten Generation mit Full RGB, NIR, NIR-InGaAs sowie Formerkennung zum Einsatz kommen.
Um für den Hybridroggen anbauenden Landwirt das Risiko einer Mutterkorninfektion später im Feld zusätzlich zu reduzieren, wird durch die Einmischung von 10 % Populationsroggen (Abb. 1 – grüner Bereich) in die F1-Hybride zusätzlicher Pollen zur Befruchtung zur Verfügung gestellt. Dies minimiert das Risiko und fördert eine gute Einkörnung.
Zusammenfassung
Die Elternkomponenten (Inzuchtlinien und Kreuzungen von Inzuchtlinien) von Hybridroggensaatgut lassen sich nur sehr bedingt in Deutschland vermehren, da der Pollendruck von außen und die Gefahr einer Fremdbefruchtung zu hoch sind. Auch bei der Z-Saatgut-Vermehrung des Hybridroggens ist auf ausreichend Abstand zu anderen Roggenflächen zu achten (arrondierte Feldlagen). Als ideale Vorfrüchte bieten sich Blatt- und Hackfrüchte an.
Die Hybridroggensaatgutvermehrung basiert auf einer technischen Mischung und ist einem größeren pflanzenbaulichen Risiko ausgesetzt als eine Saatgutvermehrung von Populationsroggen. Stresssituationen der Pflanzen können die Blühsynchronisation der beiden Elternkomponenten negativ beeinflussen, was zu einer schwächeren Einkörnung verbunden mit einem höheren Mutterkornrisiko führen kann. Gerade Trockenstress zur Blüte kann dies begünstigen, daher ist auf leichteren Standorten die Möglichkeit der Beregnung zur Vermeidung einer Stresssituation hilfreich.