Aktuelle Ausgabe 02/2024

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Innovative Sojazüchtung für den europäischen Anbau

Als der Sojabohnenanbau in Deutschland immer populärer wurde, kamen die Sorten hierzu fast ausschließlich aus Zuchtprogrammen, die nicht explizit Deutschland und die angrenzenden Länder im Fokus hatten. Allmählich zeichnete sich jedoch ab, dass der Sojaanbau im nördlicheren Europa nur dann eine Zukunft haben würde, wenn die Sorten in die Regionen passen. Daher wird beim Pflanzenzuchtunternehmen Ackermann Saatzucht GmbH & Co. KG seit 2018 eine Sojazüchtung für international passende Sorten aufgebaut. Dr. Olena Sobko gibt einen Überblick über Zuchtmethoden und Zuchtziele.

Am Anfang stand dabei ein Gemeinschaftsprojekt von der Bayerischen Pflanzenzuchtgesellschaft eG & Co. KG (BPZ) und mehreren bayerischen Züchtern, dessen Koordination in den Händen der LfL lag. Das Ergebnis nach fünf Jahren: regional angepasste Sojasorten aus den Reifegruppen 000 und 00 nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere europäische Länder.


Unterschiedlich abreifende Sorten im Sortenversuch
Unterschiedlich abreifende Sorten im Sortenversuch
Das große Problem beim Sojaanbau in Deutschland sind die geeigneten Sorten.“


Dieses Zitat stammt von einem sehr erfahrenen und engagierten Biolandwirt aus Oberbayern und beschreibt die aktuelle Situation hierzulande ziemlich genau. Die Sojabohne gewinnt in der heimischen Landwirtschaft weiter an Bedeutung. Nur gesundes und hochwertiges Saatgut leistet einen wichtigen Beitrag zu einer höheren Effizienz in der Landwirtschaft, zu einer nachhaltigeren Bewirtschaftung sowie zu einem hohen Soja-Selbstversorgungsgrad in Europa. Dementsprechend ist die primäre Aufgabe der Züchtung, immer besser an die hiesigen Bedingungen angepasste und „klimafitte“ Sorten zu züchten. Zudem sollen diese nicht nur den Bedürfnissen der heimischen Landwirtschaft, sondern auch denen der verarbeitenden Unternehmen und der Verbraucherinnen und Verbraucher entsprechen. Da sich die Umwelt- und Produktionsbedingungen sowie die Verbraucherwünsche stetig ändern, ist dies ein fortwährender Prozess.

In der Züchtung versteht man unter „Umwelt“ im engeren Sinne alle Einflüsse, die nicht genetisch bedingt sind – wie z. B. Klima und Wetter –, aber auch solche Faktoren wie Nährstoffversorgung, Unkrautbewuchs, Pilzinfektionen und Schädlingsbefall. Im weiteren Sinne muss man unter „Umwelt“ aber auch die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hinzunehmen.

Um genetische Vielfalt zu erzeugen, werden in der klassischen Züchtung Kreuzungen zwischen den zugelassenen Sorten und den Stämmen unterschiedlicher Herkünfte durchgeführt. Die Sojabohne stammt ursprünglich aus dem asiatischen Sommermonsungebiet – aus China. Hier wurde sie schon weit vor unserer Zeitrechnung kultiviert. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts blieb Soja außerhalb der asiatischen Heimat nahezu unbekannt. Erst nach dem II. Weltkrieg wurde die Pflanze in Nord- und Südamerika verbreitet. Der nordamerikanische Kontinent ist heute führend in der Sojaproduktion, gefolgt von Brasilien und Argentinien, zusammen werden hier über 80 % der weltweiten Sojaernte produziert. Europa hat hier also einen großen Nachholbedarf, zumal die Forderung nach regional erzeugten Sojabohnen immer lauter wird. Ackermann Saatzucht hat die neuen Herausforderungen beim Sojaanbau früh erkannt: garantiert 100 % GMO-freies Saat- und Erntegut, standortangepasste Sorten aus Reifegruppen von ultrafrüh 0000–000 für Norddeutschland bis spät 0–I für Italien und Ungarn. Wichtig für das Unternehmen sind zudem weltweite Vermarktungsrechte. Daher basiert das eigene Soja-Züchtungsprogramm auf agronomischen und qualitativen Kriterien.


Zuchtmethode

Neben der weiterhin fortgeführten Projektarbeit bei BPZ wird bei dem mittelständischen Zuchtunternehmen Ackermann Saatzucht mit dem Aufbau eines genomik-basierten Zuchtprogramms begonnen, um ertragsstarke, hochqualitative und gesunde, standfeste Sorten zu etablieren. Dabei kommen auch DNS-Marker zur Charakterisierung von Sojamaterial und zur Selektion von Eigenschaften zum Einsatz. Zudem wird aktiv ein Versuchsprüfnetz und eine Erhaltungszüchtung aufgebaut.

Die Sojabohne ist ein Selbstbefruchter, in nahezu 100 % wird die Narbe von den eigenen Pollenkörnern bestäubt. Ackermann verwendet das Ein-Korn-Ramsch-Verfahren (engl. Single Seed Descent, abgekürzt SSD) bei der Sojazüchtung (s. Eigangsbild). Hierbei wird von jeder F2- und dann auch F3-Pflanze nur ein Samen weitergeführt, dieser wird angebaut und die Pflanze damit geselbstet. Aus der entstehenden Pflanze wird wieder nur ein Samen geerntet und weiter geselbstet. Da die Umweltbedingungen bei dieser Arbeit keine Bedeutung haben, können zur Beschleunigung des Zuchtgangs die Arbeiten auch in einem Gewächshaus oder in unterschiedlichen Klimazonen durchgeführt werden. Da die Arbeiten sehr aufwändig und schwierig sind, werden die Kreuzungen und der Anbau der F2-, F3-, F4-Generationen bei einem Dienstleister in Chile und Costa Rica durchgeführt. Die Nachkommenschaften der F4-Pflanzen, die bereits homozygot sind, kommen zurück nach Bayern und werden dann weiter in der Zielumwelt als Parzellen in Exaktversuchen – Vorprüfungen – angebaut und selektiert.

Parallel startet hier auch schon der Aufbau der Erhaltungszüchtung, als Basis für eine zügige und ausreichende Saatgutproduktion. Die ausgewählten F5-Linien gehen in die ersten Leistungsprüfungen. Dazu werden die aussichtsreichsten Stämme auf 8– 10 m2 großen Parzellen an 3 bis 5 Orten angebaut. Die Selektion der besten Linien wird in den weiteren Prüfungen in der nächsten Generation auf noch mehr Standorten (meistens nicht nur in Deutschland, sondern auch z. B. in Österreich, Frankreich, Ungarn usw.) erreicht. Die Sortenkandidaten müssen dann dem Bundessortenamt und vergleichbaren Institutionen anderer europäischer Länder vorgestellt werden. Das Bundessortenamt in Deutschland nimmt eine weitere zweijährige Prüfung auf sojafähigen Standorten vor und trifft basierend auf den Versuchsergebnissen eine Entscheidung hinsichtlich einer Zulassung. In anderen Ländern wird ähnlich verfahren.

Die Genbank für Sojabohnen ist im Vergleich zu anderen Kulturarten nicht besonders groß. Um mehrere Anbauregionen mit den passenden Sorten bedienen zu können, sollte man die Kreuzungseltern möglichst so auswählen, dass eine größtmögliche Bandbreite genetisch abgedeckt wird. Daher ist Ackermann stetig auf der Suche nach exotischer Genetik von klassischen Sorten in Nordamerika, Asien (in erster Linie China und Japan), um sie einzukreuzen. Da es ca. 10 Jahre dauert, bis eine Sojasorte die Marktreife erlangt, sollte man den Klimawandel und eine zu erwartende Verschiebung der Anbauregionen schon heute im Blick haben. Daher werden in der Züchtungsarbeit auch andere Genpools mit einbezogen. Da Ackermann auf die markergestützte Züchtung (MAS) in Sojabohnen setzt, werden auch neue Ertrags- und Resistenzgene eingekreuzt. Parallel läuft allerdings die Suche nach alternativen Allelen weiter, die für sekundäre Eigenschaften von Bedeutung sind – z. B. Aminosäuren- und Ölzusammensetzung, Gehalt an antinutritiven Stoffen, Lecithin, Isoflavonen etc.


Zuchtziele

Schäden durch trockenheit
Schäden durch trockenheit
zu späte Sojapflanze in einem ansonsten fast reifen Bestand
zu späte Sojapflanze in einem ansonsten fast reifen Bestand
Wie bei allen anderen landwirtschaftlichen Kulturen sind auch bei der Sojabohne sehr viele Zuchtziele gleichzeitig zu bearbeiten. Von besonderer Bedeutung für den Anbau sind Kornertrag, Reife und Standfestigkeit. Hoher Kornertrag realisiert sich über eine hohe Kornzahl je Pflanze und diese durch möglichst viele Hülsen je Pflanze. Auch das Tausendkorngewicht wirkt sich positiv auf den Flächenertrag aus. Um wettbewerbsfähig gegenüber anderen Kulturarten zu sein, muss sich der Kornertrag auch bei der Sojabohne stetig weiterentwickeln und zwar auch in klimatisch weniger günstigen Gebieten. Allerdings ist eine frühere Reifezeit mit einem geringeren Ertrag verbunden. Daher ist es wichtig, dass verschiedene Sorten für die unterschiedlichen Klimabedingungen zur Verfügung stehen. Nur solche Sorten, die eine den jeweiligen Verhältnissen angepasste Reaktion auf Tageslänge und Temperatur zeigen, sowie Kältetoleranz für nördliche Anbaugebiete, sind ertragssicher. Ein weiteres Zuchtziel für die Verbesserung der Ertragssicherheit ist eine gute Standfestigkeit durch einen festen, nicht unbedingt kurzen Stängel. Das Thema „Höhe des untersten Hülsenansatzes“ ist zwar in aller Munde, ist aber genetisch nicht einfach zu bearbeiten. Die Sorten der neuen Generation haben generell das Gesamthülsenpaket nach oben verlagert, so werden die Ertragseinbußen beim Mähdrusch reduziert.

Die Sojabohne ist gegenüber Beikräutern konkurrenzschwach. Deswegen ist eine schnelle Jugendentwicklung, vor allem bei ungünstigeren klimatischen Bedingungen, wünschenswert, um einen rascheren Bestandesschluss zu erreichen. Eine Kühletoleranz von Sojabohnen ist notwendig, falls starke Spätfröste nach dem Auflaufen auftreten. Während der Blüte (Ende Juni/Juli) reichen schon Nachttemperaturen von unter 10 °C, 3–5 Tage lang aus, um einen Blütenabwurf zu verursachen. Kühletolerante Sorten sollten dies verhindern oder durch eine neue Blütenentwicklung den drohenden Ertragsverlust kompensieren.

Zwar ist die Sojabohne eine wärmeliebende Kultur, aber der primäre ertragsbegrenzende Faktor ist und bleibt die Wasserverfügbarkeit. Für einen hohen Ertrag benötigen Sojabohnen zur Blüte und Kornfüllung ausreichend Wasser. Neben dem Wasserbedarf für die normale Pflanzenentwicklung spielt dabei eine Rolle, dass die Knöllchenbakterien der Sojabohne bei zunehmender Trockenheit schnell ihr Wachstum einstellen und so den Sojabohnen nicht ausreichend Stickstoff zur Verfügung bereitstellen. Da aufgrund aktueller Prognosen zum Klimawandel davon auszugehen ist, dass Phasen langer Trockenheit und Hitzeperioden in der Zukunft eher mehr als weniger werden, wird in der Züchtung auf Material aus Genbanken gegriffen, das es den Knöllchenbakterien ermöglicht, auch bei Trockenheit kontinuierlicher und länger Stickstoff zu binden.


An der Verbesserung der Kornqualität wird züchterisch kontinuierlich gearbeitet.
An der Verbesserung der Kornqualität wird züchterisch kontinuierlich gearbeitet.

Eine Verbesserung der Kornqualität realisiert sich über mehrere Faktoren:

  • gleichmäßig große Samen mit gelber Samenfarbe und hellem Nabel
  • hoher Rohprotein- und Fettgehalt
  • Erhöhung des Methioningehaltes zur Verbesserung der Eiweißqualität
  • Optimierung der Fettsäurezusammensetzung
  • hoher Anteil an Phospholipiden (Lecithin)
  • höherer Zuckergehalt
  • niedriger Cadmiumgehalt
  • keine antinutritiven Stoffe wie Trypsin- und Ureaseinhibitoren

Ein hoher Proteinertrag ist erwünscht, da die Sojabohne hauptsächlich zur Fütterung eingesetzt wird. Ein zu hoher Proteingehalt in den Samen (mehr als 45 %) ist meist mit Ertragseinbußen verbunden. Daher ist derzeit das Ziel, Sorten zu züchten, die bei Eiweißgehalten um 43–45 % einen hohen Kornertrag aufweisen, um so einen möglichst hohen Eiweißertrag je Hektar zu erzielen. Sorten, die für die Herstellung von Tofu angebaut werden, sollten eine hohe Tofuausbeute bei gleichzeitig hoher Tofufestigkeit aufweisen und dabei ohne negative Geschmackseigenschaften sein, die zum Beispiel durch Saponine und Lipoxygenasen hervorgerufen werden. Auch die Fettsäurezusammensetzung kann für eine technische Nutzung des Sojaöles durch Verringerung der Linolensäure (Omega 3 : Omega 6 = 18 : 3, <3 %) zugunsten der Ölsäure (Omega 3 : Omega 6 = 18 : 1) verbessert werden.

Bislang spielen beim heimischen Sojaanbau Krankheiten keine bedeutende Rolle. Es ist jedoch zu erwarten, dass bei steigendem Anbau auch der Krankheitsdruck stärker wird. Derzeit ist die häufigste Krankheit die Weißstängeligkeit, verursacht durch den Pilz Sclerotinia sclerotiorum. Weltweit das größte Problem des Sojaanbaus ist der Befall durch Sojazystennematoden (Heterodera glycines). Die Ertragsverluste durch diesen Fadenwurm betragen jährlich mehrere Milliarden US-Dollar weltweit, vor allem in Nordamerika. Nach erfolgreichen Resistenzzüchtungen und mehreren Gen-Screenings ist es gelungen, ein Gen gegen diesen Schädling zu identifizieren. Von dieser Entdeckung soll baldmöglichst auch europäisches Material profitieren, um die Verbreitung des Schädlings frühzeitig zu unterbinden.

In nördlichen Ländern wie Dänemark oder Schweden, aber auch in Norddeutschland, wird vermehrt über die Sojasilonutzung diskutiert und auch einiges ausprobiert. Allerdings wird bei Ackermann keine spezielle Züchtung für die Nutzung der Sojabohne als Grünfutter- und Silagepflanze betrieben. Für die Silonutzung eignen sich Sorten, die eher spät reifen, hochwüchsig und blattreich sind.

Text: Dr. Olena Sobko

sobkolena91@gmail.com

Bilder: Sobko

Stand: 02.08.2023