Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Marktüberblick: Körnerleguminosen für Lebensmittel und Industrie – der Markt wächst

Die Zahl der Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, steigt und bringt Bewegung in das Angebot im Lebensmittelhandel. Petra Zerhusen-Blecher und Prof. Dr. Tanja Schäfer (FH Soest) geben einen Überblick über diesen boomenden Markt.

​Stetig mehr Menschen verzichten teilweise oder ganz auf Fleisch. Rund 10 % der Bevölkerung in Deutschland ernährt sich vegetarisch, etwa 1 – 2 % vegan. Fleischersatzprodukte (s. Abb. 1) und andere pflanzliche Proteinquellen verzeichnen daher ein stetiges Umsatzplus. Ob der Einstieg in diesen boomenden Markt sinnvoll ist, hängt von vorhandenen Markt strukturen1 und funktionierenden Wertschöpfungsketten ab.


Fleischersatz auf dem Vormarsch

Fleischersatz auf dem Vormarsch


Als treibende Faktoren für den Markt alternativer Proteinquellen sind u. a. die Nachfrage nach nachhaltigen, klimaschonenden und möglichst tierfreundlichen und auch regionalen Nahrungsmitteln zu nennen. Der Markt bietet, abgesehen von Hülsenfrüchten „pur“, eine Vielzahl an interessanten und wohlschmeckenden Produkten auf Basis pflanzlichen Eiweißes an wie z. B. Tofu und Tempeh auf Sojabasis, Milch- und Fleischalternativen aus Erbsenprotein, Eiweißbrote mit Ackerbohnen, Brotaufstriche auf Lupinenbasis u. v. m. (s. Abb. 2).


Sogar Fleischunternehmen, allen voran die Rügenwalder Mühle, sehen die Chancen, die sich durch die erhöhte Nachfrage nach Erbsen-Nuggets, Soja-Hackfleisch und Weizen-Frikadellen ergeben und investieren in nicht-tierische Proteine. In den vergangenen Jahren haben sich im deutschen Markt verschiedene Marktpartner im Bereich Lebensmittelvermarktung für Körnererbsen, Ackerbohnen, Soja und Lupinen etabliert: innovativ, regional und überregional agierend, von klein bis groß.


Beispiele für überregionale Vermarkter

Futtererbsen

GMO-, Allergenfreiheit, Proteingehalt und -qualität, eine nahezu 100 %ige Verwertbarkeit, Preis, Verfügbarkeit und das Image waren und sind wichtige Aspekte der Emsland Group für die Wahl und erfolgreiche Verarbeitung der gelben Palerbse. In den Werken in Golßen und Emlichheim werden ca. 42 % aller in Deutschland erzeugten Erbsen (Stand 2019) aus heimischem Vertragsanbau zu Erbsenstärke, Erbsenproteinisolat und Erbsenfaser verarbeitet**. Hier schließen sich zahlreiche Anwendungen nicht nur im Lebensmittelbereich an. Während z. B. das auf vegane Produkte spezialisierte Unternehmen endori food GmbH & Co. KG das Erbsenproteinisolat in Fleischersatzprodukten wie Burgern, Nuggets oder Hack verarbeitet, wird Erbsenstärke neben dem Lebensmitteleinsatz auch im Non-Food-Bereich als Zusatzstoff in Klebstoffen, Bioplastik und Beton eingesetzt. In 2023 wird Prodapi MV GmbH mit dem Produktionsstandort in Neubrandenburg ebenfalls in die Erbsenverarbeitung einsteigen. Mit einer geplanten jährlichen Verarbeitung von 66.000 Tonnen gelber Palerbse werden 12.000 Tonnen Protein, 28.000 Tonnen Stärke und 5.000 Tonnen Erbsenfasern produziert.


Ackerbohnensnack der Firma Bohnikat; Bild: Bohnikat
Ackerbohnensnack der Firma Bohnikat; Bild: Bohnikat
Ackerbohnen

Ein erfolgreiches Vermarktungskonzept für Ackerbohnen hat sich im niedersächsischen Cadenberge mit der Firma Fava-Trading GmbH & Co. KG als Zweigniederlassung der Raisa eG entwickelt***.

Hier werden die heimischen Ackerbohnen mit speziellen Reinigungsverfahren und optischen Sortierungen nach verschiedenen Qualitätsparametern gereinigt, sortiert und geschält. Die Roland Beans GmbH, ein Joint Venture der Roland Mills United GmbH & Co. KG und der Raisa eG, übernimmt die weitere Verarbeitung und den Vertrieb der erzeugten Mehle und Schrote in den Lebensmittelsektor z. B. für Backwaren, Panaden, Fleischwaren, Extrudate oder Pasta.


Lupinen

Aus einem vom BMBF geförderten Projektvorhaben hat sich die Firma Prolupin GmbH gegründet, die sich auf die Gewinnung von Lupinenproteinisolaten, Öl, Mehl und Fasern aus der blauen Süßlupine als Zutat für zahlreiche Lebensmittel spezialisiert hat.


Sojabohnen

Die in Süddeutschland ansässige Taifun-Tofu GmbH hat sich ganz auf die Herstellung von Tofu-Produkten spezialisiert. Die Bio-Sojabohnen stammen von ca. 170 Biobetrieben aus Deutschland, Österreich und Frankreich. Taifun-Produkte werden in nahezu allen Naturkostläden und Reformhäusern in Deutschland angeboten.


Sehr viele regionale kleinere Unternehmen sind aktiv

Auch abseits dieser Hauptakteure bewegt sich viel auf dem heimischen Körnerleguminosenmarkt. Innovative Unternehmen, Startups, Vereine oder Erzeugergemeinschaften beschäftigen sich mit der Verarbeitung von Hülsenfrüchten und der Herstellung von interessanten Produkten wie z. B. Pasta, Brot und Backwaren, Aufstriche, Burger, Snacks, Milchalternativen. Diese werden über Online-Shops, bei Direktvermarktern, regionalen Lebensmittelhändlern oder auch über die Gastronomie angeboten.


Wertschöpfungskette Ackerbohne; zum Vergrößern bitte anklicken

Wertschöpfungskette Ackerbohne; zum Vergrößern bitte anklicken


Wertschöpfungsketten müssen für alle Vorteile bringen

Um die hohe Qualität der verarbeiteten Hülsenfrüchte sicherzustellen, wird in Deutschland gerne auf die Möglichkeit des Vertragsanbaus zurückgegriffen. Anbauverträge bieten den landwirtschaftlichen Betrieben verlässliche Rahmenbedingungen über den Zeitraum von mindestens einem Wirtschaftsjahr und können ein gutes Vermarktungsmodell für die erzeugten Hülsenfrüchte darstellen. In Abb. 3 ist am Beispiel des jungen Unternehmens „Bohnikat“ eine Wertschöpfungskette schematisch dargestellt. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin hat sich der Vermarktung von Ackerbohnen in Form eines Ackerbohnensnacks verschrieben. Was mit 300 Kilogramm Ware vor gut drei Jahren begann, ist inzwischen schon bei einem Volumen von fünf Tonnen angekommen, Produktionsprozesse werden laufend optimiert und professionalisiert.

Dauerhafte Wertschöpfungsketten basieren darauf, dass alle Stufen Vorteile realisieren können. Eventuelle Einschränkungen durch Vorgaben von z. B. Anbau, Liefermengen und -qualitäten müssen durch Parameter wie Planungssicherheit oder Preis mehr als aufgewogen werden. Die aufnehmende Hand ist beim Beispiel „Bohnikat“ auch gleichzeitig Verarbeitungs- und Vermarktungsstufe und für den gesamten weiteren Weg bis zur Einzelhandelsstufe zuständig. Bei einem so überschaubaren Kreis an Mitwirkenden für ein derartig spezielles Produkt ist es existenziell wichtig, verlässlich planen zu können und eine hohe Produkttransparenz sicherstellen zu können. Dies erfolgt hier über die gezielte Auswahl an Anbaubetrieben, die erstens aus der Region stammen und zweitens biologisch wirtschaften – also systembedingt schon eine sehr hohe Produktionstransparenz mitbringen.

Der Snack kann online bezogen werden und wird an Bars, Feinkost- und Unverpacktläden geliefert. Letztere können ein sehr spezielles Produkt anbieten, das den hohen Ansprüchen der Kundschaft genügt und mit dem sie sich von Wettbewerbern abgrenzen.


Nicht für jeden Betrieb sind solche Modelle eine Option: Wenn aber die Möglichkeit besteht, probeweise einzusteigen, sollte man es auf einen Versuch ankommen lassen.

1 www.saaten-union.de/abnehmerkarte/

*Quelle: https://de.statista.com/infografik/26536/geschaetzter-umsatz-mit-fleischersatzprodukten-im-dach-raum

** s. auch www.praxisnah.de/201927

***s. auch www.praxisnah.de/201911

Stand: 10.10.2022