Teil I: Getreide
„ThermoSeed“-Heißdampfbehandlung
Das „ThermoSeed“-Verfahren arbeitet mit feucht-heißer Luft (ca. 70 °C heißer Dampf) und desinfiziert im ersten Schritt auf diese Weise das Saatgut. Im zweiten Schritt wird das Saatgut dann heruntergekühlt und getrocknet. Große Anlagen können direkt mit einer Abpackanlage für Big-Bags kombiniert werden, um eine größtmögliche Effizienz zu erreichen. In Südschweden läuft eine Anlage, die ca. 15 Tonnen Saatgut pro Stunde behandeln kann. 2019 wurden auch in Frankreich zwei neue Anlagen installiert. Neben der Saatgutbehandlung kann dieses Verfahren auch in der Nahrungsmittelindustrie genutzt werden, um Erntegut vor einer weiteren Verarbeitung zu desinfizieren.
Wirkspektrum: Streifenkrankheit, Netzflecken, Schneeschimmel, Steinbrand, Blatt- und Spelzenbräune – kein Effekt gegen Flugbrände.
Warm- bzw. Heißwasserbehandlung
Die Begrifflichkeiten sind hier nicht klar definiert, aber in der Regel wird bei der Warmwasserbehandlung von einer Temperatur um 45 °C ausgegangen, Heißwasserbehandlungen finden bei über 52 °C statt. Die Dauer der Behandlung ist hier von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Ein Nachteil bei beiden Verfahren ist, dass das Saatgut wieder getrocknet werden muss, was einen weiteren energetischen sowie monetären Aufwand bedeutet.
Wirkspektrum: Alle im Getreide relevanten samenbürtigen Krankheiten, je nach Kulturart zeigt Heiß- bzw. Warmwasserbehandlung eine jeweils bessere Wirkung. Eine der wenigen Methoden, die eine gute Wirkung gegen Flugbrände zeigt.
Saatgutbürstmaschinen
Verschiedene Hersteller bieten sogenannte Saatgutbürstmaschinen an, welche sich in erster Linie durch die Reinigungsleistung pro Stunde unterscheiden. Sie folgen dem einfachen Prinzip, die oberflächlich am Samen anhaftenden Sporen des Weizensteinbrandes abzubürsten. Krankheitserreger innerhalb des Kornes können hiermit jedoch nicht bekämpft werden.
Wirkspektrum: Weizensteinbrand
Elektronenbehandlung
Dieses Verfahren wurde vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP und Partnern entwickelt und nutzt die „biozide Wirkung von beschleunigten Elektronen“. Hiermit wird also eine Vielzahl verschiedener Mikroorganismen effektiv abgetötet. Ein negativer Einfluss auf den Embryo – und damit auf die Keimfähigkeit – kann bei richtiger Anwendung ausgeschlossen werden. Zurzeit sind verschiedene Anbieter (E-PURA, E-VITA, e-ventus®) auf dem Markt, welche aber alle nach demselben Prinzip arbeiten.
Wirkspektrum: Weizensteinbrand, Blatt- und Spelzenbräune, teilweise auch Schneeschimmel sowie Streifenkrankheit der Gerste
Biologische Beizmittel
Eine weitere Möglichkeit, gesundes Saatgut zu erhalten, liegt in der Nutzung biologischer Beizmittel. Diese nutzen das natürliche Bakterium „Pseudomonas chlororaphis Stamm MA 342“ als Wirkstoff. Die Bakterien besiedeln die Samenoberfläche und unterdrücken dort die Entwicklung pilzlicher Schaderreger.
Wirkspektrum: Cedomon gegen Streifenkrankheit, Netzflecken und Fusariumarten in Gerste (bedingt); Cerall gegen Steinbrand, Blatt- und Spelzenbräune und Fusariumarten in Weizen (bedingt).
Pflanzenstärkungsmittel
Neben den bisher genannten Verfahren gibt es auch weitere alternative Beizmittel, welche allerdings nicht als Pflanzenschutz-, sondern als Pflanzenstärkungsmittel gelistet sind. Diese werden oft als „Biologicals“ bezeichnet. Verschiedene Mittel, wie z. B. Tillecur® oder Lebermooser, zeigen in Versuchen mittlere bis gute Wirkung gegen die Streifenkrankheit der Gerste, Blatt- und Spelzenbräune beim Weizen sowie auch gegen Flugbrand bei Hafer (Lebermooser).
Aktuell laufen bei der HYBRO Saatzucht Versuche an mehreren Standorten, in denen verschiedene physikalische Verfahren, aber auch „Biologicals“ mit konventionellen Beizmitteln verglichen werden – eigene Erkenntnisse zu den Verfahren werden also zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls vorliegen.
Welche Methoden sich in der Praxis letztendlich durchsetzen werden, hängt vermutlich stark vom jeweiligen Anbieter in einer Region ab – denn wo der Einsatz alternativer Beizstoffe dezentral relativ einfach möglich ist, bedeuten Verfahren wie die „Elektronenbeize“ oder „ThermoSeed“ erst einmal einen großen Investitionsaufwand.
Teil II: Raps
Der RAPOOL-Ring kombiniert seine Beizkomponenten mit einem biologisch aktiven Stamm der Art Bacillus atrophaeus. Bacillus atrophaeus ist ein natürlich vorkommendes Bodenbakterium, welches parallel mit der Keimung des Saatgutes zügig den Rapskeimling besiedelt und auf der Wurzeloberfläche einen Biofilm ausbildet.
Hier wird dann u. a. das Phytohormon Auxin freigesetzt und so besonders die Wurzelentwicklung in der Jugendphase stimuliert. Des Weiteren wird durch das Zusammenspiel von Bacillus und Wurzel speziell das nicht pflanzenverfügbare Phosphat für die junge Rapspflanze verfügbar gemacht. Auf diese Weise fördert dieser als Bodenhilfsstoff deklarierte Bacillus-Stamm das Jugendwachstum des Rapsbestandes und ergänzt so den chemischen Keimlingsschutz gegen den Komplex der Auflaufkrankheiten.
Auf das Zusammenspiel von Pflanze und Bakterienstamm wirkt auch die Temperatur ein. Um diese Interaktion beschreiben zu können, nutzt RAPOOL eine hauseigene Methode, einen sogenannten Thermogradiententisch (s. Bild). Auf diesem Tisch wird kontinuierlich die Keimung und Entwicklung verschiedener Saatgutbehandlungen in Felderde bei Bodentemperaturen zwischen 5 °C und 40 °C stufenweise beobachtet. Dabei konnte schon bei einer kühlen Bodentemperatur von 10 °C ein mittlerer Wachstumsvorsprung von 11 % in der Keimgeschwindigkeit gegenüber der Kontrolle mit dem Beizfungizid ohne den Bacillus-Stamm ermittelt werden. Am stärksten ausgeprägt war dieser Wachstumsvorsprung nach 7–8 Tagen mit 28 % mehr Keimlingen mit vollständig entfalteten Keimblättern.