Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Fruchtfolge: Vielfalt rechnet sich

Ausgeglichene Fruchtfolgen sind das wichtigste pflanzenbauliche Werkzeug für mehr Ertrag, Gesundheit und Sicherheit. Sven Böse vergleicht Anbaualternativen für die kommende Herbst- und Frühjahrsbestellung.

1/3 Raps in der Fruchtfolge? Das wird nicht mehr funktionieren!
1/3 Raps in der Fruchtfolge? Das wird nicht mehr funktionieren!
Steigende Anbauflächen bei den Nischenkulturen zeigen, dass die Landwirte bereit sind, ihre Rotationen auch mit extensiveren Früchten zu erweitern. Selbst nach ernüchternden Anbauerfahrungen in Trockenjahren und mancherorts (noch) unterentwickelten Absatzmöglichkeiten! Doch um nachhaltig zu sein, müssen sich Fruchtfolgen auch rechnen.


Wie kalkuliert man komplexe Fruchtfolgen?

Das prinzipielle Vorgehen soll am Beispiel einer über Jahrzehnte dominierenden Fruchtfolge diskutiert werden: Raps–Weizen–Gerste. Mit einer Fruchtfolgeerweiterung soll zum einen der „Rapsmüdigkeit“, zum anderen den Vergrasungsproblemen dieser einseitigen Winterungsfruchtfolge begegnet wird. Um diese mit Sommerungen aufzubrechen, wird als viertes Fruchtfolgeglied eine Leguminose im Wechsel mit Sommergetreide integriert (siehe Abb. 1). Beide stehen also im Hinblick auf gesunde Anbaupausen v. a. für die Leguminose auf je einem Achtel der Rotation.


Fruchtfolge

Fruchtfolge


Um eine solche erweiterte Fruchtfolge ökonomisch zu bewerten, gibt es mehrere Möglichkeiten:

  1. Man berechnet nach den üblichen ökonomischen Tabellenwerten der Fruchtfolgeelemente deren Mittelwert. Nach den aktuellen KTBL-Kalkulationsdaten für mittlere Böden und Erträge sinkt der durchschnittliche Deckungsbeitrag mit den beiden zusätzlichen Extensivfrüchten im genannten Beispiel von 442 auf 379 €/ha, also um durchschnittlich 63 € je Hektar! Milchmädchenrechnungen dieser Art – noch vor wenigen Jahren stark verbreitet – würgen Diskussionen um erweiterte Fruchtfolge jedoch von vornherein ab! Denn sie unterschlagen die Wirkung der neuen Kultur auf anderen Fruchtfolgeelemente, d. h. die gesamte Fruchtfolge. Genau auf diese kommt es aber doch gerade jetzt an!
     
  2. Optimal ist die Bewertung einer erweiterten Fruchtfolge mit den konkret zu erwartenden Wechselwirkungen: So liefert vor allem der selbstunverträgliche Raps im vierjährigen Abstand höhere und stabilere Erträge. Auch Wintergerste drischt in der neuen Fruchtfolge erheblich mehr, steht sie doch nicht mehr abtragend nach Weizen, sondern nach einer Blattfrucht bzw. Hafer. Für Weizen wäre zumindest auf weniger günstigen Standorten ein kleinerer Ertragsvorteil aufgrund der vierjährigen Stellung zu erwarten. Auch profitieren dessen Proteingehalte von der höheren N-Nachlieferung. Gleichzeitig verringern sich mit 25 % Sommerung die Vergrasungsprobleme, der Herbizidaufwand sinkt erheblich, daneben auch etwas der Fungzidbedarf. Solche Annahmen sind nicht spekulativ, sondern aus Erfahrungen und Fruchtfolgeversuchen abzuleiten! Werden diese Vorteile zurückhaltend mit nur 250 €/ha bewertet1, ist die oben unterstellte Deckungsbeitragslücke der Rotation bereits ausgeglichen!
     
  3. Im Folgenden werden die Anbaualternativen allgemeiner, also losgelöst von individuellen Fruchtfolgesituationen verglichen. Dazu werden die üblichen ökonomischen Planungsgrößen um einen kalkulatorischen „Fruchtfolgewert“ erweitert, der die mittleren betriebswirtschaftlichen Wirkungen einer Kultur auf das Ergebnis verbreiteter Fruchtfolgen berücksichtigt. Ökonomische Erfolgsgröße ist die direkt- und arbeitskostenfreie Leistung (DAL) inklusive dieses Fruchtfolgewerts.

Fruchtfolgewert mit Gefühl und Realismus schätzen!

Im genannten Beispiel – der Auflockerung einer engen Winterungsfolge – wurde dieser Fruchtfolgewert für das Duo Ackerbohne/Hafer mit 250 €/ha im Mittel beider Früchte kalkuliert!

Grundsätzlich gilt:

  • Je weniger fruchtbar der Standort,
  • je einseitiger die bisherige Fruchtfolge,
  • je größer der Ungras-, Krankheits- und Schädlingsdruck,
  • je knapper die Nährstoffversorgung und
  • je höher die Terminkosten infolge einseitiger Arbeitsverteilung,

umso lohnender eine weitere Fruchtfolge, umso höher also der Fruchtfolgewert einer geeigneten, zusätzlichen Kultur.

Dabei sind gleichermaßen Gefühl und Realismus gefragt: Pflanzenbauliche Chancen sind umfassend und angemessen zu bewerten, ohne sich jedoch andererseits mit unrealistischen Annahmen „Geld in die Tasche zu lügen“! Gerade bei Hackfrüchten sowie Silomais sind gegebenenfalls auch negative Aspekte zu berücksichtigen: Erosionsrisiken, höhere Humuszehrung, Strukturschäden bei nasser Erntewitterung oder auch Ertragsrisiken des später bestellten Wintergetreides. Vergleichsbasis der Beispielskalkulation in den Tabellen ist Wintergetreide mit Strohdüngung.

Sommergetreide wird demgegenüber 40 €/ha Fruchtfolgebonus zugestanden, der Gesundungsfrucht Hafer 80 €/ha, Winterraps 120 €/ha, den Leguminosen 80 – 160 €/ha. Silomais wird allgemein mit 80 €/ha minus kalkuliert, als einzige Sommerung in einer Rotation wäre dieser Wert natürlich – ebenso bei Zuckerrübe – günstiger anzusetzen.


Winterungen – es muss nicht immer Weizen sein

Die Wirtschaftlichkeit eines neuen Fruchtfolgeelements leitet sich aus dem Vergleich mit dem zu verdrängenden bzw. ökonomisch schwächsten Fruchtfolgeglied ab. Dieses ist in unserem Beispiel der Stoppelweizen. Der Gleichgewichtsertrag und der Gleichgewichtspreis geben an, wie viel eine Kultur wenigstens dreschen bzw. erlösen muss, um zu dieser Vergleichskultur wettbewerbsfähig zu sein. Wie in Tab. 1 zu erkennen, trifft dies bei den Winterungen für alle untersuchten Marktfrüchte zu. Bei solchen Kostenvergleichen dürfen jedoch nicht „Äpfel mit Birnen” verglichen werden. Bei Roggen beispielweise ist nicht von den üblichen geringeren Kosten auf leichteren Böden auszugehen, wenn er bei höchster Ertragserwartung direkt mit Weizen verglichen wird. In Abbildung 2 sind für einige Kulturen die Kosten detaillierter aufgeschlüsselt. Wichtig sind hierbei vor allem die Relationen zueinander, die sich bei den meisten Kulturen auch regional und ertragsabhängig nur wenig unterscheiden. Wenn dennoch Anpassungen nötig sind, etwa bei den Trocknungskosten für Körnermais, können diese im Fruchtartenrechner individuell vorgenommen werden“


Ökonomischer Vergleich Herbstkulturen

Ökonomischer Vergleich Herbstkulturen

Ökonomischer Vegleich Sommerungen, Vergleichskultur ist Stoppelweizen

Ökonomischer Vegleich Sommerungen, Vergleichskultur ist Stoppelweizen

 


Besonders überzeugen in dieser Beispielsrechnung Durum und Dinkel, allerdings nur in Verbindung mit Vorverträgen bzw. sicheren Preisaufschlägen. Eine gewisse Unsicherheit liegt in der kontrahierten Qualität. Fällt nach schwieriger Abreife die Fallzahl des Dinkels oder die Glasigkeit des Durums ab, sind die Aufwüchse meist nur als Futtergetreide abzusetzen. Wird z. B. in jedem 5. Jahr mit Absatzproblemen bzw. Futterweizenerlösen gerechnet, verringert sich der mittlere Erzeugerpreis bei Winterdurum von 23,70 auf 22,54 €/dt, die DAL sänke um 78 €/ha. Auch bei Braugerste, Qualitätshafer oder E-Weizen sollte beim Preis eine Mischkalkulation vorgenommen werden, wenn die geforderten Spezifikationen erfahrungsgemäß nicht immer erreicht werden.

großer züchterischer Fortschritt bei Hybridroggen
großer züchterischer Fortschritt bei Hybridroggen
Der züchterische Ertragsfortschritt bei Hybridroggen ist auf den leichten und mittleren Standorten größer als der anderer Getreidearten. Auch steht die Strohstabilität neuer kurzstrohiger Sorten der von Weizen und Triticale nicht mehr nach. In Veredelungsbetrieben ist Hybridroggen deshalb häufig das lukrativste Futtergetreide, denn: im eigenen Futtertrog kann der hohe Futterwert des Roggens voll genutzt werden, dieser liegt in der Schweinemast nur etwa 0,50 €/dt unter dem des Weizens. Hinzu kommt der positive Einfluss löslicher Ballaststoffe auf die Darmgesundheit und das Wohlbefinden der Tiere sowie die geringeren Stickstoff- und Phosphorausträge über die Gülle (www.praxisnah.de/202027).

Für einen fairen Vergleich ist auch die Fruchtfolgestellung der Kulturen zu berücksichtigen, denn abtragendes Wintergetreide ist gegenüber solchem nach Blattvorfrucht ertraglich benachteiligt. So ist der besonders selbstverträgliche Roggen in abtragender Fruchtfolgestellung dem Weizen oft überlegen und damit selbst auf besseren Böden u. U. eine interessante Alternative zu Stoppelweizen.

Dies gilt noch mehr für die Wintergerste, der wichtigsten abtragenden Kultur in getreidebetonten Fruchtfolgen. Deren Ertragsnachteil zum Weizen ist gerade in trockeneren Anbauregionen vor allem der schlechteren Vorfrucht geschuldet. Ihr hoher Vorfruchtwert ist vor allem durch die höheren Erträge der Nachfrucht begründet, bei Raps und Zuckerrüben ebenso wie bei anspruchsvollen Zwischenfruchtmischungen.

Vor allem auf den klassischen Zweizeilerstandorten ist Winterbraugerste eine lukrative Alternative: Neue Sorten verbinden erstmals eine hohe Ertragsleistung und Anbausicherheit mit besten Verarbeitungseigenschaften, das Interesse der Mälzer und Brauer wächst. Selbst bei Preisen etwas unter Sommerbraugerste und 10 % weniger Ertrag als Winterfuttergerste wäre Winterbraugerste beiden Kulturen überlegen – entsprechende Absatzmöglichkeiten und Preisaufschläge nach der Coronakrise vorausgesetzt.


Sommerungen gehören in jede Fruchtfolge!

Für die Ausnutzung der meist ergiebigen Sommerniederschläge sollten – wo immer möglich – späte Hackfrüchte oder Mais in die Fruchtfolge. Bei entsprechenden Voraussetzungen ökonomisch unstrittig sind Kartoffeln, Zuckerrüben wie auch weitere Hackfrüchte, z. B. Feldgemüse. Als Spezialkulturen mit hohen Zugangsschwellen werden diese hier jedoch nicht weiter behandelt.



Abbildung 2: 

Produktionskosten

Produktionskosten


Gewinnerfrucht auf den wärmeren Lagen ist weiterhin Körnermais. Die sehr hohen Trocknungskosten könnten sich bei fortschreitender Erwärmung und eher sinkenden Energiekosten verringern. Silomais als Marktfrucht erfordert faire Anbauverträge, zumal wenn wie hier eine negative Fruchtfolgewirkung unterstellt wird. Als unterster Marktpreis wird in der Beispielsrechnung – ebenso bei Roggen-GPS – der Gleichgewichtspreis zum Stoppelweizen herangezogen.

Auch die Sojabohne, die sich als gentechnikfreie und regionale Alternative zum Weltmarkt preislich sehr gut stellt, ist eine Gewinnerin des Klimawandels. Beide Früchte profitieren in ihrer Jugendentwicklung von trockenen und damit eher warmen Frühjahren. Entscheidend ist eine ausreichende Wasserversorgung zur Blüte, die ebenso wie ausreichende Temperatursummen am ehesten in den süddeutschen Körnermaislagen vorliegt.

Doch wie steht es um Hafer, Braugerste, Durum und heimische Leguminosen? Ackerbohnen, Körnererbsen und andere heimische Leguminosen sind gegenwärtig i. d. R. nur unter Berücksichtigung eines sehr hohen Vorfruchtwertes interessant. Das dürfte sich ändern, sobald sich auch hierfür lukrative Absatzmöglichkeiten ergeben, regional ist das bereits der Fall. In Biobetrieben und dort, wo Leguminosen von Kulturlandschaftsprogrammen2 profitieren, sieht die Rechnung anders aus. Auch die Verwertung der Ernte im eigenen Betrieb kann die Wirtschaftlichkeit verbessern.

Sommerraps, Sommerweichweizen und Sommerdurum sind meist Lückenbüßer für die wirtschaftlich interessanteren Winterformen. Eine Sonderstellung hat der Wechselweizen, der bei Spätherbstaussaat durchaus mit Winterweizen entsprechender Qualität konkurrieren kann und mit seiner extremen Aussaatflexibilität von Ende Oktober bis April punktet.

Bei Braugerste stauen sich gegenwärtig die Mengen. Der häusliche Konsum kann den rückläufigen Bierabsatz nicht auffangen. Auf Sicht, nach dieser „Corona-Delle”, wird Braugerste jedoch wieder interessant, zumal Deutschland hier kein Selbstversorger ist und regionale Produktion zunehmend gefragt wird.

Hafer ist im Kommen!
Hafer ist im Kommen!
Hafer erfährt weltweit als „Functional Food“ steigende Wertschätzung, gleichzeitig wird er auch ackerbaulich neu bewertet – als Gesundfrucht sowie im Hinblick auf die Düngeverordnung und seine bodenverbessernde Wirkung. Lohnend ist Hafer wie auch Sommergerste und Sommerdurum allerdings nur, wenn die geforderten Qualitäten erreicht werden. Bei Durum ist dies am ehesten auf tiefgründigen Böden in sommertrockenen Regionen zu erreichen, bei Hafer in feuchtkühlen Lagen, bei Braugerste auf gut strukturierten Standorten mit nicht zu hoher N-Nachlieferung.


Fruchtfolgeplanung – die hohe Schule der Ökonomie

Spezialkulturen ausgeklammert, wird das meiste Geld in Marktfruchtbetrieben wohl auch zukünftig mit Raps, Wintergetreide und Mais verdient. Allerdings nicht mehr in engen Rotationen, sondern zusammen mit einem steigenden Anbauumfang „dienender“ Fruchtarten. Diese mögen für sich selbst betrachtet zunächst wenig interessant erscheinen, ermöglichen jedoch, das Potenzial der wirtschaftlich tragenden Kulturen besser auszuschöpfen!

Deshalb sind auch extensivere Alternativkulturen häufig wirtschaftlich, wenn deren Vorteile über die gesamte Fruchtfolge berücksichtigt werden. Allerdings gibt es dafür keine allgemeingültigen Werte. Fruchtfolgen sind deshalb nicht nur die hohe Schule des Pflanzenbaus, sondern auch der Ökonomie und des Risikomanagements. Denn neben den Ertragsrelationen ist vor allem der kalkulatorische Fruchtfolgewert einzelbetrieblich zu differenzieren. Auf der Website der SAATEN-UNION können Sie so mit dem „Fruchtartenrechner3 Ihre eigene Rechnung aufmachen, um noch besser abzuschätzen, welche Anbaualternativen für Sie interessant sind.

„Mit dem neuen Fuchtartenrechner können online die Anbaualternativen individuell für jeden Standort kalkuliert werden“

https://www.saaten-union.de/fruchtartenrechner

Fruchtfolgeentscheidungen sind strategisch zu treffen, unabhängig von kurzfristigen Ertrags- und Preisausschlägen. Wichtig ist auch Beharrlichkeit, manche Effekte sind nicht gleich nach der ersten Rotation spürbar. Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg ist deshalb neben Aufgeschlossenheit und Lernfähigkeit auch Geduld.

 

Sven Böse

 


1 z. B. Mehrerträge: 3 dt/ha Raps, 5 dt/ha Wintergerste, 1 dt/ha Winterweizen, 40 €/ha geringere Herbizidkosten

2 z. B: Fünffeldrige Fruchtfolgen mit mindestens 10 % großkörnigen Leguminosen – 120 €/ha Förderung auf die gesamte Ackerfläche (Bayern)

3 siehe www.saaten-union.de/fruchtartenrechner

 

Stand: 02.07.2020