Aktuelle Ausgabe 01/2024

Ausgaben

Sonderausgaben

Themen

Abonnement

Impressum

Datenschutzerklärung

Cookie-Einstellungen

Kommentar: Nicht die Welt retten, sondern Brücken bauen

Zwischen Bauernhof-Idylle und Landwirtschaft XXL – wie wichtig ist Kommunikation heute und was können Betriebsleiter tun? Dirk Gieschen Marketing- und PR-Spezialist aus Tarmstedt hat im Rahmen eines SAATEN-UNION Feldtages am 4. Juni zu diesem Thema einen Vortrag gehalten, den wir hier in Auszügen abdrucken.

Bild: Gieschen
Bild: Gieschen
Wie wichtig ist die Kommunikation mit Nachbarn und Nicht-Landwirten für landwirtschaftliche Betriebe? Auf den Punkt gebracht: Eine gute Kommunikation ist hochgradig wichtig – und sie wird auf lange Sicht zu einem der entscheidenden Erfolgsfaktoren für zukunftsorientierte Betriebe. Aber: Mit dem herkömmlichen, sehr landwirtschaftlich-fachlichen Kommunikationsstil und dem gern verbreiteten Bild der Bauernhof-Idylle kommen wir nicht weiter, wenn wir aus Sicht der Bevölkerung „Landwirtschaft XXL“ betreiben.


Das gilt für alle Zweige der Landwirtschaft, auch wenn es die Tierhalter bisher sicherlich deutlich stärker als die Ackerbauern getroffen hat. Mit der immer massiveren Kritik an Pflanzenschutz und Düngung wächst auch für Ackerbauern der Handlungsbedarf in Sachen Kommunikation. Der klassische Pflanzenschutz, die Mineraldüngung, die Gülleausbringung, selbst die Pflanzenzucht und der Einsatz moderner Landtechnik stehen im Zentrum der Kritik an der „modernen Landwirtschaft“ mit „immer größeren Betrieben“.


darüber unterhält

darüber unterhält
Darüber reden Landwirte

Darüber reden Landwirte


Die Distanz zur Landwirtschaft wächst

Einer der wesentlichen Gründe für diese Entwicklung liegt an der Distanz zwischen der Bevölkerung und der in der Landwirtschaft Tätigen. Der Unterschied zu den 60er Jahren ist: Das allgemeine Volk hat keine Großeltern mit einem Bauernhof mehr. Und da 75 Prozent der Bevölkerung in Städten lebt, sind diese Menschen weit weg von der praktischen Landwirtschaft. Das gilt genauso auch im ländlichen Raum und hier vor allem in den Neubaugebieten. Die Folge ist eine sprichwörtliche „Funkstille“ zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung. Eine direkte Kommunikation findet kaum noch statt – und wenn überhaupt, dann nur auf den Höfen mit direktem Kundenkontakt im Hofladen oder bei Betrieben mit „Ferien auf dem Bauernhof“. Hier gilt dann: Der „bäuerliche“ Landwirt und die Landwirtsfamilie „zum Anfassen“ sind gut und haben oft noch ein hohes Ansehen in der Bevölkerung, aber für die „moderne Landwirtschaft“ als Ganzes, ohne greifbare Personen, direkten Kontakt und persönliches Erleben gilt das nicht mehr.


Was kann der Einzelne tun?

Werden Sie zum „Brücken-Bauer“ und bauen Sie die Landwirtschaftsferne der Bevölkerung in Ihrem Dorf ab. Es gibt vor Ort genug Bürger, die in der öffentlichen Diskussion nicht zu den „Lauten“ gehören, und die sich für Sie als Menschen interessieren. Das sind Mitbürger, die Transparenz suchen. Sie wollen verstehen, warum die heutigen Arbeitsweisen in Ordnung und für die Erzeugung von guten und gesunden Lebensmitteln geeignet sind.

Diese Verbraucher haben eigentlich schon verstanden, dass „normale“ – also konventionell erzeugte – Lebensmittel aus Deutschland sicher sind. Aber sie sind verunsichert, weil in Politik und Medien andere Botschaften verbreitet werden. Und weil es genügend echte oder vermeintliche Problemfelder und -fälle rund um die Landwirtschaft gibt, über die in den Medien berichtet wird.


Vertrauen als Summe positiver Erfahrungen

Fest steht: Wenn neues Vertrauen beim Verbraucher aufgebaut werden soll, dann ist dies ein längerer Weg. Vertrauen ist die Summe positiver Erfahrungen und entsteht nur langsam. Aktuell fehlt vielen Verbrauchern und kritischen Politikern diese Summe an positiven Erfahrungen – zumindest aus dem eigenen Blickwinkel und in der überregionalen Betrachtung. Das Bild, das die moderne Landwirtschaft als Branche derzeit abgibt, ist aus deren Sicht extrem auf Abwehr von Vorwürfen und Verteidigung der aktuellen Arbeitsweisen ausgelegt. Es entsteht der Eindruck, dass damit Probleme schöngeredet und „schwarze Schafe“ gedeckt werden sollen. Mein ganz klarer Rat: Versuchen Sie nicht, diese grundsätzliche „Verteidigungsaufgabe“ selbst zu schultern und allein die Welt zu retten. Die überregionale „Weltrettung“ im Sinne der Branchenkommunikation ist Verbands- und Politikaufgabe!


Der Landwirtschaft ein Gesicht geben

Werden Sie aktiv und geben Sie der Landwirtschaft ein Gesicht: Informieren Sie Ihre Nachbarn und das dörfliche Umfeld über Ihr Tun. Suchen und pflegen Sie den Kontakt zu den Neubürgern in den Wohngebieten sowie zu lokalen und regionalen Multiplikatoren in Vereinen und Institutionen. Konzentrieren Sie sich auf diejenigen, die interessiert und gesprächsbereit sind. Lassen Sie sich nicht gleich entmutigen, wenn viele zunächst reserviert sind. Investieren Sie nicht viel Kraft in Gespräche, wenn die Gegenseite gleich aggressiv auf das Gesprächsangebot reagiert, sondern bleiben Sie höflich und gehen sprichwörtlich eine Tür weiter.

Das Ziel der Kommunikation vor Ort sollte sein, die Distanz zu verringern und Brücken aufzubauen. Schaffen Sie zu diesem Zweck Anlässe für das nähere Kennenlernen und für positive Erlebnisse der Adressaten Ihrer Kommunikation. Das kann beispielsweise eine gemeinsame Radtour als Feldrundfahrt ebenso sein wie das Angebot, sich die Erntearbeiten und den Maschinenpark einmal vor Ort anzuschauen. Ein kleines Erntefest in gemütlicher Runde kann ebenfalls ein erster Schritt in Richtung des bisher unbekannten Nachbarn sein.


„Als Landwirte setzen wir in Diskussionen oft zu viel Wissen voraus. Aber wer keinen Garten hat, der versteht nicht, warum Pflanzen Dünger brauchen und warum Unkräuter, Pilze und Läuse ein Problem sind.“

Greifbare Erklärung schlägt Fachvortrag

Machen Sie Themen greifbar: Fachlich-wissenschaftliche Vorträge oder Jammer-Geschichten mag nach Feierabend niemand wirklich gern hören. Mein Tipp: Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Gegenübers und überlegen Sie, mit welchen Maßstäben Ihr Nachbar aus seinem Berufs- oder Familienleben denkt. Erklären Sie mit wenigen, aber sehr greifbaren Beispielen den Unterschied zwischen „der Landwirtschaft“ als Ganzes und Ihrem eigenen Handeln und Tun auf Ihrem Standort.

Zeigen Sie auf, wie Ihr Betrieb funktioniert und mit welchen zeitlichen Engpässen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Sie arbeiten. Geben Sie ein Beispiel dafür, was politische Vorschläge oder Beschlüsse für Sie persönlich bedeuten und wie einfach oder eben wie schwierig und kostenträchtig die Umsetzung wäre. Vermeiden Sie Nestbeschmutzung, aber zeigen Sie klar die Grenzen auf, wo aus Ihrer Sicht das Handeln der „schwarzen Schafe“ beginnt.


Beispiel für "Feldrandkommunikation":

Hier wächst Dinkel
Hier wächst Dinkel


Erfolgreicher Brückenschlag vor Ort

Wenn Ihnen das in interessanter und verständlicher Form gelingt, sind Sie einen wertvollen Schritt in Richtung Akzeptanz, Vertrauen und positivem Weitererzählen vorangekommen. So bauen Sie Vertrauen auf und dann gelingt der Brückenschlag vor Ort. Auf diesem Weg können Sie bei Ihren Nachbarn und Mitbewohnern im Ort bisher negativ besetzte Begriffe rund um die Landwirtschaft durch Ihren eigenen Betrieb und durch eigene Persönlichkeit ersetzen. Genau das ist heute die wichtigste Aufgabe der Agrarkommunikation.

Stand: 25.06.2019