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Wintergerste – ein Beitrag zur ökologischen Intensivierung

praxisnah diskutierte mit zwei der führenden Wintergerstenzüchter über die Herausforderungen und die Zukunft dieser Kulturart. Dr. Laszlo Cselényi und Dr. Eberhard Laubach stellten sich den Fragen der Fachjournalistin Catrin Hahn.

Catrin Hahn: Herr Dr. Laubach, Herr Dr. Cselényi – mit welchen Zielen sind Sie zu Beginn Ihrer beruflichen Tätigkeit gestartet und was hat sich seitdem verändert?

Dr. Laubach: Ich habe 1982 bei der Nordsaat mit der Gerstenzüchtung bei null angefangen. Heute sehe ich das als großen Vorteil. Neben dem Ertrag konzentrieren wir uns auf Standfestigkeit und Resistenzen. Das kann man an den Ergebnissen unserer Sorten in der Wertprüfung ablesen: Seit 1988 sind wir dort mit Sorten vertreten und immer waren sie führend in der Resistenzzahl – also der Maßzahl, die die Summe der Prüfungsergebnisse verschiedener Krankheiten angibt.

Natürlich war damals Ertrag das Zuchtziel schlechthin. Wir waren schon ab und zu etwas enttäuscht, wenn wir züchterische Fortschritte im Resistenzbereich vorweisen konnten – aber keiner hat’s gemerkt. Weil damals die intensive Landwirtschaft immer auf den Ertrag geguckt hat und Resistenzprobleme einfach mit Pflanzenschutz „wegbügeln“ konnte.

Mein zweites großes Ziel war die Einführung der Gewebekultur in der Gerstenzüchtung, was den Zuchtweg und die Entwicklung einer Sorte um drei bis fünf Jahren verkürzen kann. Das hat uns weit nach vorne gebracht!

im Gewächshaus
im Gewächshaus
Dr. Cselényi: Im Unterschied zu Dr. Laubach habe ich ein bereits bestehendes Zuchtprogramm übernommen. Genau genommen besteht das Wintergerstenprogramm bei W. von Borries-Eckendorf bereits seit 1888! Wie mein Vorgänger, Dr. Graf Hardnak von der Schulenburg, konzen­triere ich mich im Wesentlichen auch auf die bereits genannten Zuchtziele. Neuere Themen wie Anpassung an den Klimawandel fordern jedoch auch neue Zuchtziele – wie etwa Ertragsstabilität und Trockentoleranz. Oder nehmen Sie die N-Effizienz, die durch die Anforderungen der neuen Düngeverordnung züchterisch in den Fokus rückt. Ich habe mich zudem von Anfang an stark auf die Kornqualität – Marktwareanteil, Hektolitergewicht oder Eiweißgehalt – als gesamtes Paket konzentriert.


Welche aktuellen Zuchtziele beschäftigen Sie im Moment?

Dr. Eberhard Laubach (li), Catrin Hahn und Dr. Laszlo Cselényi
Dr. Eberhard Laubach (li), Catrin Hahn und Dr. Laszlo Cselényi
Dr. Cselényi: Eines der größten Probleme ist die Virussituation. Wir haben keine insektizide Beize mehr und auch der verstärkte Maisanbau trägt zur Verschärfung der Situation bei – nach der Maisernte fliegen die aufgeschreckten Blattläuse alles an, was grün ist. Eigentlich müssten die Kulturen im Herbst nach dem Auflaufen vor Blattlauszuflug geschützt werden, aber das lässt sich arbeitswirtschaftlich oder witterungsbedingt oft nicht realisieren. Unsere Aufgabe ist nun, bei den bestehenden Toleranzen das Ertragsniveau zu steigern. Bei der Sorte Paroli mit dem Resistenzgen gegen das Gerstengelbverzwergungsvirus ist das schon gut gelungen. Aber nun sind wir noch einen Schritt weiter: Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Julius Kühn-Institut in Quedlinburg ein neues Resistenzgen gefunden, das eine vollständige Virusresistenz mitbringt. Derzeit sind wir dabei, das Gen einzukreuzen, und wir hoffen, in zwei bis drei Jahren die erste Linie anmelden zu können.

Dr. Laubach: Wir bemerken, dass die Gerste als Kultur auf die Felder zurückkehrt: Ackerbaulich sehen wir Chancen für die Gerste, weil die einseitigen Fruchtfolgen nicht mehr funktionieren. Auch zu den Herausforderungen der Düngeverordnung passt die Kultur sehr gut, denken wir nur an die Möglichkeit einer Herbstdüngung.

Wir als SAATEN-UNION Züchter erhalten ein über ganz Europa verteiltes Prüfsystem und können so auch Merkmale wie die Winterhärte prüfen, selbst wenn diese hierzulande nur alle paar Jahre gefordert sind. Mit Ergebnissen beispielsweise aus dem Baltikum oder Polen können wir unseren Sorten zusätzlich zu den offiziellen Einstufungen noch züchtereigene Bewertungen etwa zur Winterfestigkeit oder auch Trockentoleranz mitgeben.


Die neue Maxime im Pflanzenbau heißt: Nicht mehr das Maximum, sondern das Optimum ernten! Dies zielt auf Ertragssicherheit. Wie erreichen Sie diese?

Dr. Cselényi: Dafür muss man zunächst den Ertrag in seine Komponenten auseinandernehmen: Bestandesdichte, Anzahl Körner und Tausendkorngewicht. Wenn man diese drei Eigenschaften harmonisch aufeinander abstimmen kann, führt das zu Ertragsstabilität.

Dazu kommen dann die anderen bedeutenden Merkmale: Gesundheit, Standfestigkeit, Kornqualität und Winterhärte. Stabilität ist ja nichts anderes als hoher Ertrag an jedem Ort und in jedem Jahr. Und weil die Umwelt so wandelbar ist – und in Zeiten des Klimawandels immer wandelbarer wird – sind Sorten gefragt, die auf alle Anforderungen gut reagieren können.

Dr. Laubach: Unsere Arbeit wissen vor allem jene zu schätzen, die in einer Gegend wirtschaften, die heute schon extreme Schwankungen aufweist – wie beispielsweise Brandenburg. Hier zählt, dass eine Sorte auch unter klimatischen Extremsituationen zuverlässig ist.

Und ertragsstabile Sorten wie z. B. Titus sind dann auch im Ökolandbau sehr beliebt. Ich glaube fest daran, dass Prof. Friedhelm Taube von der Uni Kiel recht hat, der sagt: „Wir brauchen auch im klassischen Ackerbau eine ökologische Intensivierung. Wir werden weniger Input haben und müssen uns deshalb mehr auf die genetische Merkmalsausprägung in der Züchtung verlassen.“


Welche Ihrer neueren Sorten erfüllt diese Zuchtziele besonders gut?

Dr. Cselényi: Besonders am Herzen liegen mir unsere Neuzulassungen SU Jule, Mirabelle und SU Griffin. SU Jule und Mirabelle setzen neue Maßstäbe in der Kornqualität und verfügen neben hohen Erträgen und exzellenter Standfestigkeit auch über eine sehr gute Winterhärte. SU Griffin passt in Sachen N-Effizienz und Trockentoleranz sehr gut in die heutige Zeit.

Dr. Laubach: Ich würde gerne noch SU Ellen erwähnen. Die Sorte ist standfest, sehr früh und wird mit Hitze sehr gut fertig, wie wir sie in südlichen Ländern oft antreffen. Für die deutschen Anbaugebiete empfehle ich die zwei­zeilige Neuzulassung Yvonne, bei den mehrzeiligen Sorten SU Antje, beide überzeugen durch ihre Ausgewogenheit über alle Merkmale.


Wo sehen Sie denn die Aufgaben für die kommenden Jahre?

Dr. Cselényi: Die Gerste spielt auch zukünftig eine sehr wichtige Rolle in der Fruchtfolge. Für die Herausforderungen der nächsten Zeit – zum Beispiel die Verbesserung der Ertragsstabilität – sehe ich großes Potenzial in der Genomforschung. Neben den sich ändernden Witterungseinflüssen müssen wir unsere neuen Sorten insbesondere auf weitere Einschränkungen im Bereich der Pflanzenschutzmittel ausrichten.

Dr. Laubach: In der Züchtung gibt es immer was zu tun, die perfekte Sorte gibt es nicht. Wenn ich den jüngeren Kollegen und Kolleginnen einen Rat geben dürfte, dann den: Nutzen Sie die Grundlagenforschung! Die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen und den anderen Züchtern. Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter BDP hat dafür extra die „Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation“ ins Leben gerufen, die eine solche gemeinsame Züchtungsforschung koordiniert. Da sind im Grunde alle Züchter Mitglied. Es gibt Projekte, von deren Ergebnissen wir alle zusammen jahrelang profitieren. Die Aufgaben, die vor uns stehen, lösen wir nur gemeinsam und mit modernen Technologien.

Vielen Dank für das Gespräch.

Catrin Hahn

Stand: 30.04.2018