Aktuelle Ausgabe 02/2024

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Pflanzenproduktion im Klimawandel IV: Erntequalität im Klimawandel

Zunehmende Witterungsextreme bestimmen den Pflanzenbau. Was bedeutet das für die Erntebeschaffenheit? Müssen wir zukünftig mit schlechterer Kornausbildung und Verwertungsqualität rechnen? Die Analyse der letzten Jahre ergibt ein differenziertes Bild für die verschiedenen Qualitätskriterien und Fruchtarten!

Physiologie der Kornfüllung

Wenige Wochen nach der Befruchtung, nachdem sich die Gewebe und Organe der Frucht differenziert haben, beginnt die Füllung der Speicherzellen. Dabei dominiert zunächst die Einlagerung des Proteins. Die dafür notwendigen N-Verbindungen stammen bei Getreide überwiegend aus Remobilisierungsprozessen, denn die Pflanzen haben den meisten Kornstickstoff bereits vor der Blüte aufgenommen. Deshalb erreicht die Einlagerung der Eiweiße bereits wenige Wochen nach der Blüte ihr Maximum und ist früher abgeschlossen als die der Stärke. Die für die Stärkesynthese benötigten Zuckerverbindungen werden hingegen zu wenigstens 80 % erst während der Kornfüllung assimiliert. Je ungünstiger diese verläuft, sei es aufgrund von Krankheiten oder von Witterungsstress, umso höher also der Anteil des bereits früh eingelagerten Proteins. Einen ähnlichen Effekt haben warme „Tropennächte“: Infolge der verstärkten Zellatmung wird mehr Glukose zu Wasser und CO2 abgebaut, steht also nicht mehr für die Stärkebildung zur Verfügung.


Andererseits drohen Einschränkungen der N-Düngung die Kornstickstoff- bzw. Rohproteingehalte zu verringern – gerade auch vor dem Hintergrund immer leistungsfähigerer Sorten. Die im Vergleich zur Stärke weniger witterungsabhängige Proteineinlagerung könnte diese Entwicklung jedoch abschwächen. So lagen die RP-Gehalte des Weizens 2018 und 2019 trotz dürrebedingt verringerter N-Verfügbarkeit mit bundesweit 12,8 bzw. 12,7 % im gehobenen Bereich (Tab. 1).


Einfluss der Witterung auf die Erntequalität; zur besseren Ansicht bitte anklicken

Einfluss der Witterung auf die Erntequalität; zur besseren Ansicht bitte anklicken

Einfluss der Witterung auf die Erntequalität

Einfluss der Witterung auf die Erntequalität

Für eine hohe Netto-Assimilation sind für unser heimisches C3-Getreide Temperaturen von 15 °C bis max. 25 °C ideal, höhere verkürzen die Stärkeeinlagerung, ab 30 °C fällt diese steil ab bis hin zur Notreife. Das optimale Lichtangebot ist bereits bei halber Einstrahlung eines wolkenlosen Himmels erreicht. Übermäßige Sonnenstrahlung verkürzt zusammen mit Hitze- und Trockenstress die Lebensdauer des Assimilationsapparates. Schon wegen dessen früheren Absterbens waren 2011, 2018 und 2019 Ertragseinbußen unvermeidbar.

Die in Tab. 1 beschriebenen Witterungsabläufe beziehen sich bei Temperatur und Niederschlag auf bundesweite Werte. Für die Anzahl der Hitzetage mit über 30 °C gibt es kein Gebietsmittel. Daher ist diese exemplarisch für die Wetterstation Braunschweig angegeben. Gerade für 2019 mit deutschlandweit anhaltenden Hitzehochs ist der daraus resultierende Abreifestress jedoch auf andere Standorte übertragbar.


Hektolitergewicht, Sortierung

Die schlechte Kornausbildung im Dürrejahr 2019 war maßgeblich auf die Hitzerekorde im Juni zurückzuführen, noch verstärkt durch den kühlfeuchten Mai! Denn bei früh einsetzendem Trockenstress wie 2018 werden von vornherein weniger Körner je Quadratmeter angelegt bzw. frühzeitig reduziert. Die verbleibenden Samen werden damit besser mit Assimilaten versorgt. Kritischer für die Kornqualität ist es, wenn wie 2019 nach einem ungestörten Systemwachstum im Mai sehr viele Körner ins Rennen geschickt werden. Dürrestress während des Produktwachstums im Juni/Juli führt dann zu weniger bauchigem Korn. Erst recht – wie ebenfalls 2019 – bei gleichzeitigem Hitzestress, der die Seneszenz bis hin zur Notreife beschleunigt. Zusätzlich reduzierten warme Tropennächte die Nettoleistung der Photosynthese. Deshalb lag das Tausendkorngewicht des Winterweizens 2019 bundesweit mit lediglich 43 g weit unter den 47 g des Dürrejahres 2018. Auch das stärker abfallende Hektolitergewicht bei Winterdurum 2019 weist in diese Richtung. Die stabilere Kornqualität der Wintergerste 2019 hingegen ist neben der Frühreife wohl auch mit den stärkeren Reduktionsvorgängen nach den Maifrösten zu erklären, zudem nutzt diese Frucht ja auch die Winterfeuchte besonders gut!


Backeigenschaften

Bei den Backeigenschaften des Weizens geht es vor allem um die Menge und Güte des Klebers. Dieser wird je etwa zur Hälfte aus den Reserveproteinen Gliadin und Glutenin im Mehlkörper gebildet. Die funktionellen Proteine der Aleuronschicht und des Keimlings – Globulin und Albumin – haben zwar als Futtermittel eine hohe biologische Wertigkeit, bilden jedoch keine Brotkrume. Hitze während der Kornfüllung beeinflusst das Stärke/Kleber-Netzwerk der Teige. So erhöht sich der Gliadinanteil im Kleber und damit auch dessen Dehnbarkeit. Umgekehrt steigt jedoch mit einem höheren Anteil Amylosestärke die Zähigkeit der Teige. Der erste Effekt erhöht, der zweite senkt das Brotvolumen. Entscheidend sind die Backeigenschaften als Gesamtkomplex. Diese war in den untersuchten Dürrejahren nicht beeinträchtigt, trotz teilweise geringerer Wasseraufnahme: Mühlenexperten attestierten dem deutschen Weizen 2019 wie 2018 und 2011 eine überwiegend gute Verarbeitungsqualität.


Stärkequalität

Die guten Backergebnisse resultieren auch aus der hohen Stärkequalität, die – gemessen an der Fallzahl – in Trockenjahren meist unproblematisch ist. Zwar verkürzen hohe Temperaturen die Keimruhe zwischen Teig- und Gelbreife, doch wird diese erst mit Befeuchtung des Korns aufgehoben. Nach diesem Reiz aktivieren Pflanzenhormone des Keimlings Enzyme in der Aleuronschicht zur Spaltung der Stärke in Malzzucker. Die sekundäre Keimruhe nach der Ernte wird durch Hitze und Trockenheit stabilisiert und erst bei Temperaturen unter 12 °C gebrochen. Bei Brotroggen allerdings ist die sehr geringe Enzymaktivität in trockenwarmen Jahren problematisch. Sehr hohe Amylogrammwerte und Verkleisterungstemperaturen führen zu Problemen bei der Verarbeitung, v. a. zu geringerer Wasseraufnahme und damit zu trockener Brotkrume mit kürzerer Frischhaltung. Zuchtziel ist deshalb nicht eine möglichst hohe, sondern eine möglichst stabile Fallzahlausprägung.


Qualitätsmerkmal Glasigkeit bei Durum; rechts die Sorte Wintergold
Qualitätsmerkmal Glasigkeit bei Durum; rechts die Sorte Wintergold
Hartweizenqualität

Mit dem Klimawandel gewinnt Hartweizen an Vorzüglichkeit. Die gewünschte Glasigkeit des Korns wird durch hohe Proteingehalte in Verbindung mit trocken-heißer Witterung begünstigt. Das Endosperm ist dann durch „Verkittung“ so spröde, dass es beim Mahlen zu 0,3–1,0 mm großen Grießkörnern zerbricht, dem Ausgangsprodukt einer Vielzahl von Pastagerichten. Auch das Qualitätsmerkmal „Dunkelfleckigkeit“ wird stark von der Witterung bestimmt. Wie die Ergebnisse der Wertprüfung in den Durumregionen Südwest- und Ostdeutschlands belegen, war dieses Qualitätskriterium wie auch weitere Qualitätsanforderungen gerade in den vergangenen Trockenjahren gut zu erfüllen. Eine Ausnahme macht 2019, wo die geforderte Vollglasigkeit von 75 % in Rheinhessen nach hohen Niederschlägen am 12. und 13. Juni nicht erreicht wurde, im trockeneren Sachsen-Anhalt waren die Qualitäten dagegen hervorragend.


Mutterkorn an Roggen
Mutterkorn an Roggen
Mykotoxingehalte

Nach den Ergebnissen der Besonderen Ernteermittlung lagen die Mykotoxinwerte bei Weizen gerade nach Trockenjahren weit unter dem Grenzwert von 1.250 μg DON je kg unverarbeitetes Getreide. Weil der Befall mit Fusarium graminearum feuchte Witterung zur Weizenblüte erfordert, waren die Werte eher in Jahren mit hohen Juni-Niederschlägen wie 2016 und 2012 kritisch.

Bei Roggen liegen die Mutterkorntoxine in Trockenjahren nicht unbedingt niedriger. Hier ist nicht nur die Witterung zur Blüte entscheidend. Denn unbefruchtete Blüten als Eintrittspforte für Mutterkornsporen sind auch in Zwiewuchs zu finden: vor allem nach späteren Niederschlägen, in den Fahrgassen oder zu dünnen Beständen nach falscher Produktionstechnik.


Öl- und Eiweißpflanzen

Rapsschote geöffnet
Rapsschote geöffnet
Raps und Leguminosen lagern die Reservestoffe für den Keimling direkt in dessen embryonalen Blättern ein. Zunächst werden auch hier die Speicherproteine eingelagert, Öle bzw. Stärke als Energiespeicher folgen erst mit zeitlichem Verzug. Die Versorgung der Samen geschieht dabei vorrangig aus der aktuellen Assimilation. Bei Raps liefert das Schotendach hierzu einen großen Beitrag, nach der Blüte werden noch etwa 70 % der Pflanzenmasse gebildet! Dafür ist eine hohe Sonneneinstrahlung wichtig, die Synthese von Ölen als Kohlenwasserstoffe benötigt sehr viel Energie. Wie bei Getreide kommt die Nettoassimilation bei über 30 °C zum Erliegen.

Dies ist jedoch nicht zwangsläufig mit geringeren Ölgehalten verbunden. Entscheidend ist vielmehr die Sinkkapazität, also die Zahl der angelegten Körner. Wurde diese – wie 2018 – durch eine ungünstige Jugendentwicklung mit vorzeitigem Blütenabwurf verringert, können die verbleibenden Körner selbst bei Trocken- und Hitzestress optimal gefüllt werden. 2019 war das anders. Da wurde nach einem kühlfeuchten Mai weniger reduziert und mehr gedroschen, die Ölgehalte blieben dafür nach neuen Hitzerekorden im Juni auf der Strecke.

Die Zusammenhänge bei der Sink/Source-Regulation sind auch bei den Leguminosen nicht grundlegend anders, hier wird vor allem über den Blütenabwurf bei Trockenstress die optimale Versorgung der verbleibenden Kornanlagen sichergestellt. Die gegenläufige Beziehung von Proteingehalt und Ertrag ist im Vergleich zu Getreide durch den höheren Assimilateverbrauch ausgeprägter. Denn die Ammoniumgewinnung aus dem Luftstickstoff durch Rhizobien ist sehr energieaufwendig: Je Kilogramm Stickstoff werden umgerechnet 10 bis 15 Kilogramm Glucose verbraucht, die bei der Stärkesynthese fehlen.


Silieren, Maissilage
Silieren, Maissilage
Verdaulichkeit Silomais

Mais betreibt als C4-Pflanze eine energetisch aufwändigere CO2-Fixierung und kann hierfür höhere Einstrahlungs- und Temperaturwerte nutzen. Damit die gebildeten Assimilate auch in den Kolben eingelagert werden können, muss zur Blüte ausreichend Wasser für eine ungestörte Befruchtung zur Verfügung stehen. Im Trockenjahr 2011 war das dank ergiebiger Juliniederschläge der Fall. Anders 2019, als nach schlechter Jugendentwicklung die schlecht bewurzelten Pflanzen im Juli unter den Rekordtemperaturen litten, die Narbenfäden vielerorts vertrockneten. 2018 litt Silomais entwicklungsbedingt am längsten – vier bis fünf Monate – unter der Dürre. Deshalb wurden wie auch in diesem Jahr vielerorts nur kleine bzw. schlecht besetzte Kolben gebildet.

Tab. 1 zeigt mangels bundesweiter Erhebungen exemplarisch Ergebnisse der Silageuntersuchungen aus Niedersachsen. Mais steht dort vorwiegend auf Niedermoorstandorten und diluvialen Böden, z. T. auch unter Beregnung. Liegen die Stärkegehalte in Normaljahren regelmäßig über 30 %, wurden 2018 und 2019 lediglich 25–26 % ermittelt, auf Trockenstandorten abfallend bis auf 9–10 %. Verdaulichkeit und Energiegehalt fielen bei angepasster Ernte und Silierung weniger stark ab. Nach rechtzeitigen Häckselterminen blieb die Zellwandverdaulichkeit stabil, zudem wurde ein Teil des Stärkedefizits durch höhere Zuckergehalte kompensiert. Diese lagen 2018 trotz vorrangiger Vergärung zu Milchsäure in den Silagen bei bis zu 11 %, üblich sind ca. 1,5 %!


Positionierung und Anbauverfahren wird wichtiger

Die Erfahrung der letzten zehn Jahre zeigt, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Produktqualität geringer sind als die auf die Ertragsleistung. Zudem besitzen gerade Qualitätsmerkmale eine hohe Erblichkeit, Unsicherheiten können also über die Sortenwahl abgemildert werden. Positiv sind die geringeren Vermarktungsrisiken durch Mykotoxine oder Auswuchs in trockenen Jahren. Fruchtarten mit eher mediterranen Klimaansprüchen – Körnermais, Sonnenblumen, Durum oder Sojabohnen – gewinnen mit dem Klimawandel sogar an Vermarktungssicherheit.

Weniger stabil in Dürrejahren sind äußere Qualitätskriterien wie Sortierung und Hektolitergewicht, die unmittelbar mit der Größe bzw. Bauchigkeit des Korns zusammenhängen. Allerdings ist das Hektolitergewicht in einem großen Bereich mittlerer Ausprägung nicht mit der Verwertungsqualität korreliert, das gilt für Industriehafer ebenso wie bei Futtergetreide. Vor diesem Hintergrund sind die Qualitätsanforderungen zukünftig flexibler den tatsächlichen Erfordernissen anzupassen, um die Marktversorgung auch in trockenen Jahren sicherzustellen. Höher sind die Qualitätsrisiken auch bei Ganzpflanzensilagen, insbesondere Silomais. Gerade bei den letztgenannten Qualitätskriterien wird deshalb die Positionierung der Fruchtarten und Sorten hinsichtlich Standort, Anbau und Verwertung noch wichtiger.

Was ist mit dem CO2-Düngungseffekt?

Der Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration beeinflusst neben der Ertragsbildung auch die Kornqualität. „FACE“-Versuche im Freiland mit einem um 30 % auf 550 ppm erhöhten CO2-Angebot belegen Ertragszuwächse bis 15 %. Erfreulicherweise kommt dieser positive Effekt besonders bei Trockenstress und Temperaturanstieg zum Tragen, bei N-Mangel hingegen ist er geringer. Eine Konsequenz der verstärkten CO2-Fixierung sind jedoch auch etwa 10 % geringere Proteingehalte im Getreidekorn. Erklärt wird dies mit dem Verdünnungseffekt (rel. mehr Stärke), der reduzierten N-Aufnahme infolge geringerer Transpiration sowie einer verringerten N-Assimilation in den Blättern zu organischen Verbindungen (insbesondere bei geringer N-Düngung).

Text: Sven Böse

Stand: 12.10.2021