Aktuelle Ausgabe 02/2024

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Landwirtschaft im Umbruch: Das Raps-Paradoxon –„selbst gemachtes Leid“

Imker lieben Raps – als ertragreichste Frühtracht, die einen beliebten Honig liefern. Und (viele) Imker hassen Raps – die verwendeten Pflanzenschutzmittel sind für sie der Inbegriff des Bienensterbens. Aber effektiver Rapsanbau ganz ohne Pflanzenschutz ist extrem schwierig. Jetzt gehen Rapsflächen deutschlandweit zurück und ein wesentlicher Grund hierfür ist das Verbot wichtiger Pflanzenschutzmittel. Was sagen führende Bienenfachleute zu diesem Dilemma?

Fred Klockgether von der Honighof-Gesellschaft zur Förderung der Biodiversität und Bestäubervitalität mbH ist Experte für Honigbienen und Wildbestäuber.

Herr Klockgether, finden Sie als aktiver Imker den Rückgang der Rapsflächen, der regional ja ganz erheblich ist, problematisch?

Klockgether: Ich habe insgesamt 150 Völker und davon
30 Völker ganzjährig auf dem Honighof und kann ein Lied
davon singen: Ich musste die Zahl der Völker auf dem Honighof deutlich reduzieren, weil die Landwirte im wirtschaftlichen Flugradius keinen Raps mehr anbauen. Für Standimker geht die Frühjahrshaupttracht verloren, wohingegen Wanderimker weniger betroffen sind. Die können
dem Raps ja „hinterherlaufen“ und selbst wenn Rapsflächen auf 20 % in der Fruchtfolge zurückgehen, ist das für sie noch ausreichend. Viele Wanderimker finden es gar
nicht so schlecht, wenn der Rapshonig weniger wird – dann steigen die Preise! Diese ganze Diskussion um den Pflanzenschutz im Raps, die auch von Imkerverbänden befeuert
wurde, hat mit dazu beigetragen, dass wichtige Neonics und Co. verboten wurden. Wenn Raps aber nicht mehr wirtschaftlich ist, kann man keinem Landwirt vorwerfen, dass er auf den Anbau verzichtet oder ihn reduziert. Das Ganze ist also aus meiner Sicht ein unter anderem von uns Imkern selbst gemachtes Leid.


Ackerrandstreifen an Mais
Ackerrandstreifen an Mais
Kann die Landwirtschaft etwas tun, um den Standimkern zu helfen?

Klockgether: Zunächst wäre es für mich als Imker wichtig, dass meine Kollegen öffentlich eingestehen, dass es den Bienenvölkern trotz des Verbots der Neonics nicht besser
geht. Die Jahresverluste sind weiterhin erschreckend hoch. 


Ackerrandstreifen sind für Honigbienen sehr hilfreich. So wie alle Blühmischungen, die durchgehend vom Frühjahr bis zum Spätsommer blühen. Blühende Gründüngung schadet nach meiner Erfahrung den Bienen eher, wenn sie nicht rechtzeitig abfriert und im November oder Dezember wegen warmer Temperaturen noch von den Bienen beflogen werden kann. Winterbienen brauchen Ruhe! Für die meisten Wildbienenarten aber bringen landwirtschaftliche Blühmischungen eher weniger, denn sie sind meist auf bestimmte
Futterpflanzen spezialisiert. Zudem braucht ihre Etablierung an Blühflächen eine gewisse Zeit. Wenn also bestimmte Programme 5-jährige Blühflächen fördern, ist der Nutzen für Wildarten nur gering. Diese brauchen oft mehrere Jahre, um diese Fläche neu zu besiedeln. Und dann sind die fünf Jahre um, und das Land muss wieder bewirtschaftet werden, um den Ackerstatus nicht zu verlieren.
Für die Artenvielfalt eine Katastrophe!


Während der Blüte totgespritzter Bestand: Das führte zu massiven Honigkontaminationen
Während der Blüte totgespritzter Bestand: Das führte zu massiven Honigkontaminationen
Zudem möchte ich an alle, die Pflanzmittel in bienenrelevante Kulturen einsetzen müssen, appellieren: Verschieben Sie das zum Schutz der Wildbestäuber in die Abendstunden!
Ortsansässige Imker sollten ihre Bienen käfigen, um die Qualität des Honigs zu garantieren.


Dann kann die Landwirtschaft also nur wenig für Wildbestäuber tun?

Klockgether: Leider ja – hier muss auf kommunaler Ebene etwas passieren. Warum sind Parkplätze vor Supermärkten voll versiegelt? Warum lässt man nicht Str eifen offen, einfach brach liegen? Das wären wunderbare Magerraseninseln. Es gibt so viele „Eh-da-Flächen“ außerhalb der Landwirtschaft.
Aber die Kommunen tun sich schwer, weil „liegengelassene“ Ecken einfach oft nicht schön aussehen.
Überhaupt sind viele, auch kleine Insellösungen besser als wenige Groß-Flächenlösungen, denn viele Insekten fliegen nur wenige hundert Meter – die Honigbiene hingegen fliegt kilometerweit.


Haben Sie schon mal die Erfahrung gemacht, dass Völker am Raps schwächeln – womöglich wegen des Pflanzenschutzes?

Klockgether: Klares „Nein!“, meine Völker sind immer gestärkt aus der Rapsblüte hervorgegangen – Raps ist eine tolle Trachtpflanze. „Meine Landwirte“ gehen verantwortungsvoll mit Pflanzenschutz um, und ich habe nie bemerkt, dass die Völker schwächer oder sonstwie geschädigt wurden. Wenn Imker berichten, dass sie über Winter Völker im zweistelligen Prozentbereich verlieren, ist die
Ursache meist im unsachgemäßen Umgang mit den Bienen zu suchen. Profis passiert das sehr, sehr selten.


 

Unser zweiter Gesprächspartner war Prof. Dr. Werner von der Ohe vom LAVES Institut für Bienenkunde in Celle. Er bestätigt uns auch die große Bedeutung der Rapsblüte für die Honigbienen und Imkerei in Mitteleuropa. Hier noch weitergehende Aspekte.

Herr Professor von der Ohe, gibt es Alternativen in der Landwirtschaft zum Raps?

Von der Ohe: Im Ackerbau gibt es wohl eher keine Alter­nativen zum Winterraps. Winterraps kommt je nach Witterungsverlauf zwischen Mitte/Ende April zur Blüte und liefert ab dieser Zeit für 3 bis 4 Wochen Nektar und Pollen. Alle alternativen Kulturen, die erst in dem laufenden Jahr ausgesät werden, kommen für die Frühjahrsentwicklung der Bienenvölker und den Frühjahrshonig zu spät zur Blüte.


Welche Maßnahmen seitens der Landwirtschaft können die Imkerei unterstützen?

Von der Ohe: Blühflächen und -streifen sind auf jeden Fall gut für die Honigbienen, insbesondere, wenn die ausgesäten Pflanzenarten nach den Lindenbäumen zur Blüte kommen. Denn zu dieser Zeit kann es in der Agrarlandschaft zu Nahrungsdefiziten kommen. Blühflächen sind allerdings nicht nachhaltig! Eine nachhaltige Verbesserung der Nahrungsgrundlage für Honig- und Wildbienen wäre die Schaffung von langjährigen Blüh- und Nistbereichen (Letzteres vor allem für Wildbienen) in Form von Hecken, Waldrändern, Knicks, breiten Feldrändern sowie aus der Bewirtschaftung herausgenommen Flächen. Letztere könnten z. B. Flächen sein, die ungünstig zu bewirtschaften sind wie ungünstig gelegene Dreiecke an Waldrändern.


Was für Probleme ergeben sich durch die Trockenheit für die Imkerei, speziell in bestimmten Regionen wie z. B. Brandenburg?

Von der Ohe: Nektarsekretion der Pflanzen ist auch sehr stark von der Wasserverfügbarkeit abhängig, bei Trockenheit kann die Nektarsekretion stark eingeschränkt sein. Andererseits wirkt Trockenheit positiv auf die Vermehrung und Entwicklung von Pflanzenläusen aus. So kann wie 2018 Trockenheit und Wärme zu einer guten Honigtauproduktion durch Pflanzenläuse führen.

 

Ist die Honigbiene ein Indikator für eine hohe Biodiversität?

Von der Ohe: Nein, die Honigbiene ist ein Nutztier und wird von dem Imker nach dessen Belieben in der Landschaft aufgestellt. Honigbienen benötigen ein durchgängiges Nahrungsangebot in Form von Nektar und Pollen vom ausgehenden Winter bis zum nächsten Herbst. Dieses Nahrungsangebot könnte für die Bienenvölker auch eine Abfolge von jeweils eher einseitigem Nahrungsangebot sein. Eine hohe Biodiversität ist aber absolut notwendig für die zahlreichen Wildbienenarten, von denen ca. 65 % relativ stark auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind.


Unser dritter Gesprächspartner Gerrit Döpke ist Landwirt in Niedersachsen. Er erklärt, was er unternimmt, um bienenfreundlich zu wirtschaften.

Welche Bedeutung hat der Raps in Ihrer Fruchtfolge?

Döpke: Unser Betrieb wird seit 20 Jahren pfluglos bewirtschaftet, dabei stehen Getreide und Blattfrüchte möglichst immer im Wechsel. Die regelmäßige Blattfrucht vor dem Getreide ermöglicht eine reduzierte Bodenbearbeitung bzw. Mulchsaat, reduziert im besten Fall Krankheitspotenziale im Getreide und ermöglicht eine bessere Beikrautregulierung. Bisher haben wir Raps in einer drei- bis vierjährigen Fruchtfolge angebaut, jetzt aber nur noch in einer fünf-bzw. sechsjährigen Rotation. Dadurch erhoffen wir uns eine bessere Regulation des Ausfallrapses, eine Reduktion von Krankheiten sowie eine bessere Kontrolle der Rapsschädlinge. Ggf. können wir auch den Einsatz im Pflanzenschutz langfristig etwas reduzieren. Raps bleibt aber in unserem Betrieb weiterhin eine wichtige Ackerkultur, da er im Vergleich einen guten Deckungsbeitrag bringt und den für uns besten Vorfruchtwert bietet.


Was machen Sie als Landwirt, um möglichst bienenfreundlich zu wirtschaften?

Döpke: Die Diskussion über den Schutz von Nützlingen und Artensterben hat die gesamte Gesellschaft erreicht. Auch wenn sie oftmals nicht sachlich geführt wird, sind auch wir Landwirte gefordert, uns der Thematik zu stellen, denn auch wir sind Teil der Gesellschaft. Wir versuchen in unserem Betrieb, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu beschränken. Wir arbeiten z. B. nach Schadschwellen: Im Rapsanbau bieten Gelbschalen eine sehr gute Möglichkeit, den Schädlingszuflug schlagspezifisch zu überwachen und nur dann zu spritzen, wenn es nötig ist. Spritzungen im blühenden Raps werden bei uns generell nur in den Abendstunden nach Beendigung des Bienenflugs durchgeführt, auch bei reinen Fungizidanwendungen und auch beim Einsatz von bienenungefährlichen Insektiziden (B4).

Des Weiteren beteiligen wir uns seit vielen Jahren an Blühstreifenprogrammen. Wir säen als Randstreifen und auf kleineren Ackerflächen (1–2 ha) auf insgesamt ca. 13 Hektar Blühmischungen aus. Auf diesen Flächen werden keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt und sie dienen Bienen und anderen Insekten über unterschiedliche Blühpflanzen als Nahrungsquelle und als Rückzugsort. Diese Programme werden von Bund bzw. Ländern gefördert, und wir bekommen die wegfallende Produktionsmöglichkeit entschädigt.


Was erwarten Sie in der Zukunft hinsichtlich des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auch mit Blick auf das vermeintliche Bienensterben?

Döpke: Vermutlich werden die Pflanzenschutzmittel weiter eingeschränkt. Ich denke, dass bei korrekter Anwendung von Pflanzenschutzmitteln die Schädigung der Bienen nicht so stark ist, wie oft behauptet. Bei der ganzen Diskussion ist es besonders schade, dass nicht immer nach nachhaltigen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten entschieden wird. Beispiel das Verbot der insektiziden Beizen beim Raps und bei den Zuckerrüben: Saatgutbeizung ist nachweislich die beste Möglichkeit, Pflanzenschutzmittel nur in geringsten Mengen und direkt am Zielort sowie direkt gegenüber dem Schadorganismus anzuwenden. Bei fachgerechter Anwendung werden Nicht-Zielorganismen in der Regel nicht geschädigt. Der Wegfall der Beizung führt aber oft zu mehr Spritzanwendungen, von denen dann alle auf dem Acker lebenden Organismen – auch die Nützlinge – betroffen sind. Das kann ja nicht das Ziel einer nachhaltigen Landnutzung sein!

Weniger Pflanzenschutz funktioniert meiner Ansicht nach nur mit einer weiteren Auflockerung der Fruchtfolgen. Einige dafür infrage kommende Kulturarten sind aber nicht überall rentabel. Das Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Rentabilität der landwirtschaftlichen Produktion wird sich deshalb noch verstärken und der finanzielle Druck auf die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland wird weiter zunehmen. Am Ende werden sich Produktionseinheiten und Betriebe weiter vergrößern und Produktion von Grundnahrungsmitteln wird eventuell sogar ins Ausland abwandern. Dann würde genau das Gegenteil von dem passieren, was der Gesetzgeber bzw. die Gesellschaft in Deutschland eigentlich fordern – eine familiengeführte, regionale und kontrollierte landwirtschaftliche Produktion.

 

Die Gespräche führten Stefan Ruhnke und Dr. Anke Boenisch

 

Stand: 25.06.2019