Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Weizen- und Roggensorten mit höherer Stickstoffeffizienz

Zwei Drittel unseres Trinkwassers werden aus dem Grundwasser gewonnen. Weil über die Hälfte Deutschlands landwirtschaftlich genutzt wird, sollen die N-Überschüsse auf maximal 50 kg/ha reduziert werden. Sorten mit besserer Stickstoffverwertung sind ökonomisch und ökologisch die beste Wahl zur Herbstaussaat 2017.

Nachdem der Schadstoffeintrag aus Abwässern in der Vergangenheit deutlich reduziert werden konnte, gerät nun der aus der Landwirtschaft immer stärker in den Fokus. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie fordert einen Grenzwert von 50 mg/l für Nitrat und bei Pflanzenschutzmittel-Rückständen 0,1 µg/l für Einzelwirkstoffe. Wenn diese Grenzwerte nicht eingehalten werden – in Deutschland sind mehr als 27 % der Grundwasserkörper betroffen – müssen Maßnahmen für eine Trendumkehr eingeleitet werden. Dies passiert aktuell in Deutschland u.a. über die Novellierung der Düngeverordnung. Diese hat eine zwar ertragsangepasst flexible, am Ende aber doch maßgebliche Reduzierung der Düngungsintensität zum Ziel.

Des Weiteren werden über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung (ELER) auf einer Förderfläche von zzt. ca. 460.000 ha spezifische Wasserschutzmaßnahmen honoriert. Dazu kommen zahlreiche Vereinbarungen zwischen lokalen Wasserversorgungsunternehmen und Landwirten, die ebenfalls eine Minimierung der Nährstoffauswaschung zum Ziel haben.


Fünf Faktoren entscheiden über den N-Saldo

Der wichtigste verwendete Umweltindikator bei der Bewertung all dieser Maßnahmen ist der N-Saldo der flächenbezogenen Stickstoffbilanz. Je positiver der N-Saldo, umso höher das Risiko erhöhter N-Auswaschung. Diese tritt vor allem während der Sickerwasserperiode von November bis April auf. Danach ist die klimatische Wasserbilanz negativ, Sickerwasser also die Ausnahme. Zudem werden in den dicht durchwurzelten Böden während der Wachstumsperiode wasserlösliche N-Formen sehr schnell von den Pflanzen aufgenommen. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Einflussgrößen auf den flächenbezogenen N-Saldo ist der Tierbesatz, die Fruchtfolge, die Anbauintensität, die Düngerapplikation und nicht zuletzt die Sortenwahl. Die Sortenwahl ist in diesem Konzert vielerorts das wichtigste Instrument für umweltfreundliche N-Salden. Denn stickstoffeffizientere Sorten sind nicht mit höheren Kosten verbunden. Im Gegenteil: Sie sind aufgrund ihrer höheren Leistungsfähigkeit sowieso die wirtschaftlichere Anbaualternative.

Die N-Verwertungseffizienz der Sorten ist einfach aus dem Ertrag und dem Rohproteingehalt des Korns zu berechnen. Weil letzterer ja mit dem Faktor 5,7 bei Weizen bzw. 6,25 beim übrigen Getreide aus dem Kornstickstoffgehalt ab­geleitet wurde, ist der Rückschluss auf den Kornstickstoffertrag möglich. Dieser ist das Produkt aus Korn-TM und Kornstickstoffgehalt. Weil in Sortenversuchen allen Sorten gleich viel Stickstoff aus Düngung und Nachlieferung zur Verfügung steht, ist die Berechnung der N-Effizienz dann nur noch ein kleiner Rechenschritt.


N-Effizienz WP-Jahrgänge 2014-2016, zur Verbesserung der Bildqualität bitte anklicken.
N-Effizienz WP-Jahrgänge 2014-2016, zur Verbesserung der Bildqualität bitte anklicken.
Erhebliche Sortenunterschiede bei Roggen

In Tab. 1 wird diese Rechnung exemplarisch für Roggensorten durchgeführt. Datengrundlage sind die dreijährigen Wertprüfungsdaten des Zulassungsjahrgangs 2017. Dabei wurden an 24 von 40 Prüfungen neben agronomischen Daten zusätzlich Qualitätseigenschaften und damit auch der Rohproteingehalt ermittelt. Aus diesem ist der Rohproteinertrag abzuleiten und aus diesem der Kornstickstoffertrag. Für eine Abschätzung der sortenspezifischen Stickstoffeffizienz wird ein Gesamtangebot von 160 kg mineralischem N aus Düngung und Bodennachlieferung unterstellt. Ob der Wert nun etwas höher oder niedriger liegt, spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle, die Sortenrangierung ändert sich dadurch nicht.

Das Ergebnis:

  • Die Sortenunterschiede im Kornstickstoffertrag betragen knapp 20 kg/ha, bezogen auf die N-Effizienz ergeben sich daraus Differenzen von bis zu 12 %, davon 5 % innerhalb der mitgeprüften Hybriden.
  • Alle geprüften Hybridsorten sind in der N-Effizienz deutlich besser als die mitgeprüfte Populationssorte Conduct. Diese besitzt zwar einen um 0,5 % höheren Rohproteingehalt als die proteinreichste und N-effizienteste Hybride SU Mephisto, die um 20 dt/ha geringeren Erträge (!) schlagen jedoch stärker zu Buche!

12 kg/ha weniger N-Überhang bei gleichem Kornertrag

Für die bevorstehende Sortenwahl ist jedoch ein Vergleich aller marktgängigen Sorten interessant. Auch dieser ist möglich, denn in der Beschreibenden Sortenliste sind die Sorten ja sowohl im Rohproteingehalt wie auch im Kornertrag eingestuft. Eine Ausprägungsstufe (APS) Unterschied im Proteingehalt ist vom Bundessortenamt mit 3,7 % rel. definiert. Beim Ertrag steht eine APS für 4 % Ertragsdifferenz, diese wird jährlich mit den bundesweiten Ergebnissen der Landessortenversuche abgeglichen und gegebenenfalls angepasst.

In Tab. 2 wurden die Einstufungen für Ertrag und Protein in praxisübliche Absolutwerte übertragen. Die APS „5“ – also „mittel“ – steht dabei für 75 dt/ha Kornertrag bzw. 9,5 % Rohprotein, die Klassenbreiten betragen wie erläutert 4,0 bzw. 3,7 %. Um daraus exemplarisch eine konkrete N-Effizienz abzuleiten, wird ein Gesamt-N-Angebot von 140 kg N/ha unterstellt. Für fruchtbarere, stärker nachliefernde Standorte wären höhere Werte anzunehmen, das ändert jedoch nichts an der Sortenrangierung.

N-Effizienz Winterroggensorten; zur Verbesserung der Bildqualität bitte anklicken.
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Das Ergebnis dieser Betrachtung zeigt ebenfalls erhebliche Sortenunterschiede im aktuellen Roggensortiment.

  • Bei gleicher Ertragseinstufung („8“) unterscheiden sich die Sorten um bis zu drei Ausprägungsstufen bzw. 1,1 % absolut im Rohproteingehalt. In der Summe resultieren daraus Sortenunterschiede hinsichtlich der N-Effizienz um bis zu 8,7 % bzw. 12 kg Kornstickstoff!
  • Die stickstoffeffizienteste Roggenhybride ist die Sorte SU Bendix. Diese nutzt das Stickstoffangebot um 11 % besser als die ältere Standardsorte Palazzo, 16 % besser als die marktführende Populationssorte und immer noch 3 % besser als die ertraglich führende Hybride SU Performer.

N-Effizienz der marktführenden Weizensorten

Nach gleicher Verfahrensweise kann auch die N-Effizienz der Weizensorten abgeleitet werden. Hier wird der Ausprägungsstufe „5“ (mittel) ein Kornertrag von 90 dt/ha und ein Rohproteingehalt von 12,9 % zugeordnet. Weil das Sortenangebot bei Winterweizen sehr groß ist, werden hier nur die 15 Sorten mit der größten Vermehrungsfläche sowie die A-Hybride Hyvento vorgestellt.

Das Ergebnis:

  • Die negative Beziehung zwischen Kornertrag und Proteingehalt ist bei Weizen stärker ausgeprägt als beim Roggen. Die Sortenunterschiede im Kornstickstoffertrag sind absolut mit bis zu 15 kg/ha ähnlich hoch wie bei Roggen, relativ errechnen sich jedoch lediglich Differenzen von 6 % bei der Stickstoffeffizienz.
  • Unter den führenden Weizensorten verwerten Ponticus und NORDKAP das Stickstoffangebot am besten, gefolgt von Benchmark, Porthus, Elixer, Reform und Anapolis.
  • Noch einen „Tick“ effizienter ist die Hybride Hyvento. Zurückzuführen ist dies auf deren höhere physiologische Aktivität, die u.a. auch eine höhere Wurzelleistung ermöglicht.
  • Auf Stressstandorten ist die Überlegenheit der Hybriden größer als über alle Umwelten abgeleitet.

N-Effizienz Winterweizensorten; zur Verbesserung der Bildqualität bitte anklicken.
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Wo sind N-effiziente Sorten besonders wichtig?

10 bis 15 kg mehr Stickstoffentzug über die Ernte reduzieren den N-Saldo in gleicher Größenordnung und verringern so das Risiko der N-Verlagerung. Besonders wichtig sind stickstoffeffizientere Sorten deshalb im Einzugsbereich von Trinkwasser sowie auf durchlässigen Böden. Letzteres trifft insbesondere für typische Roggenstandorte zu. Auf diesen sind stickstoffeffizientere Sorten geradezu Pflicht, zumal die Sortenunterschiede bei Roggen, vergleichsweise groß sind. Da stickstoffeffiziente Sorten entweder zu den leistungsstärksten oder zu den proteinreicheren zählen, besteht hier auch kein Zielkonflikt zwischen Ökologie und Ökonomie. N-effiziente Sorten mit höherem Proteingehalt sind dann vorteilhaft, wenn dieser wirtschaftlich zu nutzen ist, insbesondere also bei Qualitätsweizen (z.B. NORDKAP) und bei Selbstverfütterung.

Bei Getreide als Rohstoff für Malz, Ethanol, Stärke oder Keksweizen sind geringere Proteingehalte erwünscht, hier sollte eine hohe N-Effizienz vor allem auf eine maximale Ertragsleistung zielen. Das gleiche ist zukünftig für die Versorgung der Mühlen mit Standardqualitäten zu fordern. Für dies können – ohne Abstriche bei der Verarbeitungsqualität – die Proteinanforderungen deutlich gesenkt werden.


Manchmal ist auch ein geringerer N-Entzug pflanzenbaulich erwünscht. Nämlich immer dann, wenn die Nachfrucht des Getreides zeitnah einen hohen Stickstoffbedarf hat, der zudem mit der Strohrotte konkurriert. Ertragreichere, dabei jedoch proteinärmere Backweizensorten wie z.B. Faustus sind also nicht nur wegen ihrer Frühreife die ideale Vorfrucht zu Zwischenfrüchten und Körnerraps, sondern auch im Hinblick auf deren N-Versorgung.

Sven Böse

Stand: 26.06.2017