Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Weniger Lebensmittelverschwendung: „Runder Tisch Getreide“

Als Teil der „Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung” fand im Rahmen des Dialogforums Primärproduktion im Juni der dritte Durchlauf des Runden Tisches Getreide statt. Bianca Schneider-Häder vom DLG-Fachzentrum Lebensmittel stellt die Impulsvorträge der Onlineveranstaltung vor.

Das Dialogforum Primärproduktion wird von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut (TI) als Partner umgesetzt. Gemeinsam mit Unternehmen werden aktuell Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen am Anfang der Lebensmittelversorgungskette identifiziert, die in Demonstrationsbetrieben vom TI getestet und bewertet werden.

Im Getreidebereich steht vor allem die Lagerhaltung im Fokus. Die Nachhaltigkeitsbewertungen des TI für alle untersuchten Reduzierungsmaßnahmen sollen im Herbst 2022 vorliegen, – ebenso die Umfrage zu Lebensmittelabfällen und -verlusten in der Primärproduktion mit 460 Teilnehmenden.


Ordnungsgemäße Lagerung vermeidet Verluste

Vieles läuft in der Praxis bereits sehr gut, sodass sich Verluste im Vor- und Nacherntebereich in Grenzen halten. Dennoch gibt es auch hier Optimierungspotenzial, wie Maximilian Stork im Interview verdeutlichte. Im Bereich der Vorernte sollte über bedarfsgerechte Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen der Pflanzenbestand gesund gehalten werden, denn gesunde Pflanzen bedeuten weniger Verluste. Mitarbeiterschulungen, Kontrolle der Feuchtigkeit im Getreide, saubere Arbeitsgeräte und die richtige Einstellung und Reinigung des Mähdreschers sind essenziell, um Verluste von Getreide so gering wie möglich zu halten.

Im Nacherntebereich schätzt er den Transport zum Lager oder die Verarbeitungsstätte als Verlustquelle eher geringer ein. Erheblich größere Verluste hingegen kommen durch eine nicht ordnungsgemäße Lagerung zustande.

Der Referent führte folgende wesentliche Maßnahmen für eine ordnungsgemäße Getreidelagerung aus:

  • Wichtig ist, das Lager vor dem Befüllen immer zu reinigen (Minimum besenrein und bei Bedarf desinfizieren) und Restmengen vor der Einlagerung der neuen Ernte zu vermarkten, um so möglichst kein Getreide zu überlagern und damit die neue Partie eventuell zu „verunreinigen”.
  • angefressenes Korn
    angefressenes Korn
    Das Problem bei der Hallenflachlagerung von Getreide ist, dass eingelagerte Ware von Schadnagern oder Vögeln und eventuell dadurch angezogene Kleintiere wie Katzen oder Marder verunreinigt werden können – die Überwachung und ggf. Bekämpfung eines Schadtierbefalls ist heute selbstverständlich.
  • Holz als Material im Flachlager ist nicht empfehlenswert, denn dessen Reinigung ist aufwändig und schwierig und die grobe Porenstruktur fördert Staubeinlagerungen. Außerdem bietet es viele Unterschlupfmöglichkeiten (Ritze, Spalten) für Schädlinge (Kornkäfer) und beim chemischen Vorratsschutz werden höhere Aufwandmengen benötigt.
  • Um Feuchtigkeit und Wärme im Getreide bereits bei der Einlagerung möglichst gering zu halten, sollte deshalb eine Vorreinigung des Ernteguts, etwa mit einer Siebreinigung oder zumindest einer Entstaubung erfolgen. Denn die Verunreinigung des Erntegutes nimmt aufgrund des immer geringeren Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln potenziell zu. Durch die Siebreinigung wird die Qualität homogener und die Ware ist besser gesund zu erhalten. Das Reinigen des Getreides vor der Einlagerung reduziert Belüftungs- und Trocknungskosten sowie den Anteil an Schwarzbesatz, wodurch auch ein möglicher Toxingehalt gesenkt wird.
  • verdorbenes Korn
    verdorbenes Korn
    Erfolg und Misserfolg der Lagerung hängt im Wesentlichen von Temperatur und Feuchtigkeit ab. Zu den wichtigsten Instrumenten in einem Lager gehören daher Messgeräte zur Ermittlung von Feuchtigkeit und Temperatur im Schüttgut sowie Thermometer und Hygrometer für die Umgebungsluft. Getreidekörner sind als lebendige Organismen mit einer natürlichen Keimflora bestehend aus Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen besetzt. Werden bei Weizen, Roggen und Gerste 14 % und bei Hafer und Körnerleguminosen 12 % Feuchtigkeitsgehalt nicht überschritten, sind die Erzeugnisse auch bei sommerlichen Temperaturen über Monate lagerstabil.

Marktentwicklung und Ökonomie: Die ganze Fruchtfolge im Blick behalten!

Über die „Verschiebung auf den Getreidemärkten“ informierte Andreas Lieke in seinem Impulsvortrag. Er skizzierte Wege, wie Ökonomie und Ökologie geschickt vereint werden können, um Betriebe in den Bereichen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit positiv weiterzuentwickeln. Qualität und Standardisierung seien an den internationalen Rohstoffbörsen zwar eng definiert, doch gebe es stets viele Verwertungs- und Veredlungsmöglichkeiten. Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern existierten nur bei Spezialsortimenten, wie etwa Soja oder Leguminosen. Das Gros werde an den Spotmärkten gehandelt. Auch wenn aktuell in den (Fach-)Medien regionale Eiweißprodukte häufig thematisiert würden, spielten Anbauumfang und Mengen in Deutschland im Vergleich zu Weizen, Silomais oder Roggen nur eine untergeordnete Rolle. Die aktuellen Preisentwicklungen an den Märkten fließen mit ein in die Anbauplanungen für das nächste Jahr.

Das Dialogforum Primärproduktion stellt Landwirten und Landwirtinnen eine Liste mit Start-Ups zur Verfügung, die Lebensmittel abnehmen und überschüssige bzw. schwer verkaufsfähige Produkte sinnvoll verwerten:

www.dlg.org/lebensmittel-start-ups


Ausführliche Informationen unter:
www.zugutfuerdietonne.de oder
www.dlg.org/de

„Entscheidend ist aber immer die Frage, welche Erwartungen der Landwirt an die Marktentwicklungen von morgen hat. Die Nachfrage nach Agrarrohstoffen führt zeitversetzt stets zur Nachfrage nach Anbaufläche“, sagte Lieke. Dabei sollten nicht nur einzelne Fruchtfolgeglieder, wie aktuell etwa standardisierte Weizenqualitäten, im Fokus stehen. „In die ökonomische Bewertung muss immer der Deckungsbeitrag der gesamten Furchtfolge berücksichtigt werden“, so Lieke. Die Nachfrage nach Umweltleistungen steige durch die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union stark an. In der Praxis sieht Lieke bei den Landwirten durchaus den Willen, hier ihren Beitrag zu leisten. Er empfiehlt vor allem Flächen zu identifizieren, auf denen ein geringer Deckungsbeitrag zu erwarten ist. „Landwirte benötigen heute ein großes vielfältiges Wissen über Märkte, Marktentwicklungen, Anbauverfahren und vor allem über ihre eigenen Flächen!“

In der anschließenden Diskussion kam die Frage auf, ob es angesichts der aktuellen politischen Lage und des weltweit zunehmenden Hungers in Europa nicht zu einer Neubewertung der Ökologisierung zugunsten der Ernährungssicherung kommen muss – eine Frage, auf die die Politik eine tragfähige Antwort finden muss.

Fotos: SAATEN-UNION

Stand: 10.10.2022