Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Wie ermittelt sich der Wert von Leguminosen?

Der Leguminosenanbau in Deutschland gewinnt immer mehr an Bedeutung. 2020 steigerte sich die Produktion von Futtererbsen um 30 % auf 300.000 t und die von Ackerbohnen um 68 % auf 235.000 t. Trotzdem spiegeln die beim Erfasser erzielten Verkaufspreise oft nicht die Wertschöpfungspotenziale wider, meinen Bruno Kezeya und Marcus Mergenthaler von der Fachhochschule Südwestfalen. Sie zeigen Wertschöpfungspotenziale von Körnerleguminosen auf – für bessere Preise und mehr Wirtschaftlichkeit.Der enorme Sprung in der Produktion basiert unter anderem auf der steigenden Nachfrage nach heimischen Körnerleguminosen, sowohl in der Tierfütterung als auch in der Humanernährung.

Die positiven Fruchtfolgenwirkungen und Ökosystemleistungen der Leguminosen führen zu einem hohen Stellungswert innerhalb der Fruchtfolge. Aus früheren Untersuchungen ergab sich, dass die Entscheidung für Leguminosen in der Fruchtfolge hauptsächlich aufgrund der staatlichen Förderungen fällt. Dies, da die meist geringen Erzeugerpreise zu einer geringeren wirtschaftlichen Attraktivität des Körnerleguminosenanbaus führen. Denn meist bleiben im innerbetrieblichen Vergleich die Fruchtfolgeeffekte nach wie vor unberücksichtigt. Viele Untersuchungen und Berechnungen zeigen jedoch: Bei Berücksichtigung dieser Effekte sind die Deckungsbeitragsrechnungen über die gesamte Fruchtfolge bei der leguminosenhaltigen Variante mindestens gleich gut wie bei leguminosenfreien Fruchtfolgen.


Leguminosen sind wertvoll

Leguminosen sind nicht nur als Fruchtfolgeglied interessant, sondern können auch als Marktware wertvoll sein. Jedoch gibt es für Körnerleguminosen bisher keine verwertungsorientierten und qualitätsdifferenzierenden Preisnotierungen. Zudem werden die vorhandenen Preisnotierungen aufgrund der fehlenden Orientierungsfunktion wenig beachtet. Dies führt dazu, dass die Marktakteure mit wenigen Preisinformationen arbeiten müssen und Informationsasymmetrien zu Verschiebungen von Markt- und Verhandlungsmacht führen. Meint: Die der Produktionsstufe nachgelagerten Bereiche verfügen in diesem Nischenmarkt über mehr preisrelevante Informationen als die Produzierenden. Durch diese ungleiche Verteilung der Information werden Preise systematisch anhand der niedrigsten Wertschöpfungspotenziale veröffentlicht und tauchen so in der Marktpreisberichterstattung auf. Hintergrund dabei ist die Preisfindung in der Futtermittelindustrie, bei der unter anderem Preise von Substituten – meist Futterweizen und Sojaextraktionsschrot – anhand firmeninterner Berechnungswerkzeuge ermittelt werden.

Die Preisfindung der Leguminosen für die Humanernährung ist noch intransparenter. Die Qualität (Reinheit und Sortenwahl) wird hier zwar oft als entscheidener Faktor erwähnt, aber die konkreten preisbestimmenden Einflüsse bleiben unklar. Die sich in der Marktpreisberichterstattung widerspiegelnde niedrigste Verwertung dient dann oft der Orientierung bei der Preisverhandlung zwischen Landwirtschaft und Handel. Das Nachsehen haben die Landwirte und Landwirtinnen.


Bessere Verhandlungsposition durch Preisindikatoren

Ein wichtiger ökonomischer Schritt für die Förderung des Anbaus heimischer Körnerleguminosen ist also die Identifizierung und Entwicklung von Preisindikatoren, die die Wertschöpfungspotenziale abbilden. Diese können dann der Erzeugerstufe helfen, beim Handel eine bessere Vergütung zu erhalten.

Im Rahmen des EU-Projekts LegValue (www.legvalue.eu) wurden drei Ansätze für die Entwicklung von Preisindikatoren für die beiden hauptangebauten Körnerleguminosen Futtererbsen und Ackerbohnen entwickelt.

1. Der erste Ansatz beruht auf einer empirischen, regressionsanalytisch basierten Schätzung von Preisindikatoren für Futtererbsen und Ackerbohnen basierend auf den Preisen von zwei Substituten, Sojaextraktionsschrot und Futterweizen.

Hierzu wurde folgende Formel abgeleitet:

PFE = 35,001 + 0,579*PFW + 0,166*PSES

PAB = 1,350 + 0,555*PFW + 0,227*PSES

Wobei, PFE der geschätzte Preis für Futtererbsen ist und PAB der geschätzte Preis für Ackerbohnen, beide in €/t; PFW ist der Erzeugerpreis von Futterweizen und PSES ist der Preis von Sojaextraktionsschrot, beide in €/t.

2. Der zweite Ansatz beruht auf einem Preisindikator auf Basis der Futterwerte von Futtererbsen und Ackerbohnen in der Schweinefütterung.

Hierzu lautet die Formel:

PFE = 0,540*PFW + 0,493*PSES

PAB = 0,469*PFW + 0,506*PSES

Wobei, PFE der geschätzte Preis für Futtererbsen ist und PAB der geschätzte Preis für Ackerbohnen, beide in €/t; PFW ist der Erzeugerpreis von Futterweizen und PSES ist der Preis von Sojaextraktionsschrot, beide in €/t.

3. Im dritten Ansatz werden die „Werte je Einheit“ (engl. unit values) im Außenhandel von Futtererbsen und Ackerbohnen berechnet, die ebenfalls einen Hinweis auf die Bewertung der Leguminosen geben und damit als Preisindikator herangezogen werden können.

statistische Werte (in €) des Außenhandels /
entsprechende physische Menge (in t)

Bei dem Vergleich der verschiedenen Preisindikatoren für Körnererbsen bzw. Ackerbohnen (Abb. 1 und 2) wird deutlich, dass die Werte je Einheit im Außenhandel am höchsten sind. Unter Betrachtung der jeweils gehandelten höheren Volumina, ist der „Wert je Einheit Import“ für Futtererbse als Preisindikator, bei Ackerbohnen ist der „Wert je Einheit Export“ der bessere. Die Preisindikatoren im Außenhandel deuten auf spezielle Qualitäten der Rohware und auf einen Einsatz in der Humanernährung hin.

Auch der Preisindikator nach Löhr bewertet die Körnerleguminose vergleichsweise hoch. Bei diesem Indikator wird mit Futterwerten in der innenbetrieblichen Verwertung gearbeitet. Entsprechend höher fällt das Ergebnis aus, wenn Preise von gentechnikfreiem Sojaextraktionsschrot zugrunde gelegt werden – dann konkurriert dieser Preisindikator stark mit dem Wert je Einheit im Außenhandel.

Den Abschluss bildet der Preisindikator auf der statistischen Regressionsanalyse. Dieser Indikator allein würde den Wert der Leguminosen generell unterschätzen, da die Schätzformel von den berichteten Marktpreisen abgeleitet wurde und der Indikator auf den Substituten mit einem Einsatz in der Fütterung beruht – also mit dem niedrigsten Wertschöpfungspotenzial. Dies lässt sich in der Abb. 2 (für Ackerbohnen) in dem Zeitabschnitt Ende 2018 bis Ende 2020 gut erkennen: Hier ist der Erzeugerpreis kontinuierlich höher als der geschätzte Preis nach dem Indikator. Denn in diesem Zeitraum stiegt der Anteil der gehandelten Ware für den Lebensmittelmarkt mit entsprechend höheren Marktpreisen.


Preisindikatoren für Futtererbsen

Preisindikatoren für Futtererbsen


Preisindikatoren für Ackerbohnen

Preisindikatoren für Ackerbohnen


Preise nach Verwertung kalkulieren

Schlussfolgernd empfehlen wir aus den Ergebnissen dieser Untersuchung, eine qualitätsdifferenzierte Preisnotierung nach Nutzungszwecken. Dabei würde die gleichzeitige Nutzung der drei Indikatoren der Ermittlung einer stärker an der Verwertung orientierten Preisfindung der Leguminosen dienen. Die berechneten Preisindikatoren würden damit ein „Preisband“ ausweisen, um alle Akteure bei Preisverhandlungen zu unterstützen. Die einkaufende Partei wird als Referenz stärker den niedrigeren Preisindikator heranziehen, während die verkaufende Seite die höheren Preisindikatoren als Rechtfertigung für deren Preisforderungen nutzen wird.

Durch diese Reduzierung der Informationsasymmetrie könnte die produzierende Seite bessere und attraktivere Preise für ihre Leguminosen beim Erfassungshandel erzielen. Durch diese ökonomische Motivation würde die langfristige Versorgung mit heimischen Leguminosen nachfrageorientiert und unabhängiger von direkter finanzieller Förderung und von politischen Eingriffen vorangebracht werden.

Stand: 05.07.2021