Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Sortenresistenzen werden wichtiger

Die Geschichte der Pflanzenkrankheiten ist eng mit der Geschichte der Sesshaftwerdung der Menschen verknüpft. Denn durch die Anlage von Feldern bildete der Mensch früh auch eine optimale Grundlage für die Vermehrung wirtsspezifischer Pflanzenkrankheiten. Durch wirksame Fungizide geriet das Thema jahrzehntelang ins Hintertreffen. Doch das ändert sich jetzt.

In der Literatur finden sich jede Menge Hinweise auf die teilweise dramatischen Auswirkungen von Pflanzenkrankheiten: Die Bibel liefert Hinweise auf Rost, Brand, Mehltau und Fäulnis, aus dem Mittelalter wird von Ergotismus (auch „Kriebelkrankheit“) berichtet. Durch Mutterkornalkaloide kommt es u. a. zu Nekrosen am Körper und Wahnvorstellungen. Die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel führte um 1845/46 in Irland und 1916/17 in Deutschland zu Hungersnöten und in der Folge zu Auswanderungswellen Richtung Amerika.


Vorzüge gesunder Sorten

Vorzüge gesunder Sorten


Durch die Errungenschaften der modernen Landwirtschaft und speziell der Entwicklung vieler fungizider Wirkstoffklassen ab den 1960er-Jahren wurden Pflanzenkrankheiten und damit die Anforderungen an die Gesundheit der Sorten jedoch zunehmend in den Hintergrund gerückt.

Mit den sich verändernden politischen Rahmenbedingungen, dem Wegfall wichtiger Wirkstoffe und dem gesellschaftlichen Wunsch nach Extensivierung der Landwirtschaft rückt nun auch die gesunde Sorte und damit die Resistenzzüchtung wieder mehr in den Fokus.


Krankheitsresistenzen bei verschiedenen Kulturarten und ihre zunehmende Bedeutung

Lupine: Ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Resistenzen findet sich bei der weißen Lupine. Jahrelang war an einen erfolgreichen Anbau dieser Kulturart nicht zu denken, da die Krankheit Anthraknose hierzulande zu kompletten Ernteausfällen führen konnte. Seit Neuerem sind nun anthraknosetolerante Sorten am Markt und der Anbau dieser heimischen Eiweißquelle ist wieder möglich.

Gentleman
Gentleman
Im Winterweizen gibt die Beschreibende Sortenliste des Bundessortenamtes Auskunft über acht verschiedene bedeutende Krankheiten. Hier sollte insgesamt auf eine ausgewogene Resistenzausstattung geachtet werden, um den Pflanzenschutzbedarf möglichst gering zu halten (z. B. der B-Weizen Gentleman nach Bundessortenamt mit Ausprägungsstufe (APS) für Septoria „3“, Gelbrost „1“ und Braunrost „2“). Bei entsprechend gesunder Fruchtfolge und guter ackerbaulicher Praxis können zwar mit weniger gesunden Sorten wie z. B. Tobak ebenfalls sehr gute Ergebnisse erzielt werden, neue Sorten liefern aber in der Regel ein höheres Ertragspotenzial bei wesentlich geringerem Risiko für Ertrag und Vermarktung. Nicht in der Beschreibenden Sortenliste zu finden sind Informationen zu Steinbrand oder Zwergsteinbrand. Beide Krankheiten konnten bisher zuverlässig durch chemische Beizen kontrolliert werden. Durch die unklare Zukunft der möglichen Saatgutbeizen lohnt sich hier ein Blick Richtung Ökozüchtung: Hier gehören Resistenzen gegenüber diesen samenbürtigen Krankheiten schon zum Repertoire.

Gerste: Ein weiteres wichtiges Thema speziell in der Wintergerste (aber auch im Weizen) sind die Verzwergungsviren, namentlich das Gerstengelbverzwergungsvirus (BYDV) und das Weizenverzwergungsvirus (WDV). Durch die fortschreitende Veränderung des Klimas wird die Ausbreitung dieser Krankheiten gefördert, da die Lebensbedingungen für die Virusüberträger, Blattläuse und Zikaden, besser werden. Die Züchtung arbeitet intensiv an weiteren BYDV-resistenten Sorten. Daher ist mit mehreren Zulassungen in den kommenden Jahren auch in Deutschland zu rechnen. In Regionen mit starkem Befallsdruck können solche Sorten – nebst einer angepassten Ackerbaustrategie – erfolgreichen Gerstenanbau garantieren. Aus Frankreich erreichte uns im letzten Jahr allerdings die Nachricht, dass selbst bei im Frühjahr gedrillten Sommergersten ein starker Befall auftrat. Hier gibt es leider züchterisch bisher keine Lösung, dies gilt im Übrigen auch für WDV-Resistenzen.

Tendenziell ist eine Zunahme des Infektionsdrucks weiterer wärmeliebender Krankheiten wie beispielsweise Zwergrost oder Netzflecken im Rahmen des sich verändernden Klimas zu erwarten. Die Anforderungen an die Resistenzausstattung der Sorten werden also steigen.

Su Laurielle: sehr ramularia-gesund
Su Laurielle: sehr ramularia-gesund
Ein ebenfalls sehr wichtiges Thema in der Gerste ist Ramularia, speziell nach dem Wegfall von Chlortalonil. Hier findet sich in der Beschreibenden Sortenliste eine große Spanne von Sorten mit guter Resistenz „APS 3” bis hin zu schwacher Resistenz „APS 7”. Etwa 45 % der zur Ernte 2020 vermehrten Wintergerstensorten in Deutschland besitzen die Einstufung „APS 4” oder besser, dieser Anteil wird sich vermutlich ohne Chlortalonil noch weiter zugunsten der Ramularia-resistenten Sorten verschieben. Als kurzfristige Lösung dürfte im Frühjahr 2021 die regional und zeitlich begrenzte Notfallzulassung zweier Mittel mit dem Wirkstoff Folpet vorerst Abhilfe schaffen.


Resistenzgene als Alleinstellungsmerkmale

In einigen europäischen Märkten zeichnet sich auch schon eine Zunahme der Bedeutung von speziellen Resistenzgenen ab. Dies meint bestimmte Gene oder Genabschnitte, welche einen Teil der Resistenz gegenüber einer bestimmten Krankheit erklären können. Mittels molekularer Marker können diese Abschnitte mittlerweile relativ einfach detektiert werden und so macht es sich die Züchtung zum Ziel, möglichst viele dieser Resistenzgene in einer neuen Sorte zu vereinen (man spricht von „pyramidisieren“). Im Winterweizen sind dies beispielsweise „Sm1“, welches eine Resistenz gegenüber der Orangen Weizengallmücke vermittelt, oder „Pch1“, welches einen größeren Teil der Resistenz gegenüber Halmbruch erklärt. Auch Sorten mit einer speziellen Resistenz gegenüber bodenbürtigen Mosaikviren im Weizen („Sbm1“) werden mancherorts vermehrt nachgefragt. In der Wintergerste sind es ebenfalls Resistenzgene gegenüber den bodenbürtigen Mosaikviren (Typ 1 bzw. 2) und gegen das Gelbverzwergungsvirus (BYDV). Außerdem können aber mittels molekularer Marker auch mehrere Genabschnitte, welche jeweils einen kleinen Teil der Resistenz gegenüber einer Krankheit erklären (quantitative Resistenz, viele Gene sind involviert), wirkungsvoll kombiniert – pyramidisiert – werden. Dies führt dann zu einer nachhaltigeren Resistenzausbildung, denn auch wenn der Krankheitserreger eines der Resistenzgene „überlistet“ hat, bleiben noch weitere effektive Resistenzgene vorhanden. Klassische Beispiele hierfür sind im Winterweizen Resistenzen gegenüber Fusarium, Septoria, Gelb- bzw. Braunrost.

Auch modernste Zuchtmethoden erfordern viel Handarbeit.
Auch modernste Zuchtmethoden erfordern viel Handarbeit.


Gesunde Sorten können Fungizide schützen

Viele Pflanzenschutzmittel sind mittlerweile oder in absehbarer Zukunft nicht mehr zugelassen und stehen somit nicht mehr für eine ausgeklügelte Fungizidstrategie zur Verfügung. Umso wichtiger ist es, die Wirksamkeit der verbleibenden Mittel möglichst langfristig zu erhalten und Resistenzen auf der Erregerseite zu vermeiden. Insbesondere bei den Fungiziden aus der SDHI-Gruppe (Succinat-Dehydrogenase Inhibitor) sowie den Azolen muss mit Bedacht gehandelt werden. Bei diesen wird das Risiko der Resistenzbildung gegenüber den relevanten Krankheitserregern als mittel-hoch bzw. mittel eingestuft (FRAC Einstufung). Um die Wirksamkeit der Mittel möglichst lange zu erhalten, stehen verschiedene Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes bzw. -baues zur Verfügung (s. auch www.praxisnah.de/201832). 

Einen nicht zu unterschätzenden Baustein eines guten Resistenzmanagements bildet die richtige Sortenwahl. Denn je gesünder die Sorte, desto weniger Fungizidanwendungen werden benötigt – und dementsprechend geringer fällt der Selektionsdruck durch die Fungizide auf die Erreger aus.

Ein Blick auf die Beschreibende Sortenliste des Bundessortenamtes gibt hier Auskunft über die Resistenzausstattung: Betrachtet man die Summe der Resistenzausprägungen im Winterweizen, stechen die neueren Zulassungen wie

SU Selke (2019), Gentleman (2020), Kastell (2021) und SU Fiete (2021) hervor, die sich aufgrund einer hervorragenden und breit aufgestellten Gesundheit besonders für fungizidreduzierte Produktionsverfahren eignen. Bei den zweizeiligen Wintergersten verfügen fast alle Neuzulassungen über eine hervorragende Gesundheit, bei den mehrzeiligen sind SU Midnight und Picasso die gesündesten Kandidatinnen. 


Neue Resistenzen durch „Genome Editing“?

Ein sehr kontrovers diskutiertes Thema ist die Züchtung von Sorten mittels der sogenannten „Genschere“ (CRISPR/Cas). Diese Methode ermöglicht ein punktuelles Eingreifen in das Genom von Pflanzen, also das gezielte Herbeiführen von kleinen Mutationen wie sie auch natürlicherweise entstehen können. Das Ergebnis aus diesem Eingriff ist, anders als bei den Methoden der klassischen Gentechnik, auch durch klassische Züchtungsmethoden möglich, da keine „Fremd-DNA“ eingebracht wird.

Das „Genome Editing“ birgt somit also die Chance, den Zuchtfortschritt bezüglich biotischer und abiotischer Stresstoleranzen zu beschleunigen, also Pflanzen schneller widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten, aber auch gegenüber Trockenstress oder Frost zu machen. Diese Technologie fällt in vielen Teilen der Welt nicht unter die strengen Regularien der Gentechnik, da die herbeigeführten Veränderungen im Genom auch auf natürliche Weise hätten entstehen können und der Nachweis daher noch nahezu unmöglich ist. In Europa gelten jedoch auch für das „Genome Editing“ die strengen Vorschriften der Gentechnik und somit spielt es in den europäischen Zuchtprogrammen praktisch keine Rolle für die Erschaffung neuer Krankheitsresistenzen.


Fazit

Durch die Anforderungen von Politik und Gesellschaft gewinnt der Anbau von gesunden Sorten zunehmend an Attraktivität. Die Ertragssicherung durch Pflanzenschutzmaßnahmen wird auch durch immer weniger Wirkstoffe im Markt schwieriger werden.

Die Pflanzenzüchtung bietet bereits jetzt schon in sämtlichen Kulturarten interessante Sorten an, welche mit geringerem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zuverlässig stabile – und stabil hohe – Erträge liefern können.

 

Jan Röttjer

 

 

 

Was macht Resistenzzüchtung?

Die Pflanzenzüchtung bildet die Grundlage für neue leistungsfähige Sorten. Neben dem Wunsch nach höheren Erträgen bei gleichbleibenden oder besseren Qualitäten und guter Agronomie werden auch die Rufe nach effizienteren Sorten lauter. Neue Sorten sollen die gewohnten Hochertragsleistungen erbringen, dies aber nach Möglichkeit mit einem Minimum an Input – also an Düngung und Pflanzenschutzmitteln. Bei diesen Zielen spielt die Resistenzzüchtung eine tragende Rolle.

[In diesen kleinen Parzellen werden Krankheiten im Wintergerstenzuchtgarten schon früh evaluiert.] Um die Herausforderungen der Resistenzzüchtung zu verstehen, muss man zuerst einen Blick auf ihre „Gegner“ werfen, die Schaderreger. Die meisten wirtschaftlich bedeutsamen Krankheiten werden durch pilzliche Erreger verursacht. So unterschiedlich diese sind, eines haben sie alle gemeinsam: Pro Jahr reproduzieren sie sich wesentlich häufiger als die Kulturpflanzen. Je häufiger sich ein Erreger sexuell reproduziert, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass dabei zufällige Veränderungen (Mutationen) entstehen. Diese Mutationen können viele Formen haben und bieten dem Erreger unter Umständen keine Vorteile. Möglich ist aber auch, dass durch eine solche Mutation ein Erreger in der Lage ist, das „Immunsystem“ der zuvor resistenten Pflanze zu überlisten. Man spricht dann von einem „Resistenzdurchbruch“ (z. B. „Warrior“–Gelbrost-Rasse im Jahr 2014). Man unterscheidet zwischen qualitativer „echter“ Resistenz und quantitativer Resistenz: Bei letzterer könnte man auch von Widerstandsfähigkeit oder Toleranz sprechen, denn (schwache) Symptome können durchaus noch auftreten. Bei vollständiger Resistenz treten keine Symptome auf. Die Resistenzen aufseiten der Pflanze sind somit einem sich ständig veränderten Erregerspektrum ausgesetzt und verlieren mit der Zeit ihre Wirksamkeit. Resistenzzüchtung ist daher ein ständiger Wettlauf mit den Erregern! Es müssen fortlaufend neue, wirksame Resistenzgene identifiziert und eingekreuzt werden.

Häufig finden sich solche neuen Gene in Wildformen unserer Kulturpflanzen und sind eng mit agronomisch negativen Eigenschaften verknüpft. Jahrelange Rückkreuzung und Selektion sind daher notwendig, um diese Resistenzen in Hochertragssorten anbieten zu können.

Durch neuere Technologien wie markergestützte oder genomische Selektion kann dieser Vorgang zwar effizienter und schneller gestaltet werden, kostet aber immer noch sehr viel Zeit und Geld.

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Stand: 06.05.2021