Aktuelle Ausgabe 01/2024

Ausgaben

Sonderausgaben

Themen

Abonnement

Impressum

Datenschutzerklärung

Cookie-Einstellungen

Nachhaltigkeit: Nützlingsförderung in der Landwirtschaft

Die Förderung der Nützlinge ist seit jeher ein grundlegendes Element sowohl im integrierten Pflanzenschutz als auch im ökologischen Anbau und verdient besondere Aufmerksamkeit. Wie kann der Einzelne in der Landwirtschaft mit verträglichem Aufwand Nützlinge fördern? Prof. Dr. habil. Bernd Freier, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, gibt Anregungen.

Marienkäferlarve; erwachsene Käfer schaffen bis zu 100 Blattläuse am Tag; Bild: Ruhnke
Marienkäferlarve; erwachsene Käfer schaffen bis zu 100 Blattläuse am Tag; Bild: Ruhnke
Nützlinge verdienen besondere Beachtung. Das Pflanzenschutzgesetz (§ 3) verweist auf die Einhaltung der acht allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes. Der erste Grundsatz beinhaltet auch die Forderung: „Schutz und Förderung wichtiger Nutzorganismen, z. B. durch geeignete Pflanzenschutzmaßnahmen oder die Nutzung ökologischer Infrastrukturen innerhalb und außerhalb der Anbau- oder Produktionsflächen.“


Natürliche Regulatoren von Schädlingen, wichtig für die biologische Vielfalt

Nützlinge sind natürlich vorkommende oder eingesetzte tierische Organismen, die Schädlinge fressen oder parasitieren und somit zur natürlichen Regulation von tierischen Schaderregern beitragen. Sie sind somit ein bedeutendes Glied in den Nahrungsketten Kulturpflanzen – Schädlinge – Nützlinge – Feinde der Nützlinge. Sie kommen in unseren Agrarlandschaften überall zur Wirkung und sind zudem ein wichtiger Faktor der biologischen Vielfalt auf den Feldern. Leider spielen Nützlinge bei der natürlichen Kontrolle von Pilzkrankheiten und Unkräutern keine Rolle.


Parasitoidenweibchen bei der Eiablage: A. colemani vs. M. persicae

Parasitoidenweibchen bei der Eiablage: A. colemani vs. M. persicae

 

Marienkäferlarve auf der Jagd; Bild: Boenisch
Marienkäferlarve auf der Jagd; Bild: Boenisch

 

 

 

 

 

mumifizierte Blattlaus; Parasitoidenlarve schlüpft bald; Bild Boenisch

mumifizierte Blattlaus; Parasitoidenlarve schlüpft bald; Bild Boenisch



Die wichtigsten Nützlinge

Parasitäre Nematoden: Fadenwürmer der Gattungen Heterorhabditis, Steinernema u. a. befallen vor allem Bodenschädlinge.

Spinnen: Vor allem Webespinnen (z. B. Erigone- und Pardosa-Arten) besiedeln als Jäger und Fallensteller die Kulturpflanzenbestände. Sie sind nicht auf Schädlinge spezialisiert, wenn die aber in hoher Dichte auftreten, sind sie die bevorzugte Beute.

Raubmilben: Sie dezimieren insbesondere Spinnmilben im Obst- und Weinbau. Eine Raubmilbe pro zwei Apfelblätter reicht aus, um die Obstbaumspinnmilbe unter Kontrolle zu halten.

Marienkäfer: Die meisten Arten fressen Blattläuse. Häufig auf den Feldern treten Coccinella septempunctata, Propylea quatuordecimpunctata, Adalia bipunctata und seit Anfang der 2000er Jahre der aus Asien stammende Harmonia axyridis auf. Es handelt sich um besonders wirksame Jäger: Der Siebenpunkt-Marienkäfer kann täglich mehr als 100 Blattläuse vertilgen und auch die Larven sind als Blattlausfresser sehr aktiv.

Laufkäfer: Sie leben vorrangig auf dem Boden und gelten als wichtigste an der Bodenoberfläche lebende Nutzarthropoden. Auf den Feldern kommen regelmäßig 20–60 Arten vor. Somit fungieren sie auch als ein Indikator der Biodiversität.

Parasitische Wespen: Nahezu alle Schädlinge werden von Parasitoiden attackiert. Die Larven entwickeln sich in den Schädlingen und töten sie. Florfliegen und Schwebfliegen: Die Larven von Chrysoperla carnea und Episyrphus balteatus sind als Blattlausräuber allgegenwärtig.


Kann man die Leistung der Nützlinge bewerten?

Viele Forschungsprojekte widmeten sich der Bewertung von Nützlingsleistungen. Dazu wurden aufwendige Feldstudien und statistische Analysen zum Auftreten von Schädlingen und Nützlingen durchgeführt, die Fraßleistung im Labor oder in Klimakammern ermittelt, Darmanalysen vorgenommen und Berechnungen mit Simulationsmodellen angestellt. Dennoch erweist es sich als schwierig, die Leistungen der Nützlinge genau zu quantifizieren. Im Rahmen einer 10-jährigen Studie in Weizenfeldern konnte nachgewiesen werden, dass fast in jedem zweiten Jahr die Nützlinge dafür gesorgt haben, dass der Befall mit Getreideblattläusen unterhalb kritischer Werte lag und somit Insektizid­anwendungen nicht nötig waren (Freier et al. 2006).



Nützlingsförderung

Man kann eine Vielzahl von Maßnahmen ergreifen, um Nützlinge zu fördern bzw. ihnen nicht zu schaden.

1. Minimierung der Pflanzenschutzmittelanwendung

  • Besondere Vorsicht ist bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) geboten, denn jede Ausbringung hat auch Nebenwirkungen auf die Nützlinge. Unnötige Maßnahmen sind daher zu unterlassen.
  • Bei der Wahl des PSMs ist auf die Nebenwirkungen zu achten, insbesondere bei Insektiziden.
  • Teilflächenbehandlungen oder die Reduzierung der Aufwandmengen tragen dazu bei, Nützlinge zu schonen. Durch die Reduzierung der Aufwandmenge sterben zumeist deutlich weniger Nützlinge, als bei der vollen Aufwandmenge. Allerdings lassen die geringen Wirkreserven der Insektizide deutliche Reduzierungen der Dosis meist nicht zu.
  • Zu bedenken sind auch indirekte Wirkungen der PSM über die Nahrungsketten. So sichert ein schwacher Schädlingsbefall das Überleben ihrer natürlichen Gegenspieler. Wo die Schädlinge „weggespritzt“ werden, gibt es auch keine Nützlinge. Überhaupt tragen alle Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes dazu bei, Nützlinge zu schonen bzw. ihr Auftreten zu fördern.

2. Minimierung der Abdrift

In Nachbarschaft zu den Zielflächen von PSM-Anwendungen stehen Saumstrukturen, die durch Abdrift gefährdet sein können. Saumstrukturen sind naturnahe Biotope, sie stellen ein hohes Schutzgut dar, fungieren als Überwinterungsbiotope vieler Nützlinge oder bieten ihnen einen zeitweiligen Lebensraum und ergänzende oder alternative Nahrungsquellen. Schwebfliegen und parasitische Wespen z. B. profitieren, indem sie als Adulte Pollen und Nektar konsumieren und dann gezielt in die Felder zur Eiablage fliegen. Zudem sind sie ein Quell der Biodiversität in der Agrarlandschaft. In Deutschland beträgt die Gesamtlänge der Nachbarschaft von Ackerland zu Saumstrukturen ca. 1,5 Mio. km. Deshalb sollte Abdrift grundsätzlich vermieden werden.

PSM-Applikationen bei Windgeschwindigkeiten > 5 m/s entsprechen nicht der guten fachlichen
Praxis. Abstandsauflagen sind konsequent einzuhalten. Ein besonderer Ansatz ist, die Abstandsauflagen an den Erfüllungsgrad bei der Mindestausstattung mit naturbetonten Biotopen wie z. B. Hecken, Feldgehölzen, kleinen Wäldchen auf Gemeindebasis zu binden (siehe Verzeichnis der regionalisierten Kleinstrukturanteile, www.jki.bund.de).


Greeningauflagen Auswirkungen auf Nützlinge

Greeningauflagen Auswirkungen auf Nützlinge



3. Wie tragen die Greeningmaßnahmen zur Förderung der Nützlinge bei?

Die unterschiedlichen Greeningmaßnahmen unterstützen die Nützlinge in unterschiedlichem Maße (s. Tab. 1). Besonderes Augenmerk verdient die Ausdehnung Öko­logischer Vorrangflächen. Die Anlage von Blühstreifen und mehrjährigen Brachen scheinen dabei den größten Beitrag für die Nützlinge zu leisten.


Fazit

Nützlinge können einen beachtlichen Beitrag im Pflanzenschutz leisten. Aber nach derzeitigem Kenntnisstand werden sie selbst bei maximaler Förderung nicht in der Lage sein, Schädlinge ausreichend zu dezimieren. Und man kann auch nicht sämtliche Maßnahmen alleine von der Landwirtschaft als unentgeltliche Leistung einfordern. Gezielte Maßnahmen der Nützlingsförderung müssen mit einer adäquaten finanziellen Unterstützung einhergehen.

 

Downloads


Stand: 17.10.2019