Aktuelle Ausgabe 01/2024

Ausgaben

Sonderausgaben

Themen

Abonnement

Impressum

Datenschutzerklärung

Cookie-Einstellungen

Fruchtfolge mit Zwischenfrüchten: „Wir haben alle Möglichkeiten, flexibel zu sein!“

Viele sehen in den zunehmenden agrarpolitischen Vorgaben und den gesellschaftlichen Forderungen an die Landwirtschaft in erster Linie Einschränkungen in ihrem beruflichen Handeln. Herwart v. d. Decken, Landwirt aus Freiburg/Elbe, sieht darin jedoch nicht nur Probleme, sondern auch eine Chance, Dinge neu zu strukturieren und so seinen Betrieb zu optimieren.

Quelle: Mächler
Quelle: Mächler
Der landwirtschaftliche Betrieb Rutenstein liegt im Marschgürtel im klimatischen Einflussbereich der Nordsee. Hier sind die Niederschläge in der Regel ausreichend (Ausnahme 2018), die Böden schwer („Minutenböden“) und die Erträge im bundesweiten Vergleich hoch.

Informationen zu Sortenwahl und Bestandesführung bekommt der Betriebsleiter unter anderem von der Raiffeisen Weser-Elbe eG. Anbauversuche der Genossenschaft ermitteln, was unter diesen klimatischen und standortbezogenen Bedingungen v. a. in Sachen Sortenwahl, aber auch Düngung und Pflanzenschutz optimal ist. Die Versuche werden von Gerold Mächler und Kai Hollander (Pflanzenbauberater und Bereichsleiter Pflanzenbau der Raiffeisen Weser-Elbe eG) begleitet und ausgewertet.


v. d. Decken (l), Mächler (r)
v. d. Decken (l), Mächler (r)
Das hohe Potenzial der schwierigen Böden erhalten

Der hier vorherrschende tonige Lehm hat eine hervorragende Speicherkapazität, ist aber bei Nässe und auch bei Trockenheit schwer zu bearbeiten. Umso wichtiger sind daher hohe Humus- und Kalkgehalte, die für eine günstige Lagerungsdichte sorgen und damit die Bearbeitbarkeit entscheidend verbessern. Mit engen Getreidefruchtfolgen können der Humusgehalt und die Bodenstruktur langfristig nicht erhalten werden.

Auf dem viehlosen Betrieb Rutenstein werden die Hauptkulturen Winterraps, Winterweizen, Wintergerste, Sommerbraugerste, Zuckerrüben, Ackergras und Mais angebaut. Wo es passt, kommen Zwischenfrüchte zum Einsatz, die teilweise als GPS in der Biogasanlage (550 kW) verwertet werden. Ackergras ist im Betrieb eine Hauptfrucht. Granoleg/Granopur sind ebenfalls Hauptfrüchte, vor denen auch eine Zwischenfrucht angebaut werden kann.


Granoleg
Granoleg
Getreide/Leguminosenmischung: Sanierungsmaßnahme für Problemflächen

Auf dem Betrieb waren einige „Problemflächen“ hinzugekommen, die möglichst schnell und effektiv in seine bestehende Ackerfläche integriert werden sollten, denn ab Sommer 2018 war hier die „normale“ Fruchtfolge geplant. Oberste Priorität war es, eine möglichst schnelle Verbesserung der Bodenstruktur, des pH-Wertes und des Humusgehaltes zu erreichen. „Nach einer Aufkalkung musste auf die Fläche unbedingt eine Kultur zur Verbesserung von Humusgehalt und Bodenstruktur, von der ich auch gute GPS-Erträge trotz der späten Aussaat erwarten konnte. Außerdem wollte ich mir damit keine Fremdarten auf den Acker holen, die ich dann später wieder bekämpfen muss“, erläutert v. d. Decken seine Ansprüche. Die Mischung Granoleg erfüllte die o. g. Voraussetzungen und konnten mit dem Schwerpunkt Getreide/Gras wie eine Sommergetreide-GPS geführt werden. „Die Mischungen Granoleg und Granopur enthalten Triticale, Roggen und Hafer – also alles Kulturen, die in unserem Klima sehr gut wachsen. Die Mischungen haben hier Vorteile gegenüber einer Reinsaat: Was eine Frucht gerade nicht leistet, gleicht eine andere Frucht wieder aus. Die Durchwurzelung und die hinterlassene Bodengare sind sehr gut. Bei der Trockenheit im letzten Jahr brachten die Mischungen besonders beim Vergleich mit spät gesäter Sommergerste höhere GPS-Erträge,“ beschreibt Gerold Mächler seine Beobachtungen.

„Diese Mischungen als Sommerung auf dieser sehr speziellen Fläche auszuprobieren, fand ich spannend. Die Bestände machten sehr früh ‚dicht‘, sodass keinerlei Pflanzenschutzmaßnahmen notwendig waren. Gedüngt wurde mit organischem Dünger – Gülle/Biogassubstrat. Dieser bringt im Gegensatz zu Mineraldünger sehr viel für den Boden und das Bodenleben. Trotz der Dürre im Sommer sahen die Mischungen einigermaßen gut aus. Nach wochenlanger Trockenheit und Hitze haben natürlich auch diese Mischungen gelitten und brachten keine Spitzenerträge mehr. 28 Tonnen Basis 32 % Trockensubstanz waren es aber dennoch.“ Geerntet wurde in der Teigreife des Roggens mit kurzer Häcksellänge. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch bei keiner Pflanzenart die Lignifizierung begonnen. Die Silierung verlief problemlos und auch die Leistung in der Biogasanlage gab keinen Grund zur Klage. „Wir haben dank dieser Mischungen in diesem Trockenjahr die Anlage voll bekommen“, v. d. Decken zeigt sich zufrieden.


Ein Ernte-Tipp des Betriebsleiters Herwart v. d. Decken:
„Bei Granopur sollte man lieber einen Tick früher als zu spät mit der Ernte beginnen. Granoleg haben wir wegen der Leguminosen einen Tag anwelken lassen.“

Weite Fruchtfolgen schaffen Flexibilität

Auf schweren Böden ist die Befahrbarkeit generell ein großes Thema: Fallen im Herbst die für die Küstenregion typischen Niederschlagsmengen, kann es bei der Maisernte eng werden und die Aussaat des Wintergetreides wird erschwert oder gar unmöglich. „Fahrschäden sind hier nur schwer zu reparieren. Im Extremfall – wie bei einer Maisernte auf wassergesättigten Böden – sieht man die Fahrspuren noch jahrelang,“ hat v. d. Decken beobachtet. „Man muss sich die Fruchtfolgen so bauen, dass man ein großes Maß an Flexibilität erreicht. Dann kann man reagieren und kurzfristig die eigentlich angedachte Fruchtfolge anpassen. Ein Beispiel: Mais ist meine wichtigste Kultur für die Biogasanlage. Mais bringt hier jedoch nur bei guter Bodenstruktur hohe Erträge. Um das Risiko von Fahrschäden bei der Ernte zu begrenzen, brauche ich also neben einer guten Drainage frühe Sorten.“

gut durchwurzelter Boden unter Granoleg und Granopur, Quelle: Mächler
gut durchwurzelter Boden unter Granoleg und Granopur, Quelle: Mächler

Ein zweites Beispiel liefert er gleich hinterher: „Wenn der Herbst zu nass ist und ich das Wintergetreide einschmieren müsste, dann disponiere ich um. Statt Wintergetreide kommt auf die Fläche erst einmal eine Zwischenfrucht und nachfolgend z. B. Sommergerste. Wir haben hier alle Möglichkeiten, flexibel zu sein! Klimatisch geht hier fast alles und das Sortenspektrum ist riesig. Ich finde in jeder Kulturart die passenden Sorten für meine spezielle Situation. Der Zwischenfruchtanbau wird in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen, denn wir müssen den Boden für uns arbeiten lassen. Dies kann er nur, wenn er in Ordnung ist. Ein durchwurzelter Boden ist tragfähiger, hat eine deutlich bessere Kapillarität und ist leichter zu bewirtschaften. Wahrscheinlich wird man in ziemlich naher Zukunft zu Gesamtverfahren kommen, wo die Flächen immer begrünt sind. Der größte Anspruch ist hierfür die geeignete Technik zu finden, um die gerade gewachsenen Strukturen nicht erst wieder zu zerstören und sich dann zu wundern, dass die Folgekultur sich schwertut oder die Befahrbarkeit schlecht ist.“

Eine weitere, immer wieder bestätigte Erfahrung ist, dass eine kurzfristige Umstellung und Anpassung der Fruchtfolge nicht zwingend ein wirtschaftlicher Nachteil sein muss – ganz im Gegenteil. „Ich habe festgestellt, dass weite Fruchtfolgen langfristig auch mehr Ökonomie mit sich bringen. Und sie nehmen den Druck raus: hinsichtlich der Arbeitswirtschaft aber auch hinsichtlich des Anbaurisikos durch z. B. extreme Witterung. Aber weite Fruchtfolgen sind keine Selbstläufer – sie bringen mehr Flexibilität, sie fordern sie aber auch ein!“


Immer dabei: ein Spaten

Neue Fruchtfolgesysteme sind auf sehr vielen Betrieben jetzt ein Thema. Dreigliedrige Fruchtfolgen, die oft über Jahrzehnte praktiziert wurden und hoch wirtschaftlich waren, funktionieren immer weniger. Wer „neue“ Kulturen hinzunehmen will, muss sich wieder mit grundsätzlichen Fragen zu den Wechselwirkungen von Boden, Bodenbearbeitung, Bestandesführung und Pflanze beschäftigen. Dazu gehört zu Beginn eine Analyse des Bodenzustandes, denn von diesem hängt ab, welche Kulturarten den maximalen Nutzen für die Verbesserung des Bodens bringen können. „Man muss sich mit dem ganzen System intensiv auseinandersetzen – und das nicht nur am Anfang, wenn man die engen getreidelastigen Fruchtfolgen erweitert. Ich habe fast immer einen Spaten dabei. Einfacher kann ich nicht kontrollieren, wie der Boden sich unter der jeweiligen Kultur darstellt und wo es vielleicht noch Verdichtungen gibt.“


Den Wandel nutzen

Auf dem Betrieb Rutenstein konnten flexible Fruchtfolgekonzepte mit hoher Wirtschaftlichkeit etabliert werden. „Es hat keinen Sinn, die politischen Vorgaben zu verteufeln und alles verbissen zu sehen. Ich muss mir doch als Unternehmer die Frage stellen, wie ich diese Vorgaben in meinen Betrieb so integriere, dass ich letztlich einen Vorteil davon habe. Uns stehen hier alle Türen offen.

Die Landwirtschaft wandelt sich seit Jahrzehnten. Unsere Betriebe haben sich in den letzten Generationen immer verändert und anpassen müssen. Warum sollte unsere Generation dies jetzt nicht auch hinbekommen? Wer diese Herausforderung nicht annehmen möchte, muss aufhören. Das ist für mich keine Option!“

 

Das Gespräch führten Maik Seefeldt und Dr. Anke Boenisch

 

Stand: 30.04.2019