Nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Verarbeiter ihrer Produkte wie Müller, Bäcker und Nudelhersteller sind einem starken Strukturwandel unterworfen. Besonders die Handwerksbetriebe unter den Bäckern stehen im starken Wettbewerb zu Discountern und Supermärkten. Um eine stabile Kundenbindung zu erreichen, setzen viele Hersteller von Backwaren und Nudeln auf Regionalität und Qualität bis hin zur Verwendung von Rohstoffen aus ökologischer Produktion, deren Nachfrage weiterhin steigt.
Eine erfreuliche Entwicklung dabei ist, dass viele Verarbeiter den Kontakt zum Landwirt suchen und sich detailliert dafür interessieren, was bei der Rohstoffproduktion auf dem Acker passiert. Die Landwirte lassen sich hier gerne in „ihre Karten“ schauen, hat die enge Zusammenarbeit doch das Ziel, für beide Seiten eine höhere Wertschöpfung als bislang zu generieren. Regionalität allein reicht oft nicht – es müssen kreative Marketingkonzepte gestrickt werden, die den Verbraucher auch erreichen und zum Kauf dieser oft höherpreisigen Produkte bewegen.
So sind in letzter Zeit viele erfolgreiche Vertragsproduktionen entstanden, die dem Landwirt gegenüber der „anonymen“ Getreideproduktion eine höhere Wirtschaftlichkeit bieten. Die Spezialgetreidearten Dinkel und Durum eignen sich besonders gut für solche Programme. Deshalb sollen hier zwei Beispiele näher vorgestellt werden.
Aus Dinkel Zollernspelz wird die Brotmarke Zollerngold
Thomas Koch, Bäckermeister und geprüfter Brotsommelier aus Balingen-Engstlatt, hatte die Vision, ein Brot zu erschaffen, wie er es aus seiner Kindheit kannte: schmackhaft, ehrlich und von hier. Nach zahlreichen Versuchen über einen längeren Zeitraum entstand daraus ein genetztes Dinkelbrot aus sortenreinem Mehl der Sorte Zollernspelz. Der Anbau der gesunden und standfesten Sorte Zollernspelz erfolgt ohne chemischen Pflanzenschutz mit Mineraldüngung, um eine stabile Qualität zu garantieren. Das Brot daraus vermarktet Bäcker Koch unter dem Namen Zollerngold. Um das Brot bekannt zu machen, lud er seine Kunden mit dem Müller und Rohstoffproduzenten zu einer Brotverkostung in die Backstube ein. Auch die Lokalpresse wurde gut eingebunden und berichtete über die Veranstaltung in der Tagespresse. Ein solches Projekt ist nur möglich, so Koch, wenn Bäcker, Bauer und Müller sich persönlich kennen und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
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Pasta-Marathon bei Alb-Gold
Die Unternehmensgruppe Alb-Gold in Trochtelfingen auf der Schwäbischen Alb steht für Transparenz vom Saatgut bis auf den Teller. Das Unternehmen pflegt langfristige Partnerschaften mit Vertragslandwirten. Dinkel, die klassische und traditionelle Getreideart der Schwäbischen Alb, wuchs schon immer quasi vor der Haustür. Jedoch benötigt man als Nudelhersteller überwiegend Hartweizen – der typische „Nudelrohstoff”. Bundesweit – vom Hochrhein bis nach Thüringen – produzierten 2018 über 100 Vertragslandwirte auf 1.542 ha über 8.000 Tonnen Durumweizen für Alb-Gold. Dabei waren erstmals auch nennenswerte Mengen aus der Region vor Ort dabei. In Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit 25 sortenreine Nudelmuster von zwei Standorten untersucht.
Bei diesem „Pasta-Marathon“ gab es teilweise überraschende Ergebnisse. Der Versuch gibt Hinweise darauf, dass der Proteingehalt selbst nicht unbedingt ausschlaggebend für eine gute Bissfestigkeit sein muss, wie bislang vermutet. Stattdessen wird die Proteinqualität mehr in den Fokus der zukünftiger Untersuchungen rücken (z. B. Glutengehalt). Die Forderung nach hohen Eiweißgehalten in Anbauverträgen sollte darum neu überdacht und angepasst werden, auch aus Gründen des Grundwasserschutzes.
Zudem ist bekannt, dass der Verbraucher auch bei eierfreier Pasta eine gelbe Farbe wünscht. Hier gibt es große Sortenunterschiede (s. Bild unten), die bereits am Korn gemessen werden können. Deshalb ist die gelbe Farbe in der Qualitätszüchtung neuer Durumsorten ein wichtiges Zuchtziel.
Durum vs. Weizen | Dinkel vs. Weizen | |
Standort |
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Fruchtfolge |
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Aussaat |
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N-Düngung |
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Pflanzenschutz |
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Ernte, Lager |
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Fazit
Nach wie vor wird in Deutschland nur ca. 1/3 des Bedarfs an Hartweizen produziert, der Rest wird importiert. Die zunehmende Wertigkeit der Regionalität beim Verbraucher und deren bessere CO2-Bilanz spricht für eine weitere Anbauausdehnung. Durch das wärmere Klima kommen auch bislang ungeeignete Regionen wie z. B. höhere Lagen für einen Anbau in Betracht.
Spezialgetreidearten wie Dinkel und Durum bieten Chancen durch wachsende Märkte. Im Anbau sind einige Besonderheiten zu beachten (s. Tab. 1). Eine vertragliche Absicherung mit Verarbeitern ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Martin Munz