Aktuelle Ausgabe 01/2024

Ausgaben

Sonderausgaben

Themen

Abonnement

Impressum

Datenschutzerklärung

Cookie-Einstellungen

Dinkel und Durum: Bauern und Verarbeiter arbeiten wieder enger zusammen

Viele Bäcker stehen in starkem Wettbewerb zu Discountern und Supermärkten. Daher suchen sie Wege, sich von diesen abzugrenzen und so Kunden zu gewinnen. Viele setzen mit Erfolg auf Spezialitäten, Regionalität und Qualität – und auf einen engen Kontakt zu den Erzeugern. Martin Munz, Fachberater aus Baden-Württemberg, stellt zwei erfolgreiche Konzepte vor.

Nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Verarbeiter ihrer Produkte wie Müller, Bäcker und Nudelhersteller sind einem starken Strukturwandel unterworfen. Besonders die Handwerksbetriebe unter den Bäckern stehen im starken Wettbewerb zu Discountern und Supermärkten. Um eine stabile Kundenbindung zu erreichen, setzen viele Hersteller von Backwaren und Nudeln auf Regionalität und Qualität bis hin zur Verwendung von Rohstoffen aus ökologischer Produktion, deren Nachfrage weiterhin steigt.

Eine erfreuliche Entwicklung dabei ist, dass viele Verarbeiter den Kontakt zum Landwirt suchen und sich detailliert dafür interessieren, was bei der Rohstoffproduktion auf dem Acker passiert. Die Landwirte lassen sich hier gerne in „ihre Karten“ schauen, hat die enge Zusammenarbeit doch das Ziel, für beide Seiten eine höhere Wertschöpfung als bislang zu generieren. Regionalität allein reicht oft nicht – es müssen kreative Marketingkonzepte gestrickt werden, die den Verbraucher auch erreichen und zum Kauf dieser oft höherpreisigen Produkte bewegen.

So sind in letzter Zeit viele erfolgreiche Vertragsproduktionen entstanden, die dem Landwirt gegenüber der „anonymen“ Getreideproduktion eine höhere Wirtschaftlichkeit bieten. Die Spezialgetreidearten Dinkel und Durum eignen sich besonders gut für solche Programme. Deshalb sollen hier zwei Beispiele näher vorgestellt werden.


Aus Dinkel Zollernspelz wird die Brotmarke Zollerngold

Thomas Koch, Bäckermeister und geprüfter Brotsommelier aus Balingen-Engstlatt, hatte die Vision, ein Brot zu erschaffen, wie er es aus seiner Kindheit kannte: schmackhaft, ehrlich und von hier. Nach zahlreichen Versuchen über einen längeren Zeitraum entstand daraus ein genetztes Dinkel­brot aus sortenreinem Mehl der Sorte Zollernspelz. Der Anbau der gesunden und standfesten Sorte Zollernspelz erfolgt ohne chemischen Pflanzenschutz mit Mineraldüngung, um eine stabile Qualität zu garantieren. Das Brot daraus vermarktet Bäcker Koch unter dem Namen Zollerngold. Um das Brot bekannt zu machen, lud er seine Kunden mit dem Müller und Rohstoffproduzenten zu einer Brotverkostung in die Backstube ein. Auch die Lokalpresse wurde gut eingebunden und berichtete über die Veranstaltung in der Tagespresse. Ein solches Projekt ist nur möglich, so Koch, wenn Bäcker, Bauer und Müller sich persönlich kennen und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

<

Qualitätseigenschaften von Dinkelsorten; zum Vergrößern bitte anklicken
Qualitätseigenschaften von Dinkelsorten; zum Vergrößern bitte anklicken


Pasta-Marathon bei Alb-Gold

Die Unternehmensgruppe Alb-Gold in Trochtelfingen auf der Schwäbischen Alb steht für Transparenz vom Saatgut bis auf den Teller. Das Unternehmen pflegt langfristige Partnerschaften mit Vertragslandwirten. Dinkel, die klassische und traditionelle Getreideart der Schwäbischen Alb, wuchs schon immer quasi vor der Haustür. Jedoch benötigt man als Nudelhersteller überwiegend Hartweizen – der typische „Nudelrohstoff”. Bundesweit – vom Hochrhein bis nach Thüringen – produzierten 2018 über 100 Vertragslandwirte auf 1.542 ha über 8.000 Tonnen Durumweizen für Alb-Gold. Dabei waren erstmals auch nennenswerte Mengen aus der Region vor Ort dabei. In Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit 25 sortenreine Nudelmuster von zwei Standorten untersucht.

 

Bei diesem „Pasta-Marathon“ gab es teilweise überraschen­de Ergebnisse. Der Versuch gibt Hinweise darauf, dass der Proteingehalt selbst nicht unbedingt ausschlaggebend für eine gute Bissfestigkeit sein muss, wie bislang vermutet. Stattdessen wird die Proteinqualität mehr in den Fokus der zukünftiger Untersuchungen rücken (z. B. Glutengehalt). Die Forderung nach hohen Eiweißgehalten in Anbauverträgen sollte darum neu überdacht und angepasst werden, auch aus Gründen des Grundwasserschutzes.

Zudem ist bekannt, dass der Verbraucher auch bei eierfreier Pasta eine gelbe Farbe wünscht. Hier gibt es große Sortenunterschiede (s. Bild unten), die bereits am Korn gemessen werden können. Deshalb ist die gelbe Farbe in der Qualitätszüchtung neuer Durumsorten ein wichtiges Zuchtziel.


Tab. 1: Besonderheiten Durum/Dinkel im Vergleich

    Durum vs. Weizen  Dinkel vs. Weizen 
Standort
  • Bessere Böden und sommertrockene Lagen
  • Alle Lagen, auch schwächere Böden 
Fruchtfolge
  • Nach Blattfrüchten wie Raps, Rüben, Leguminosen
  • Nicht als Stoppelgetreide
  • Möglichst nicht nach Mais (Fusarium)
  • Nach Blattfrüchten wie Raps, Mais, Rüben, Leguminosen
  • Stoppelgetreide geringerer Ertragsabfall als bei Weizen
Aussaat
  • Keine ausgeprägten Früh- und Spätsaaten
  • Beste Saatbettqualität
  • Höhere Saatstärke 350 – 400 Kö/m²
  • Entspelztes Saatgut: 250–280 Kö/m² entsprechen 5–6 Einheiten/ha
  • Saatgut im Spelz: 150 –170 Vesen/ha
  • 2 cm tiefer drillen
N-Düngung
  • N-Bedarfswert bei 55 dt/ha und 15 % Rohprotein: 200 kg N/ha
  • N-Bedarfswert bei 80 dt/ha 190 kg N/ha
Pflanzenschutz
  • Herbizide Zulassungen und Verträglichkeit beachten!
  • Fungizide –> Gelbrost, Fusarium
  • Herbizide Zulassungen und Verträglichkeit beachten!
  • Wachstumsreglereinsatz --> Dosierung an Standfestigkeit der Sorte ausrichten
Ernte, Lager
  • Fläche der Druschkapazität anpassen
  • Qualitätsrisiko (Auswuchs!)
  • Schüttdichte 35–45 kg/hl
  • Doppelte Lagerkapazität
  • Belüftung/Kühlung Spelz schließt Kornfeuchte ein
     

 


Fazit

Nach wie vor wird in Deutschland nur ca. 1/3 des Bedarfs an Hartweizen produziert, der Rest wird importiert. Die zunehmende Wertigkeit der Regionalität beim Verbraucher und deren bessere CO2-Bilanz spricht für eine weitere Anbauausdehnung. Durch das wärmere Klima kommen auch bislang ungeeignete Regionen wie z. B. höhere Lagen für einen Anbau in Betracht.

Spezialgetreidearten wie Dinkel und Durum bieten Chancen durch wachsende Märkte. Im Anbau sind einige Besonderheiten zu beachten (s. Tab. 1). Eine vertragliche Absicherung mit Verarbeitern ist auf jeden Fall zu empfehlen.

 

Martin Munz

Stand: 30.04.2019