Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Nach einem „harten Weg“: starke Vermarktung von Erbsen

Martin Jahn ist Geschäftsführer der Emsland Aller Aqua GmbH in Golßen (Brandenburg), einer Tochtergesell­schaft der Emsland Group mit Sitz in Emlichheim (Niedersachsen), dem führenden erbsenverarbeitenden Unternehmen des Landes. Bis dahin war es ein „harter Weg, doch wir sind froh, dass wir ihn gegangen sind.“

Martin Jahn erläutert die Verarbeitungsprodukte. Quelle: SAATEN-UNION
Martin Jahn erläutert die Verarbeitungsprodukte. Quelle: SAATEN-UNION
Zur Emsland Group gehören sieben Standorte in Deutschland, an fünf Standorten werden ausschließlich Kartoffeln verarbeitet. Die Ernte von ca. 30.000 Hektar Erbsenanbaufläche, das sind 42 % aller in Deutschland produzierten Futtererbsen, landet schließlich bei der Emsland Group an den Standorten Golßen oder Emlichheim. Europaweit verarbeiten neben der Emsland Group nur noch zwei weitere Unternehmen Erbsen zu Stärke und Eiweiß.


Die Historie

Die Erbse als ideale Ergänzung zur Kartoffel

Ursprünglich wurden am Standort Golßen ausschließlich Kartoffeln verarbeitet. Da Kartoffeln zwar eine qualitativ hochwertige Stärke liefern, aber das Protein eher schwächer einzustufen ist, suchte man eine proteinstärkere Erweiterung des Portfolios. Diese sollte zudem die Aus­lastung des Werkes ver­bessern.


Die zur Diskussion stehenden pflanzlichen Protein- und Stärketräger, waren neben Soja, Mais, Raps, Sonnenblumen, Lupinen und Ackerbohnen auch Erbsen. Für eine Vermarktung des Proteins sind jedoch nicht ausschließlich der Proteingehalt und die Proteinqualität entscheidend.


„Aspekte wie GMO- und Allergenfreiheit, sonstige verwertbare Bestandteile, Preis und Verfügbarkeit oder schlicht das Image sind ebenso wichtig“, zählt Jahn einige weitere wichtige Auswahlkriterien auf. Schließlich fiel die Wahl auf die Erbse, die in dieser Region eine lange Anbautradition hat. Daher liegt in der Landwirtschaft ein großer Erfahrungsschatz vor.


2002–2003 wurde dann ein Verfahren entwickelt, bei dem ein Teil der für die Kartoffelverarbeitung verwendeten Kapazitäten für die Erbsen genutzt werden kann. Fast alle Fraktionen der Erbse lassen sich vermarkten: Neben dem hochwertigen Protein sind es natürlich die Kohlenhydrate (Stärke) aber auch die Faserstoffe, die im Lebensmittel­bereich Verwendung finden. Insgesamt sind 95 % der Futtererbse verwendbar.


Ungewöhnlich: Man entwickelte das Verfahren zu einer Zeit, in der die Nachfrage nach dem Produkt sehr verhalten war – also bevor man überhaupt einen festen Interessenten für die Ware hatte. „Wir waren unserer Zeit da ein wenig voraus. Erbsenprotein war – im Gegensatz zu den anderen Bestandteilen – zunächst nicht so gefragt. Bis ein Fischfutterhersteller aus Dänemark Interesse bekundete. Mit der Gründung des deutsch-dänischen Unternehmens Emsland Aller Aqua GmbH 2006 und dem Bau des Fischfutterwerkes hier am Standort Golßen kam der Durchbruch für die Erbsenverarbeitung, denn jetzt hatten wir mit dem Futter für die Fischaufzucht eine große Vermarktungsmöglichkeit für das Erbseneiweiß“, erläutert Jahn den „Siegeszug der Erbse“. Seitdem werden am Standort Golßen mehr Erbsen als Kartoffeln verarbeitet.

Der Rohstoff

Ermittlung sortenbezogener Eigenschaften

Landwirte, die Ihre Futtererbsen (Pisum Sativum L.convar. speciosum) über die Emsland Group vermarkten wollen, sollten diese selbst einlagern können. Ab August beginnt die Kampagne. „Wir können, da die Partien in der Regel sortenrein angeliefert werden, sehr gut Sorteneigenschaften ermitteln. Diese Erkenntnisse von Gehalten und Qualitäten in Abhängigkeit von der Sorte sind für uns sehr nützlich, denn daraus leiten wir für die nächste Saison Sortenempfehlungen ab. Empfehlungen, aber keine Vorgaben“, betont Jahn.


Proteingehalte schwanken in Abhängigkeit von der Sorte zwischen 22 und 25 %, Stärkegehalte zwischen 48 und 52 %. Danach sind unteranderem die Sommererbsen­sorten Navarro, Alvesta, Salamanca, Astronaute gut geeignet (Stand 2018). Die Ergebnisse der Untersuchungen werden mit den Landwirten diskutiert.


Spezifikationen

Neben den handelsüblichen Anforderungen (Geruch, Farbe, Wassergehalt und Reinheit etc.) legt die Emsland Group darauf Wert, dass bei der Produktion auf einige Pflanzenschutzmittel verzichtet wird. Dies sind zurzeit Mittel mit den Wirkstoffen Fluazifop-P-butyl, Haloxyfop und Tebuconazol. „Diese Wirkstoffe sind in den Ländern, in die wir liefern, teilweise verboten und daher würde eine Behandlung der Erbsen nicht akzeptiert werden“, lautet die Erklärung. „Die Produzenten schränkt das aber nicht ein, denn es gibt ausreichende Alternativen. Ganz ohne Pflanzenschutz geht es für unsere Ware in der Regel nicht, denn dann würde das Kriterium der Reinheit für die Endprodukte nicht erfüllt werden können, auf das unsere Abnehmer alle sehr großen Wert legen. Ein Käfer in der Ware und das ganze Schiff kommt zurück!“


Mit der Einführung des Greenings stieg seinerzeit auch die Zahl der anfragenden Landwirte. Als die Auflage kam, innerhalb des Greenings auf Pflanzenschutz in Grobleguminosen zu verzichten, rechnete man bei der Emsland Group eigentlich mit einem Einbruch der Flächen. „Überraschenderweise blieb der aber aus. Vermutlich werden Erbsen jetzt nicht mehr im Rahmen des Greenings produziert, sondern sind auch ohne Greeningprämie ein festes Fruchtfolgeglied geworden“, mutmaßt Martin Jahn.


Transparente Preisgestaltung

Die Emsland Group bietet den Landwirten derzeit 1- und 3-Jahresverträge mit festen Konditionen an. Mindestens so wichtig wie ein fairer Preis ist den meisten Lieferanten aber die ggf. über drei Jahre vertraglich garantierte Vermarktungssicherheit und damit die Planungssicherheit. Letztere ist natürlich auch für die Emsland Group ein wichtiges Argument für tragfähige und langfristige Geschäftsbeziehungen.


Verarbeitung und Vermarktung

Vermarktungsargument: „Made in Germany“

93 % der Rohware stammt am Standort Golßen aus den östlichen Bundesländern, der Standort Emlichheim bezieht seine Ware auch aus Süddeutschland. Wenige Prozente stammen aus Tschechien, Polen und Frankreich. „Der deutsche Erbsenanbau hat im Ausland einen Top-Ruf. Und auch unser Qualitätsmanagement genießt großes Ansehen bei den großen ausländischen Abnehmern unserer Produkte, die sehr strenge Audits durchführen“, erklärt der Geschäftsführer. „Made in Germany“ ist also bei Erbsenprodukten ein sehr gutes Verkaufsargument und auch die GMO-Freiheit der hier produzierten Ware wird bei vielen Käufern immer wichtiger.

Das deutsch-dänische Unternehmen Emsland Aller Aqua GmbH verwertet im Fischfutterwerk am Standort Golßen eine große Menge des produzierten Erbseneinweißes. Quelle: Emsland Group
Das deutsch-dänische Unternehmen Emsland Aller Aqua GmbH verwertet im Fischfutterwerk am Standort Golßen eine große Menge des produzierten Erbseneinweißes. Quelle: Emsland Group

Die Schwerpunkte seien dabei aber je nach Abnehmer und Land sehr unterschiedlich, hat Martin Jahn beobachtet. Der eine lege besonderen Wert auf GMO-Freiheit bei der menschlichen oder auch tierischen Ernährung, während der Nächste ein besonderes Augenmerk auf garantierte Glutenfreiheit lege. Bei beiden Kriterien komme es eben auch auf eine „saubere“ Logistik an, die hier erfüllt werden könne.


Die Produkte von links nach rechts: Kartoffeleiweiß, Erbsen, Schalen, Erbsenaußenfaser, Erbseneiweiß. Quelle: SAATEN-UNION
Die Produkte von links nach rechts: Kartoffeleiweiß, Erbsen, Schalen, Erbsenaußenfaser, Erbseneiweiß. Quelle: SAATEN-UNION
Da steckt Erbse drin!

Aus 95 % der Rohware werden vermarktungsfähige Produkte, nämlich Erbsenstärke, Erbsenprotein, Erbsenfaser und PL (Pea Protein Liquid, s. Abb. 2).

Die Erbsenstärke zeichnet sich u. a. durch hohe Gelbildung, einen hohen Amylosegehalt von 35 %, einer hohen Stabilität bei Säure-, Scher- und Hitzeeinwirkung aus. Sie wird

für die Herstellung von Backwaren und Dauerbackwaren, Süßwaren, Instantgerichten, Glasnudeln etc. und sogar für umweltfreundliche Produkte der Wasseraufbereitung, Filtertechnologie und Verpackungsmaterial verwendet! Bei einigen Produkten ist nicht modifizierte Erbsenstärke sogar der hochwertigen Kartoffelstärke überlegen.


Das Erbseneiweiß ist reich an den Aminosäuren Lysin und anderen essenziellen Aminosäuren, es ist gut verdaulich und bekömmlich. Damit eignet es sich hervorragend als Futtereiweiß für die Mast von Warmblütern und Fischen, aber auch für die menschliche Ernährung. Das Unternehmen stellt ein spezielles Proteinisolat her, das Empro® E86 Erbsenproteinisolat. Dieses findet z. B. Verwendung inPro­teinriegeln und Sportlernahrung, in milch- und glutenfreien Produkten und bei der Herstellung von Fleisch­ersatzprodukten.


Bei der Fraktion der Erbsenfasern unterscheidet man zwei verschiedene Qualitäten.

1: EmfibrePH 1000 hat einen sehr geringen Stärke- und Proteingehalt und ein hohes Wasserbindungsvermögen von dem 3–5 Fachen des Eigengewichtes. Es dient als Ballaststoff für Tierfutter.

2: EmfibreEF 200 ist ebenfalls ein wertvoller Ballaststoff mit einem Wasserbindungsvermögen von bis zum 8–10 Fachen des Eigengewichtes. Das Produkt ist geschmacksneutral und weitgehend frei von Zucker und Fetten. EmfibreEF 200 wird bevorzugt zur Anreicherung von Teig- und Nudelprodukten, Snacks, Cerealien und Formfleischprodukten eingesetzt.


Die Zukunft

Die Nachfrage zum Vertragsanbau seitens der Landwirte ist zzt. groß und auch die Nachfrage nach den Endprodukten steigt eher, als dass sie rückläufig ist. „Der Weltmarkt ist sehr schwer prognostizierbar“, weiß Jahn. „Aber da mit Erbsenprotein sich die Fleischfaserung hervorragend imitieren lässt, ist anzunehmen, dass das Marktsegment Fleischalternativen wächst. Vermutlich gilt das auch für die Herstellung von Verpackungsmaterial mit pflanzlichen Komponenten. Wir wollen daher nicht nur in die Optimierung der Prozesse Zeit und Energie stecken, sondern auch zusätzliche Kapazitäten schaffen.“

Das Gespräch führten Jan Böse und Dr. Anke Boenisch

KONTAKTDATEN:
Frau Ilona Seibicke (Rohstoffeinkauf)
Tel.: + 49 (0) 339 71 68-122
Mobil: + 49 (0) 171-309 17 83
Herr Holger Hanke (Rohstoffkoordinator)
Tel.: + 49 (0) 339 71 68-120
Mobil: + 49 (0) 170-330 99 37
Stand: 22.02.2019