Aktuelle Ausgabe 01/2024

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Maiszünslerbekämpfung: Die Zukunft den Drohnen? Teil 1

Der Maiszünsler ist der wirtschaftlich bedeutendste Schädling im Maisanbau und verbreitet sich zunehmend gen Norden. Besonders in Bundesländern, in denen seine biologische Bekämpfung finanziell gefördert wird, ist diese hochwirtschaftlich. Der Wirkungsgrad des chemischen Pflanzenschutzes ist und bleibt aber ungeschlagen hoch. Biologisch oder chemisch – was passt zu welchem Betrieb?

Multicopter bei Abwurf einer Kapsel
Multicopter bei Abwurf einer Kapsel
Es gibt Maiszünsler-Rassen (Ostrina nubilalis), die eine Generation oder zwei Generationen pro Jahr bilden (univoltin bzw. bivoltin). Nur bei sehr starkem Befall führen Ertragsschäden zu Ausfällen von bis zu 50 %. In vielen Fällen schwerwiegender sind hingegen die Folgen der Verletzungen, die durch den Larvenfraß hervorgerufen wurden: Sekundärschäden wie Kolbenfusarium und Beulenbrand führen zu erheblichen qualitativen Einbußen und hohen DON-Gehalten.


Die Schlupfwespe Trichogramma brassicae parasitiert unter anderem die (frischen) Eigelege des Maiszünslers. Die von ihr abgelegten Eier entwickeln sich „auf Kosten“ des Maiszünsler-Eies, das infolgedessen abstirbt. Im Schutz der Eihülle durchläuft T. brassicae vier Larvenstadien, bevor sie sich verpuppt. Die schlüpfenden Wespen sind ca. 0,5–0,6 mm groß und können sofort nach der Paarung mit der Eiablage beginnen.

 

I Die biologische Bekämpfung

Mehr als 15 Jahre Erfahrung mit biologischer Bekämpfung

Die biologische Bekämpfung des Zünslers mit Trichogramma erfolgt seit mehr als 15 Jahren klassischer Weise durch manuelles Ausbringen von präparierten Anhängern. Diese sind je nach Hersteller etwas unterschiedlich aufgebaut. Meist befinden sich an den Hängern die von Schlupfwespen parasitierten Eier in verschiedenen Entwicklungsstadien sowie nicht parasitierte Wirtseier. Dadurch schlüpfen die Schlupfwespen in Schlupfwellen und es wird eine Wirkungsdauer von bis zu drei Wochen erreicht. Diese gegen Regen und Fressfeinde gut geschützten Anhänger werden einige Tage vor der erwarteten Haupteiablage des Zünslers ausgebracht, das erste Mal in die noch kniehohen Maispflanzen. Eine zweite Ausbringung erfolgt dann in der Regel deutlich später in den mannshohen Bestand.


Nur zwei Bundesländer haben Förderprogramme

In einigen Bundesländern wird diese biologische Bekämpfung finanziell gefördert. In Baden-Württemberg z. B. erhalten Betriebe im Rahmen des Förderprogrammes für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) 60 Euro/Hektar. Eine solche Förderung macht diese Maßnahme natürlich finanziell sehr interessant, denn sie entspricht annähernd den Gesamtkosten eines Multicoptereinsatzes. Auch Rheinland-Pfalz hat ein ähnliches Förderprogramm.


Superschnelle Multicopter

Seit einigen Jahren stehen Drohnen, sogenannte Multicopter, bei der Schädlingsbekämpfung zur Verfügung. Diese bestehen im Wesentlichen aus mehreren Rotorblättern, dem Akku, dem „Korb“ für die mit Nützlingen gefüllten Kugeln und jeder Menge Elektronik. Die Kapseln, die mit dem Gerät punktgenau ausgebracht werden, enthalten wie die beschriebenen Anhänger Nützlinge in verschiedenen Entwicklungsstadien. Sie bestehen aus leicht verrottendem Material und stellen so keine Umweltbelastung dar. Bei einem erwarteten mittleren Zünslerbefall erfolgt die Bekämpfung zweimalig mit je 100 Kugeln/ha und einer Gesamtmenge von ca. 220.000 Insekten. Diese Menge entspricht per Definition der für eine Förderung notwendigen „erhöhten Aufwandmenge“.

J. Frey
J. Frey
Ein Unternehmer, der sich nach seinem Masterstudium der Agrarwissenschaften dieser Technik verschrieben hat, ist Julian Frey. Als zweites Unternehmen hat er sich und sein Ausbringungstechnik von Biocare zertifizieren lassen, um seinen Kunden einen Nachweis der ordnungsgemäßen Ausbringung zu erbringen. Er sieht einen wachsenden Markt, besonders in den Bundesländern, die den biologischen Pflanzenschutz fördern. „Grundsätzlich werden vom Bund für jedes Land Gelder in Höhe von ca. 30 €/ha bereitgestellt. Jedoch haben bisher nur Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein Förderprogramm aufgesetzt und auf 60 €/ha aufgestockt. Damit gibt es in den übrigen Bundesländern auch noch keine Förderung dieser Maßnahme“, bedauert Frey die aktuelle Situation.


Besonders interessant für personalschwache Betriebe

Seine Kundschaft sieht Frey weniger in den reinen Biogasbetrieben: „Ertraglich relevante Schäden, die alleine eine Pflanzenschutzmaßnahme rechtfertigen würden, sind nur bei stärkerem Befall zu erwarten. Reine Biogasbetriebe führen daher zwar über die Bodenbearbeitung vorbeugende Maßnahmen gegen Zünsler durch, deutlich seltener jedoch chemischen oder biologischen Pflanzenschutz. Allerdings kann selbst für diese Betriebe eine geförderte und damit kostenneutrale Behandlung ökonomisch sinnvoll werden. Interessant wird die biologische Bekämpfung besonders für die Betriebe, die hohen Wert auf Fusariumfreiheit legen, also Körnermais, Zuckermais oder Futtersilomais produzieren. Denn Sekundärschäden des Maiszünslers sind unter anderem Fusariosen, die wiederum hohe DON-Gehalte nach sich ziehen. Wenn diese Betriebe dann noch mit wenig Personal zurechtkommen müssen, Zeit also der limitierende Faktor ist, hat der Multicoptereinsatz unschlagbare Vorteile.“ Das entscheidende Argument sei dann die Zeitersparnis, denn der Betrieb müsse selbst vorbereitend nicht viel tun. In der Tat ist die Angabe des Schlagnamens, der Flurstücknummer, der Größe der zu behandelnden Fläche und der Gemarkungsnummer alles, was der Landwirt bei der verbindlichen Anmeldung, die aus organisatorischen Gründen spätestens zur Aussaat erfolgen sollte, machen muss. An der Maßnahme selbst, die flächenabhängig ein bis max. zwei Tage benötigt, ist der Betrieb nicht beteiligt.

Anders ist die Grundsituation in Betrieben, die über ausreichend Personal verfügen, etwa im Gemüseanbau. Wenn dann noch nur eine Maßnahme geplant ist, ist die manuelle Ausbringung sicher die kostengünstigere Maßnahme. Der Zeitaufwand liegt bei ca. 20–30 Minuten/ha bei der ersten Ausbringung, eine zweite benötigt aufgrund der Bestandeshöhe deutlich mehr Zeit. Im Vergleich dazu schafft ein Multicopter den Hektar unabhängig von der Bestandeshöhe in vier Minuten. Hinzuzurechnen sind dann jedoch noch die Rüstzeiten (Nachfüllen, Akkuwechsel etc.).


Bild 1: Diese Polygonansicht gibt jeden Abwurfpunkt einer Kapsel auf einer definierten Feldfläche wieder.
Bild 1: Diese Polygonansicht gibt jeden Abwurfpunkt einer Kapsel auf einer definierten Feldfläche wieder.
Sehr exakte Ausbringung der Nützlinge

Die Multicopter lassen sich mittels einer Software so programmieren, dass sie punktgenau die Kapseln mit den Nützlingen auf der zuvor definierten Feldfläche ausbringen. Die Grobplanung hierfür erfolgt am PC auf Basis der Schlagdaten. Dort könnte auch das „Feintuning“ erfolgen (Bild 1). „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, regionale Besonderheiten am Feld zu erfassen und dort das „Feintuning“ vorzunehmen. So kann man besser kritische Punkte wie z. B. Strommasten exakt erfassen und auch den optimalen Steuerungsort bestimmen.“

Bild 2
Bild 2
Der Behälter für die Kugeln ist so groß, dass er Material für ca. 5 ha fasst (Bild 2). Das Gesamtgewicht der Drohne (inklusive Akku und Füllgewicht) umfasst knapp 5 kg. „Dieses Gewicht hat einen rechtlichen Hintergrund: Oberhalb von 5 kg Gesamtgewicht muss jeder Flug einzeln genehmigt werden, bleibt das Gewicht unterhalb dieser Grenze, reicht eine einmalige sog. Aufstiegsgenehmigung aus, die eine Gültigkeit von drei Jahren hat“, begründet Frey. „Das Befüllen und der Akkuwechsel ist eine Sache von wenigen Minuten und die Schlaggrößen in dieser Region sind überschaubar. Daher ist die Größe hier völlig ausreichend.“

Der Akku hat eine Ladekapazität, die das Gerät inkl. Aufstieg und Landung 20 Minuten in Betrieb hält. Das Modell in unserem Beispiel kann max. auf eine Höhe von 100 Meter aufsteigen. In der Praxis fliegt Frey nur bis zu 10 Meter, denn größere Höhen vergrößern die Abdrift der Kugeln, die Ausbringung wird also zunehmend ungenauer. Obwohl der Multicopter so programmiert werden kann, dass er quasi selbstständig fliegt, sollte man ihn laut Frey nicht aus den Augen lassen, um auf bestehende Hindernisse wie Masten oder auch plötzlich auftauchende Hindernisse bzw. Probleme wie Vögel oder Wind reagieren zu können.


Kaum Einschränkungen für den Multicoptereinsatz

Für den Multicopter-Einsatz spielt die Topografie des Schlages nahezu keine Rolle, ebenso wenig wie seine Nähe zu Gewässern oder die Größe. Strommasten bzw. -leitungen machen die Sache zwar komplizierter, weil man die Flughöhe u. U. laufend verändern muss, sind aber ebenfalls kein Ausschlusskriterium. Rund um Flughäfen und Militärgebiete ist der Einsatz von Drohnen immer stark eingeschränkt bzw. ganz verboten, entsprechende Karten weisen diese Zonen jedoch eindeutig aus. Das Fliegen über Naturschutzgebieten kann ebenfalls (saisonal) eingeschränkt sein.


Wirkungsgrade von ca. 50–80 %

Was muss alles zusammengreifen, damit eine Multicoptermaßnahme ein Erfolg wird? Ganz wichtig ist der richtige Zeitpunkt der Ausbringung. Das Monitoring erfolgt in Baden-Württemberg durch das LTZ. Ist der Flughöhepunkt des Zünslers absehbar, werden die Kugeln beim Hersteller geordert, sodass die Tiere „just-in-time“, also 2–3 Tage vor dem ermittelten Flughöhepunkt, geliefert werden. Im Gebiet des Maschinenringes Biberach-Ehingen arbeitet Frey mit diesem eng zusammen.

Bild 3: Kapsel von AMW (links) und TRICHOSAFE®-Kugel (rechts)
Bild 3: Kapsel von AMW (links) und TRICHOSAFE®-Kugel (rechts)
Der größte Feind eines erfolgreichen Trichogramma-Einsatzes ist die Tageshöchsttemperatur – nicht für die technische Komponente, sondern für die Nützlinge. Denn Hitze über 38 °C bremst die Entwicklung der Larven vollständig. Schon ab 31–32 °C legen die erwachsenen Weibchen gar keine Eier mehr ab und auch die Überlebensrate in dem Wirtsgelege sinkt bei Hitze. „Wenn alles passt, kann der Trichogramma-Einsatz 80 % Bekämpfungserfolg bringen. Aber bei Hitze oder auch sehr kalten Temperaturen sind es manchmal auch nur 50 %“, hat Frey beobachtet. Dabei sind die Erfolge der Anhängermethode wenige Prozente besser, vermutlich auch weil hier die auf der Wirtssuche meist laufenden Tiere kürzere Strecken zurücklegen müssen als die Kolleginnen aus den Kapseln. Natürlich muss auch die Qualität der Nützlinge stimmen. Hier tummeln sich auf dem Markt schon etliche Anbieter mit teilweise unterschiedlichen Systemen und Materialien (Bild 3), schlechte Erfahrungen hat Frey aber nur selten gemacht. „Es gab mal aufgrund eines Produktionsfehlers Unregelmäßigkeiten bei den Nähten der Kugeln, was dazu führte, dass die sich im Korb verhakt haben.“


Welche Vorgehensweise ist die beste?

Die allgemeine Erfahrung zeigt, dass beide biologischen Maßnahmen weniger kalkulierbar und Schwankungen in den Wirkungsgraden größer sind als im chemischen Pflanzenschutz. Dem stehen Argumente wie Boden- und Nützlingsschonung, ggf. finanzielle Förderung und beim Multicoptereinsatz unschlagbar schnelle Durchführung entgegen.

Die Fragen, die sich eine Betriebsleitung also vor einer Entscheidung stellen muss, sind: Wie viele Maiszünsler kann oder will ich tolerieren? Wie viel Arbeitskraft kann und will ich investieren? Was bedeutet mir eine ressourcenschonende und umweltfreundliche Maßnahme durchzuführen, selbst wenn der Erfolg nicht 90–100%ig ist? Die Antworten fallen je nach Betriebsstruktur unterschiedlich aus, aber Drohnen wird man über unseren Maisschlägen in den kommenden Jahren sicher häufiger beobachten können.

 

Dr. Anke Boenisch

 

Voraussetzungen für die gewerbliche Nutzung einer Drohne:

  • Führungsnachweis
  • Haftpflichtversicherung
  • „Bruchversicherung“ ist fakultativ
  • Sperrzonen dürfen nicht überflogen werden.
  • Rund um Flughäfen und Militärgebiete ist der Einsatz von Drohnen immer stark eingeschränkt, teilweise ganz verboten.
  • Das Fliegen über Naturschutzgebieten kann ebenfalls (saisonal) eingeschränkt sein.
  • Folgende Bundesländer fördern die biologische Maiszünsler-Bekämpfung: Baden-Württemberg (FAKT), Rheinland-Pfalz (EULLE)

 

Stand: 01.07.2016